Isaiah Hartenstein in der NBA: Smart und flexibel
Der deutsche Basketballspieler Isaiah Hartenstein hat sich hochgearbeitet. Mittlerweile ist er eine tragende Kraft bei den New York Knicks.
F lorian Hartenstein war ein kantiger Spieler, zuständig für Blocks und Rebounds. Wenn er für Gießen oder Quakenbrück an die Freiwurflinie schritt, erwarteten seine Teamkameraden nicht sonderlich viel; manchmal bugsierte der Center-Spieler den Ball sogar mit nur einer Hand Richtung Korb – was die Trefferquote nicht wirklich erhöhte.
Sein Sohn sollte einmal anders Basketball spielen können: geschmeidiger und flexibler. Und so lag im Wohnzimmer der Hartensteins einst, Isaiah war gerade mal drei Jahre alt, ein Teppich in der Optik eines Basketballfeldes – und am Ende stand ein Plastikkorb, in den der Kleine Bälle stopfen konnte. „Er hatte keine Chance“, sagte Florian Hartenstein einmal, „es musste auf Basketball hinauslaufen.“
Heute steht Isaiah Hartenstein, 2,10 Meter groß, in der Startformation der New York Knicks in der besten Basketballliga der Welt, der NBA. Sein Team hat die zweite Runde der Play-offs erreicht, und Montagnacht hat es im Madison Square Garden die Indiana Pacers mit 121:117 niedergerungen; 1:0 steht es in der Best-of-seven-Serie. Hartenstein stand 36 Minuten auf dem Parkett, erzielte 13 Punkte und traf sogar einen Fernwurf von jenseits der Dreipunktlinie.
Er sei in New York zuständig für die kleinen Dinge, die „IQ-Plays“, sagte er, also smarte Steckpässe, den einen klug gestellten Block oder resolutes Ausboxen unterm Korb. Obwohl er das gesamte Repertoire des Spiels beherrscht und eine Ausbildung als Flügelspieler genossen hat, unter anderem bei Zalgiris Kaunas, hat er sich nun wieder dem, nun ja, ungelenken Spiel seines Vaters angenähert, weil es derzeit von ihm eingefordert wird.
Flexible Spielweise
Isaiah Hartenstein hat kein Problem damit, die etwas rustikaleren Anforderungen in dem von Jalen Brunson angeführten Team zu erfüllen, im Gegenteil, in der reaktiven Anpassungsfähigkeit eines NBA-Profis sieht er eine Karrierechance: „Ich kann immer noch punkten, aber am Ende des Tages ist es wichtig, was das Team braucht, und da kann ich mich anpassen“, sagte Hartenstein. „Ich denke, das ist es, was viele Spieler in der Liga nicht können. Deshalb fallen einige von ihnen aus der Liga heraus.“
Es ist ohnehin verdammt schwer, seine Rolle in der NBA zu finden, und ihm war nicht vorherbestimmt, dass er eine solch tragende Rolle übernehmen würde. Nur an Position 43 in der NBA gedraftet, drehte er einige Warteschleifen beim Farmteam der Houston Rockets, den Rio Grande Valley Vipers.
Er schien dazu verdammt, als Backup-Center bestenfalls ein paar Minuten für die Denver Nuggets oder die Los Angeles Clippers auf dem Feld zu stehen und von Jahr zu Jahr um einen neuen Kontrakt zu ringen. Doch weil Hartensteins Primat stets auf dem Weiterkommen in der NBA lag, was auch seine Absenz im deutschen WM-Team erklärt, ist das Außergewöhnliche nun passiert: Hartenstein, der heuer gut 9 Millionen Dollar als sogenannter Free Agent verdient, ist der Durchbruch gelungen.
Das Publikum im Garden liebt ihn und seine recht merkwürdig anzuschauenden Floater, also spezielle Einhand-Würfe (!), in der Zone. Kam er in seinen vergangenen NBA-Jahren im Durchschnitt auf eine Einsatzzeit von 9 bis 17 Minuten, so darf er nun über 25 Minuten ran. In dieser Zeit erzielt er im Schnitt 7,8 Punkte.
Sein Vater, der ihn immer noch begleitet, fährt, bekocht und bisweilen coacht, wohnt in New York über ihm. Aus Dankbarkeit hat ihm der Sohn nun ein Auto – und natürlich viel wichtiger – bald auch einen Enkel geschenkt. Im Sommer kommt der Junge auf die Welt. Die Aussicht auf Nachwuchs sporne ihn zusätzlich an, sagte Isaiah Hartenstein, der kürzlich im Podcast von Jalen Brunson auch noch einmal darauf einging, dass er ja eigentlich schwarz sei, obwohl das wegen seines hellen Teints niemand vermuten würde.
Florian Hartensteins Vater, ein sogenannter afro-american, war in Deutschland als Soldat stationiert, zeugte dort mit einer Deutschen den Sohn. Florian Hartenstein hat oft erklären müssen, dass dieser hellhäutige Bursche sein Sohn sei; die Größe ließe doch wirklich keine Zweifel offen, sagte der, die Mutter habe sich eben genetisch durchgesetzt.
Ihm verdanke er eigentlich alles, sagt der Sohn über den Vater, der ihm nicht nur Lektionen in Black History, speziell über Martin Luther King, beibrachte, sondern das vielseitige Basketballspiel – und auch die Wachheit gegenüber rassistischen Untertönen: Als sich vor Jahren der Präsident des litauischen Klubs Lietuvos Rytas, Gedvydas Vainauskas, zu der Aussage verstieg, zwei Schwarze im Team seien okay, aber vier oder fünf bildeten schon eine Gang, wehrte sich auch Isaiah Hartenstein energisch gegen die Entgleisung. Der Litauer musste zurücktreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Frauenfeindlichkeit
Vor dem Familiengericht sind nicht alle gleich