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■ Irans Studenten protestieren (wieder) ohne Präsident ChatamiEingeknickt

Die Konservativen in der Islamischen Republik Iran haben gezeigt, daß sie stark sind. Zehntausende bringt das religiöse Establishment also immer noch auf die Straße – doch die angekündigte Demonstration der nationalen Einheit fiel aus. Nicht beide Lager – Konservative und Reformer – kamen zu der Kundgebung vor der Teheraner Universität, sondern eben weitgehend nur erstere. Bilder von Präsident Mohammad Chatami waren nicht zu sehen, ebensowenig der Präsident selbst. Die gestrige Großkundgebung stand unausgesprochen unter dem Motto „Zurück zur alten Islamischen Republik“, wie zu Zeiten vor Chatamis Wahl. Was die Veranstalter für dieses Ziel zu tun bereit sind, deuteten sie nur an: Ihren Gegnern drohe die Todesstrafe.

Solche Einschüchterungen ziehen. Schließlich sind die Zeiten, in denen im Iran täglich Andersdenkende verschwanden oder öffentlich exekutiert wurden, noch nicht vergessen. Jene Studenten und Teheraner StudentInnen und BürgerInnen, die noch am Vortag in der Lage zu sein schienen, das Land in eine neue Revolution zu treiben, hielten sich gestern eingeschüchtert zurück. Nach fünf Tagen der Proteste ist ihnen die Luft ausgegangen. Zu uneinig sind sie, zu zerstritten ihre Organisationen.

Und vor allen Dingen: zu groß die Angst vor einem Bürgerkrieg. „Dieses Land verkraftet keine weitere Revolution“, hörte man noch vor wenigen Wochen auf dem Campus der Uni Teheran, und daher setzten die meisten Studenten auf Reform und damit auf Chatami. Dessen Auftreten oder besser Nichtauftreten ist die eigentliche Enttäuschung der letzten Tage. Anstatt eindeutig Position zu beziehen, hielt er sich dezent zurück. Dabei dürften unter jenen, die jetzt ihrem Frust auch gewaltsam Luft machten, etliche Chatami-WählerInnen gewesen sein. In den Straßen randalierten vermummte Studenten mit dem Knüppel in der einen und einem Porträt „ihres“ Präsidenten in der anderen Hand. Doch der sprach von fremden Mächten und irregeleiteten Elementen, die die Demonstranten angeblich instrumentalisieren.

Das klang wie aus dem Munde von Chatamis konservativen Kontrahenten um den Religiösen Führer Ali Chamenei, denen er dann gestern ganz das Feld überließ. Im entscheidenden Moment ist Chatami eingeknickt. Tut er dies noch öfter, dann sind die nächsten Straßenschlachten in Teheran gewiß, allerdings werden die Demonstranten dann wohl keine Porträts ihres Präsidenten mehr vor sich hertragen. Thomas Dreger

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