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Ironie auf Zeitungspapier

Wer Malewitsch sagt, muß auch Beuys sagen: Mit „Brushholder Value“ im Kunstverein Münster soll Malerei als politisches Medium neu ins Gespräch gebracht werden  ■ Von Stephanie Tasch

Ausstellungsräume entwickeln zuweilen eine ganz eigene Dynamik. Da werden Bilder gehängt in der Absicht, Spannungen weiterzugeben von Wand zu Wand, um den Raum zum Kreisen zu bringen – mit dem Betrachter im Zentrum der trudelnden Zentrifugalkraft. Und dann – ganz entgegen den Intentionen der Hängung – verrutscht das Gleichgewicht, und man findet sich auf einer Schräge wieder, dem Schwerpunkt der Ausstellung entgegengleitend. So geschehen im Westfälischen Kunstverein Münster, an dessen Wänden noch bis August Arbeiten von fünf Künstlerinnen und Künstlern um Aufmerksamkeit ringen.

Reflexionen über die Macht des Bildes

„Brushholder Value. Soll Haben Schein Sein“, unter diesem Titel gastiert das Siemens Kulturforum mit einer Auswahl „kritischer“ Malerei der neunziger Jahre im Raum des Kunstvereins. „Kritisch“ ist diese Malerei offensichtlich nicht nur gegenüber Technisierung und Rationalisierung, gegenüber der Werbung, dem Verhältnis von Architektur und Macht oder den Funktionen der Kunstwelt. Vielmehr erweist sich die Ausstellung als Reflexion über die Macht des Bildes.

In der Tat läßt sich fragen, warum nach der Abschaffung des klassischen Tafelbildes als verbindlichem Medium der Gattung Malerei und der Verabschiedung der Gattungshierarchien zwischen Historie, Porträt, Landschaft und Genre eigentlich überhaupt noch gemalt werden soll. Alles ist bekanntlich grundsätzlich darstellungswürdig und kann in jedem beliebigen Medium dargestellt werden.

Die Malerei gerät dabei in die Position eines stilistischen Ausdrucksmittels, das vom Künstler bewußt gewählt und eingesetzt wird, um seinen Absichten eine adäquate Form zu verleihen. Seit der Renaissance subsumierte die europäische Kunsttheorie unterschiedliche Stilhöhen unter dem der Rhetorik entlehnten Begriff des Modus – verbindlich anzuwenden bei „hohen“ Themen wie einer „Auffindung des Moses“ als auch bei „niederen“ Sujets, etwa einer pastoralen Landschaft.

Die Zeiten einer solchen normativen Ästhetik sind natürlich längst vorüber, und entsprechend unhierarchisch geben sich die ausgestellten Exponate. Es gibt Malerei in Öl oder Acryl, auf Bildträgern von Leinwand über Zeitungspapier bis Pappe. Malerei übernimmt und imitiert Collagetechniken und Motive aus der Werbefotografie, die sie durch bewußtes „bad painting“ ironisiert und so ihrer Kritikwürdigkeit überführt. Fotokopien und Farbkopien computermanipulierter Magazinseiten stehen gleichberechtigt neben einer Malerei, die nie nur „peinture“, sinnliches Vergnügen für das Auge des Betrachters, sein will.

Ebenso betont unhierarchisch wird mit den Formaten umgegangen: Das Leinwandbild dominiert keineswegs. Bei Regine Klöckner und Joseph Sappler (beide Düsseldorf) und Gunter Reski (Berlin) ordnet es sich als Kleinformat unter, tritt dafür aber als Serie auf, die nie notwendig abgeschlossen, sondern stets potentiell erweiter- oder verringerbar erscheint. So, als solle die größere Zahl für das kleine Format entschädigen oder als traue man dem kritischen Potential des einen großen Bildes nicht. Daß Partikularisierung nicht notwendig zur Akkumulation von Bedeutung führt, zeigen die Arbeiten von Sappler und Reski. Dagegen gelingt Regine Klöckner eine spannungsvolle Kombination von Bildtafeln, in denen das Traumhaus zur Ikone wird, mit fotokopiertem Werbe- und Dokumentationsmaterial, so daß die Architektur als Metapher der Macht mit alternativen Lebensentwürfen konfrontiert.

Keineswegs zufällig: der Modus Malerei

Dennoch und durchaus folgerichtig dominieren Jutta Koethers Diptychon und Zhou Tiehais Selbstporträt wie selbstverständlich den Raum. Beide Künstler haben den Modus Malerei keineswegs zufällig gewählt; beide arbeiten auch in anderen, nicht zuletzt den „neuen“ Medien. Koethers Tafeln spielen im fast monochrom schwarzen Mikrokosmos der Bildfläche mit Bild-Text-Bezügen und provozieren Assoziationen der langen Geschichte des schwarzen Bildes im 20. Jahrhundert – wer Malewitsch sagt, muß auch Beuys sagen. Schließlich verweigert sich das Diptychon in seiner weitgehenden Unlesbarkeit der Kakophonie visueller Eindrücke. Zhous selbstironische Inszenierung des Künstlers als Akteur auf der Bühne internationaler Kunstpolitik entstand nach einer Fotografie. Der Moduswechsel in das Medium monumentaler Malerei (auf dem fragilen Bildträger Zeitungspapier) verdankt sich dem Funktionswechsel vom Katalogbeitrag (Foto) zum Ausstellungsexponat.

Was vom Sponsor als Forum kritischer Positionen aktueller Malerei angeregt wurde, geriet bereits im Vorfeld der Ausstellung zum Kulturpolitikum. Wegen „fundamental divergierender Ansichten über Inhalte und Darstellungsformen“ seines Beitrags, so der Pressetext von Heinz Liesbrock (Westfälischer Kunstverein) und Dirk Luckow (Siemens Kulturforum), findet „Brushholder Value“ ohne die Beteiligung von Dierk Schmidt statt. Diese Zuspitzung der Debatte um das Kultursponsoring von Großunternehmen ist für den vom offiziellen chinesischen Kulturbetrieb weitgehend ausgeschlossenen Zhou Tiehai eine weitere Facette seiner Reflexionen über Zulassungs- und Ausgrenzungsstrategien im internationalen Kunstsystem.

Brushholder Value, bis 9.8., Westfälischer Kunstverein, Münster

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