Irland und der Brexit: Die Iren sollen das Königreich retten
300.000 Bewohner der Grünen Insel dürfen beim EU-Referendum abstimmen. Dazu kommen 60.000 irische Migranten in Großbritannien.
Das Handelsvolumen zwischen Irland und Großbritannien beträgt 1,2 Milliarden Euro pro Woche. In seiner Rede in Liverpool sagte Kenny, dass niemand wisse, welche wirtschaftlichen Auswirkungen ein Brexit für Irland haben würde, aber es würde jedenfalls nicht mehr so sein wie zuvor.
Er befürchtet, dass der Kurs des Pfundes nach einem britischen Austritt langfristig fallen könnte, was Folgen für die irische Exportwirtschaft hätte, da sie gegenüber der britischen Konkurrenz nicht mehr wettbewerbsfähig wäre.
Die offensichtlichste Veränderung wäre eine EU-Außengrenze mitten in Irland. Die Frage der inneririschen Grenze ist in Großbritannien bisher kaum debattiert worden, dabei ist sie äußerst komplex. Aufgrund der Regelung der Common Travel Area, die seit der irischen Teilunabhängigkeit 1922 besteht, kann man von Dublin nach Belfast und weiter nach London, Jersey oder auf die Isle of Man reisen, ohne seinen Pass vorzeigen zu müssen.
„Dieses System hat sehr gut für beide Länder funktioniert, sowohl außerhalb der EU als auch innerhalb“, sagte Kenny. „Es ist aber noch nicht getestet worden, wenn ein Land in der Europäischen Union und das andere außerhalb ist.“
Beide Länder sind 1973 gemeinsam in die EWG, die Vorgängerin der EU, eingetreten. Bei einem Brexit könnte Irland zur Hintertür für Großbritannien werden. Migranten könnten legal über Dublin und dann illegal über Belfast nach London reisen, denn die innerirische Grenze ist nicht zu überwachen. Das hat sich schon während des politischen Konflikts erwiesen, der erst 1998 durch das Belfaster Abkommen halbwegs beigelegt wurde. Manche der kleinen Straßen kreuzen die Grenze viermal auf einer Strecke von zehn Kilometern.
Neue Kontrollpunkte
Rund 30.000 Menschen überqueren die Grenze jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit, die meisten von Süd nach Nord, weil dort die Löhne etwas höher sind. Was mit diesen „Grenzgängern“ bei einem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU geschähe, ist unklar. Wahrscheinlich, so hat der britische Premierminister David Cameron angedeutet, würde seine Regierung nicht die innerirische Grenze sichern, sondern Kontrollpunkte in den Häfen Stranraer, Liverpool, Holyhead und Fishguard errichten, wo die Fähren aus Irland anlegen.
Wenn Nord- und Südiren bei der Einreise nach Großbritannien gleichermaßen kontrolliert würden, wäre das ein Schritt in Richtung eines vereinigten Irlands, was bei Nordirlands Unionisten nicht sonderlich gut ankommen dürfte. Für Schmuggler würden jedoch herrliche Zeiten anbrechen. Duty-free-Shops nördlich der Grenze, auf die so mancher in der Republik Irland mit ihrer exorbitanten Alkoholsteuer spekuliert, würde es aber nicht geben, sagte Kenny.
Ein Referendum über Irlands Verbleib in der EU lehnte Kenny kategorisch ab. „Irlands Mitgliedschaft in der EU hat das Land verwandelt“, sagte er. Im Falle eines Brexit werde die Regierung eine Offensive starten, um ausländische Investoren davon zu überzeugen, dass die Iren vorbildliche Europäer seien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten