Islamisten in Tunesien: „Wir werden uns niemandem beugen“
Die Übergangsregierung in Tunesien will von einem Rücktritt nichts wissen. Die Gespräche zur Beendigung der politischen Krise sollen aber weitergehen.
MADRID taz | Der Chef der tunesischen Übergangsregierung, der Islamist Ali Larajedh, ließ lange auf sich warten. Als er dann am Mittwochabend mit knapp neunstündiger Verspätung vor die Presse trat, enttäuschte er die Opposition. Anders als erwartet, kündigte er nicht seinen Rücktritt an, sondern beteuerte nur, „auf Grundlage der verschiedenen Phasen des Fahrplans auf die Regierung zu verzichten“.
Der sogenannte Fahrplan sieht vor, dass Opposition und Regierungsparteien – neben der islamistischenen Ennahda zwei kleinere säkulare Formationen – im Rahmen eines „Nationalen Dialogs“ über eine Technokratenregierung beraten, die dann binnen weniger Wochen die neue Verfassung fertig schreiben und Wahlen organisieren soll.
Vermittelt wurde dieser Plan, der Tunesien aus einer tiefen politischen Krise führen soll, von der mächtigen Gewerkschaft UGTT, dem Arbeitgeberverband, dem Anwaltsverein und der Menschenrechtsliga.
„Wir werden uns niemandem beugen“, erklärte Larajedh auf seiner Pressekonferenz, bei der er das Wort Rücktritt kein einziges Mal in den Mund nahm. Der islamistische Politiker meinte damit die Großdemonstrationen, die von der Opposition überall im Lande abgehalten worden waren, um seinen sofortigen Rücktritt zu erzwingen. Er handle im Interesse des Vaterlands, erklärte er weiter und verwies auf die angespannte Sicherheitslage.
Mehrere Polizeireviere angegriffen
„Die Erklärung des Regierungschefs war sehr ambivalent (…), wir können so nicht in eine Dialog eintreten“, erklärte einer der wichtigsten Oppositionssprecher, Jilani Hammadi von der Arbeiterpartei, gegenüber der tunesischen Nachrichtenagentur noch am Mittwochabend. Die 60 Abgeordneten, die nach dem Mord an einem Linkspolitiker im Juli die verfassungsgebende Versammlung verlassen hatten, wollen vor dem Regierungspalast in der Altstadt von Tunis solange ein Sit-in abhalten, bis Larajedh den Hut nimmt.
Sie riefen die Bürger zur massiven Teilnahme auf. Ob der Dialog nun tatsächlich zustande kommt, war den ganzen Tag über unklar, auch wenn UGTT-Chef Houcine Abassi eine Aufnahme der Gespräche für Freitag ankündigte. Gewerkschaftsvertreter trafen sich mit Larajedh, um über die Lage zu beraten.
Derweilen kamen weitere erschreckende Meldungen aus dem ebenfalls von einem Islamisten geführten Innenministerium. So soll die Polizei nach dem Feuergefecht bei Sidi Bouzid ein mit Sprengstoff beladenen Pkw sowie zahlreiche Schnellfeuergewehre, Granaten und Sprengstoffgürtel sichergestellt haben. Außerdem seien an mehreren Orten Polizeireviere angegriffen worden.
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