Irre Reformidee beim Baseball: Große TV-Show Play-Offs
Die konservative Major League Baseball plant, dass in den Play-offs sich die besten Teams ihre Gegner aussuchen können. Es soll ein Spektakel werden.
M an stelle sich vor: Kurz nach Silvester findet der erste fußballerische Höhepunkt des neuen Jahres statt. In Genf oder Brüssel oder irgendeiner anderen europäischen Stadt, die ausreichend teure Hotels vorhält, trifft sich eine Horde Funktionäre, um das kommende Achtelfinale der Champions League auszukaspern. Aber diesmal wird nicht gelost. Nein, diesmal wird mal was ganz anderes ausprobiert: Der Vorrundengruppenerste mit den meisten Punkten darf sich aus den Gruppenzweiten seinen Gegner aussuchen. Dann kommt der mit den zweitmeisten Punkten dran und so weiter.
Während der alle Einschaltquotenrekorde schlagenden TV-Übertragung diskutieren die Fans quer durch Europa, welcher Gegner ihrer Mannschaft besser liegt. War es eine gute Idee von Bayern München, mit dem SSC Neapel das vielleicht nur vermeintlich relativ schwache Überraschungsteam gewählt zu haben? Und warum hat sich Pep Guardiola für das sensationell in der Gruppe nur zweitplatzierte Real Madrid entschieden? Will er seine in der Premier League schwächelnden Stars mit dem großen Namen motivieren?
Sie finden das absurd? Da kennen Sie die Verantwortlichen der Major League Baseball (MLB) aber schlecht. Die haben nämlich jetzt genau das vorgeschlagen. Die aus Traditionsgründen in American und National League aufgeteilte Liga plant eine bahnbrechende Reform ihres Play-off-Formats. Künftig sollen nicht mehr nur zehn Teams in der K.o.-Runde den „World Series“-Sieger ausspielen, sondern 14. Und die erste Play-off-Runde wird von bislang nur einem auf maximal drei Spiele verlängert. All das folgt der bekannten Logik, die dem Geschäft Profi-Baseball nun mal innewohnt: mehr Mannschaften, mehr Spiele, mehr Umsatz.
Nun aber wird es spannend: Die beiden Teams der American und der National League, die jeweils die meisten Siege in der regulären Saison eingefahren haben, bekommen in der ersten Play-off-Runde frei. Dann aber spielt nicht der jeweilige Zweitplatzierte automatisch gegen den jeweiligen Siebtbesten, sondern der darf sich aus den schlechtesten drei den Erstrundengegner aussuchen.
Die Auswahl soll TV-gerecht in einer Show übertragen werden und für den beim jüngeren Publikum – vor allem im Gegensatz zu Football und Basketball – schwächelnden Baseball neue eventfernsehengestählte Zuschauer erschließen. Zumal man aktuell auch mit negativen Schlagzeilen zu kämpfen hat. Wegen eines positiven Dopingtests muss der amerikanische Baseball-Spitzenklub Houston Astros fortan auf seinen Werfer Francis Martes verzichten.Der 24-Jährige wurde positiv auf das leistungssteigernde Steroid Boldenon getestet und nun für die komplette Saison 2020 gesperrt. Schon einmal wurde Martes wegen Doping gesperrt.
Der Druck auslaufender Fernsehverträge
Die Reformpläne sind revolutionär, vor allem für den Baseball und die nicht nur älteste der großen US-Sportligen, sondern auch die konservativste. Entsprechend fielen die Reaktionen aus. Der Kommentator der New York Post fand die Pläne „grotesk“, einzelne Spieler twitterten, die Reformidee sei „absurd“.
Ob die Pläne umgesetzt werden, ist lange noch nicht entschieden. Die MLB würde das neue Format gern 2022 einführen, auch weil 2021 einige Fernsehverträge auslaufen und man mit mehr Play-off-Spielen mehr Verhandlungsmasse generieren möchte. Aber bevor es so weit kommt, müsste erst einmal die Spielergewerkschaft zustimmen – und die ist im Baseball besonders wehrhaft und mächtig. In keiner anderen Liga wurde in den vergangenen Jahrzehnten so oft gestreikt wie in der MLB.
Während die Umsetzung dieser Idee also noch in den Sternen steht, könnte man doch schon einmal weiterdenken: Warum dürfen sich im DFB-Pokal, dessen frühe Runden – seien wir ehrlich – ja nicht wirklich interessieren, die Mannschaften sich nicht selbst ihre Gegner auswählen? Zuerst kommt der niederklassigste Verein dran – und muss sich entscheiden zwischen dem Dorfklub aus der Regionalliga, also die Chance aufs Weiterkommen, oder Borussia Dortmund und eine einzige, aber dafür besonders geile Party vor vollem Haus.
Und wenn man schon mal dabei ist, Reality-TV-Ideen zu übernehmen: Warum nicht eine Woche Dschungelcamp vor jeder Fußball-WM? Mit lustigen Spielchen wie: Cristiano Ronaldo und Messi werden von ihren Kollegen zum Stierhodenessen geschickt. Wer von den beiden die meisten Sterne zurück ins Camp bringt, geht mit einem 1:0-Vorsprung in die Auftaktpartie. Wenn das mal keine Einschaltquoten bringt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid