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Irgendwas mit Comics

In Oldenburg haben sich drei Museen vorgenommen, einen gründlichen Blick auf die Geschichte des deutschen Comics zu werfen. Nur leider ist der Blick kein gründlicher

Ästhetischen Abstand herstellen: Reinhard Kleists „Nick Cave – Mercy on Me“ hinterfragt die Selbstinszenierung des Musikers Foto: Reinhard Kleist/Carlsen

Von Jan-Paul Koopmann

Comics sind kein Schund, bisweilen sogar große Kunst und dürfen darum seit Jahren auch im Museum hängen und im Feuilleton besprochen werden. Aber das wissen Sie längst. Und so schön es für Comicfans ist, amtlich bestätigt zu bekommen, Zeit und Geld doch nicht nur für Quatsch verballert zu haben (sondern eben für Kunst) – stellt es Kurator*innen heute dann doch auch vor ernste Probleme. Denn ohne den verruchten Charme des Trivialen muss man sich doch irgendwie was einfallen lassen, wenn man Comics an die Museumswand hängen will. Eine Idee hatte nun auch Oldenburg, wo sich gleich drei Museen zu ihrer ersten Kooperationsausstellung zusammengetan haben, um „Die Neunte Kunst“ zu präsentieren. Nur leider war es keine besonders gute.

Los geht es im Stadtmuseum mit der Geschichte des Comics: Wilhelm Buschs Bildergeschichten, Rodolphe ­Toepffer, Superhelden, Gerhard Seyfrieds Linksradikale und so weiter. Vorgeschichte ist das, die dann münden soll in die Graphic Novels, die im Horst-Janssen-Museum nebenan in hübscher Breite vorgeführt werden.

Nur ist diese Fortschrittsgeschichte leider Quatsch. Einen Fortschritt von Superhelden zu den Graphic Novels der Kunsthochschul-Absolvent*innen, den gibt es nicht. Höchstens eine medial viel beachtete Öffnung der Kunsthochschulen zum Comic. Man kann das gut finden oder schlecht – mindestens verschleiert diese Erzählung aber die Vielfalt der heute gleichzeitig nebeneinanderher praktizierten Ideen davon, was Comic ist und sein kann.

Zum Teil mag das Missverständnis vom Fokus auf deutsche Comic-Geschichte rühren. Und das wäre ja auch tatsächlich mal interessant und eine echte Ergänzung zu den großen Comic-Schauen der letzten Monate: von der Bundeskunsthalle in Bonn, die das Medium gerade in epischem Umfang vorgestellt hat – oder der Frankfurter Schirn, die den Pionieren der Comics eine so gründliche wie unterhaltsame Schau gewidmet hat.

Ja, warum also nicht einen gründlichen Blick auf das Comic-Entwicklungsland Deutschland werfen? Nur ist dieser Oldenburg Blick kein gründlicher. Es steht einfach nur zu viel Deutsches zwischen ein bisschen Hergé, ein bisschen Manga, ein bisschen Spielzeug und sehr viel Disney herum. Etwas versteckt liegt eine Asterix-Seite von Rolf Kauka. Der Comic-Importeur, Verleger und Erfinder von Fix und Foxi hat den deutschen Comic geprägt wie kein Zweiter. Dass er ihn dabei auch politisch instrumentalisieren wollte, steht auch im Oldenburger Zeitstrahl der Comic-Väter, ohne zu klären, was das eigentlich heißen soll.

Eine Idee davon bekommt man versteckt in einer Schublade: Über Obelix am Hinkelstein heißt es in der frühen deutschen Fassung, er hämmere sich einen neuen Stein des Anstoßes „aus dem alten Schuldkomplex“. Humor auf Deutsch, der einen ekeln muss. Und das wäre doch mal eine Frage, mit der man sich beschäftigen könnte, wenn man schon unbedingt eine deutsche Comic-Geschichte erzählen will: Rührte die jahrzehntelange Ignoranz des Kulturbetriebs am Ende gar nicht vom Dünkel her, sondern von einer berechtigten Abneigung gegen Rolf Kauka und seinem Comic-Müll? Keine Ahnung. Wahrscheinlich ist es ganz so einfach nicht – und in Oldenburg hat man ja eh andere Sorgen. Graphic Novels nämlich.

Für sich genommen ist der zweite Teil im Horst-Janssen-Museum ganz sehenswert: Gerade weil er schon eine Idee der Vielfalt hat, wenigstens innerhalb der deutschen Kunstcomic-Blase. Anke Feuchtenberger hängt da, Barbara Yelin und Reinhard Kleist in vielen Originalseiten. Stilistisch und inhaltlich ist das enorm, was die 13 Künstler*innen hier zeigen.

Yelin erzählt in „Vor allem eins: Dir selbst sei treu“ die Geschichte der Schauspielerin Channa Maron in bunten Farben mit außerordentlicher emotionaler Tiefe. Um die Ecke überzeugt eine andere Künstlerbiografie, Reinhard Kleists „Nick Cave“, gerade darin, einen ästhetischen Abstand herzustellen. Kleists Arbeit verschneidet das Leben des Musikers mit Figuren aus seinen Songs. Er nutzt die Mittel des Comics, um auf der Bildebene die Selbstinszenierung des Musikers und Popstars zu hinterfragen. Wo die Bögen an der Wand den künstlerischen Prozess dokumentieren, stehen die fertigen Bände zum Blättern und Lesen daneben.

Unfreiwillig verrät das Museum hier auch, wie wenig es seinem eigenen Thema über den Weg traut. In standardisierten Interviews mit den ausgestellten Künstler*innen, die hier laminiert ausliegen, werden sie alle gefragt: „Welche Comic-Stilmittel interessieren Sie am meisten? Wie finden Sie Ihre Themen?“ und: „Wie stehen Sie zu dem Begriff Graphic Novel?“

Dass den nun erwartungsgemäß alle entweder bescheuert oder doch wenigstens egal finden, hätte einen hellhörig machen können. Denn so langweilig die Debatte um den Begriff seit vielen Jahren ist: Die Sache, die er meint, die hat man hier doch wie gesagt zum vorläufigen Höhepunkt der Comic-Geschichte aufgeblasen.

Einen Fortschritt von Superhelden zu den Graphic Novels, den gibt es nicht

Das Edith-Russ-Haus für Medienkunst versucht sich als drittes Haus dann an einem Ausblick in die Zukunft und zeigt Videospiele, denen man eine Verwandtschaft mit dem Comic unterstellt. Da ist zum Beispiel „The Solar Grid“ von Ganzeer, der als „ägyptischer Banksy“ Street-Art, Comic und Videoanimation zusammenbringt. Das ist tatsächlich ein interessanter Ansatz, in dem sich der Comic-Gehalt dieser Comic-Ausstellung allerdings auch gleich wieder erschöpft.

Wirklich beeindruckend ist auch Amir Yatzivs Film „Another Planet“, der verschiedene Versuche dokumentiert, Auschwitz im Computerspiel darzustellen. Hochinteressant ist das, beklemmend und ein wertvoller Beitrag zum Denken und Handeln in virtuellen Räumen. Nur mit Comics hat das eben rein gar nichts zu tun. So auch die andere Exponate, die zwar über grafisches Erzählen etwas zu sagen haben, die Besonderheiten des Comics dabei aber eher verschleiern als sie weiterzuentwickeln.

Dabei drängt das Medium ja tatsächlich massiv in andere Formate. Es ist ja schon bemerkenswert, wie Marvel und Disney ihre vielschichtigen Meta­plots in Film und Computerspiele überführen und zunehmend komplexere Geschichten schreiben, denen selbst Comic-Leser*innen im Detail kaum mehr folgen können, wenn sie die anderen Kunstformen ignorieren.

Die Schnittmenge von Hochkultur und Unterhaltungsindustrie bleibt hier allerdings vollkommen unbeleuchtet. Und den Kommerz außen vor zu lassen ist schon irritierend bei einer so allgemein gefassten Ausstellungsreihe zu einem Popformat. Aber einen ganz hübschen Avengers-Band gibt es hier zu sehen. Draußen im Museumsshop zum Kaufen.

„Die Neunte Kunst“ ist in Oldenburg im Stadtmuseum und im Edith-Russ-Haus bis zum 2. April zu sehen, im Horst-Janssen-Museum bis zum 6. Mai

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