Irisches Abtreibungsverbot: Abtreibungsgesetz vor Gericht
In dem katholischen Land ist legale Abtreibung unmöglich. Drei Frauen, die deshalb in England abtrieben, klagen jetzt vor dem Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.
Jahr für Jahr müssen rund fünftausend irische Frauen nach England reisen, um dort eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Der Grund: In Irland ist der Schwangerschaftsabbruch weitgehend verboten. Jetzt aber klagen drei Frauen aus Irland, die die Strapaze hinter sich haben, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.
Frau A. ist arbeitslos und Alkoholikerin. Ihre vier Kinder lebten in einer Pflegefamilie, sollten aber zu ihr zurückkehren. Als Frau A. erneut schwanger wurde, sah sie die Familienzusammenführung gefährdet und reiste für eine Abtreibung nach England. Bei Frau B. versagte dagegen die "Pille danach", so dass sie ungewollt schwanger wurde und eine Eileiterschwangerschaft drohte. Auch Frau B. reiste nach England. Beide Frauen hatten nach der Rückkehr in Irland Blutungen und andere Beschwerden, trauten sich aber aus Angst vor Stigmatisierung nicht zum Arzt.
Am dramatischsten war der Fall der dritten Frau, die zum Zeitpunkt der Schwangerschaft an Krebs litt. Einerseits hatte sie Angst, dass die Chemotherapie den Fötus schädigen könnte. Andererseits war das Risiko für eine Verschlimmerung der Krankheit schwer abzuschätzen. Auch sie ließ die Schwangerschaft in England abbrechen. Alle drei Frauen wurden von der Irish Family Planning Association unterstützt. Deren Anwältin Jule Kay kritisierte bei der gestrigen Verhandlung in Straßburg, dass die Rechtslage in Irland Abtreibungen für Frauen "unnötig kompliziert, teuer und traumatisch" mache. Irland verletze damit das in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Recht auf Privatleben und vor allem den Schutz von Leben und Gesundheit.
Im katholischen Irland ist Abtreibung seit 1861 strafbar. Seit 1983 steht das Abtreibungsverbot sogar in der Verfassung, eingeschränkt ist das Verbot nur bei Lebensgefahr für die Mutter. Wie die Lebensgefahr konkret festgestellt werden soll, ist aber weitgehend ungeregelt. Irischen Ärzten drohe nach Abtreibungen ein Berufsverbot und lebenslange Haft, monierte Anwältin Jule Kay.
In ethischen Fragen ist der Menschenrechtsgerichtshof zwar eher vorsichtig und lässt den Staaten meist großen Spielraum. "Beim Abtreibungsrecht hat sich Irland aber so weit vom europäischen Konsens entfernt, dass der Gerichtshof eingreifen muss", argumentierte Kay.
Der irische Generalstaatsanwalt Paul Gallagher erwiderte gestern: "Es gibt europaweit einen Konsens, dass Irland über sein Abtreibungsrecht selbst entscheiden kann." Das habe man sich schon zweimal von der EU zusichern lassen - was aber den Straßburger Gerichtshof nicht bindet, denn er ist keine Einrichtung der Europäischen Union, sondern des Europarats, dem 47 Staaten - zum Beispiel auch die Schweiz und Russland - angehören.
Erfolgversprechender ist Gallaghers Einwand, dass die drei Frauen gar nicht versucht hätten, vor irischen Gerichten das Recht auf eine Abtreibung in Irland zu erstreiten. "Das hätte doch überhaupt nichts gebracht", entgegnete Anwältin Kay. Der Gerichtshof könnte daran aber die Zulässigkeit der Klage scheitern lassen. Wegen der großen Bedeutung hat gestern bereits die große Kammer des Gerichtshofs über den Fall beraten. Die Entscheidung wird erst in einigen Monaten verkündet.
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