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Iranerinnen fordern gleiche Rechte

Aktivistinnen im ganzen Land wollen eine Million Unterschriften gegen Gesetze sammeln, die Frauen benachteiligen. Streng Religiöse sind ebenso dabei wie Linke.

VON BAHMAN NIRUMAND

"Es ist ein wunderbares Erlebnis. Ich stoße meistens auf offene Ohren und werde mit Begeisterung empfangen", sagte eine Frauenrechtlerin, die ihren Namen nicht nennen möchte. Seit Monaten sind hunderte Frauen im Iran im ganzen Land unterwegs. Sie gehen von Haus zu Haus, sprechen die Leute auf den Straßen, in den Bussen und Sammeltaxis an, gehen zu Zeitungsredaktionen, in die Moscheen, zu Hochzeits- und Trauerfeiern, kurz überall dorthin, wo sie andere Frauen treffen können. Ihre Aktion trägt den Namen "Kampagne eine Million Unterschriften für Gleichberechtigung".

Geboren wurde die Idee nach einer gewaltsam aufgelösten Kundgebung gegen Benachteiligung von Frauen in Teheran im vergangenen Mai. Doch die Umsetzung des Vorhabens erwies sich zunächst als schwieriger, als die Initiatorinnen es sich vorgestellt hatten. Im Iran gibt es zahlreiche Frauenorganisationen und namhafte Frauenrechtlerinnen, deren Ziele und Vorstellungen von Emanzipation weit auseinanderliegen. Da gibt es zum Beispiel Frauengruppen im islamischen Lager, darunter eine Gruppe, die sich "Islamische Feministinnen" nennt. Ihr Bestreben ist, die Gleichberechtigung zu erreichen, ohne bestimmte Glaubensgrundsätze in Frage zu stellen. Demgegenüber gibt es eine ganze Reihe laizistischer oder linker Frauenorganisationen, die vorbei an der Religion oder auch gegen sie mit allen Tabus aufräumen und die Probleme einer männerdominierenden Gesellschaft an den Wurzeln packen wollen. Es bedurfte wochenlanger Diskussionen, bis man sich einigen konnte. Die Aktivistinnen konzentrieren sich nun auf jene Gesetze, die Frauen benachteiligen, und fordern deren Abschaffung.

Dabei stehen nicht etwa die islamischen Kleidungsvorschriften im Vordergrund, sondern weit wichtigere Fragen wie das Scheidungsrecht, das Sorgerecht, die Abschaffung der Polygamie oder das unterschiedliche Mindestalter der Strafbarkeit für Mädchen und Jungen. Nach geltendem Recht sind Mädchen bereits mit 9 Jahren straffähig, die Jungen mit 15 Jahren. Im Falle einer Todesstrafe werden die Verurteilten bis zum Erreichen des 18. Lebensjahrs in Gewahrsam genommen. Erst danach wird das Urteil vollstreckt.

In einer eigens für die Kampagne erstellten Informationsbroschüre werden diese ungleichen Rechte verständlich erklärt. Die Frauen fordern auch eine Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts für Kinder, das sich bislang an der Staatsangehörigkeit der Väter orientiert. Bei der Kampagne geht es zudem um das Erbrecht, wonach die Töchter halb so viel erben wie die Söhne.

Kein Gesetz sei für die Ewigkeit bestimmt, steht in der Broschüre. Gesetze seien wie Kleider, die nicht mehr passen, wenn man zu- oder abnimmt. Die Gesetze in Iran seien im Bezug auf die kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung des Landes, insbesondere hinsichtlich der Frauen, gravierend rückständig, sie müssten der Zeit angepasst werden. Im Beruf und noch mehr in der Familie leisteten sie ihre Aufgaben mindestens so gut wie Männer. Es sei nicht einsichtig, weshalb sie nicht die gleichen Rechte und Chancen bekommen sollten.

Mit der Kampagne soll den Verantwortlichen gezeigt werden, dass nicht nur zahlreiche Frauen, sondern auch Männer die Beseitigung von Ungleichheiten fordern und dass sie diese Forderung "ganz ernst" meinen, Forderungen, die zudem mit den entsprechenden Konventionen der UNO übereinstimmen. Schließlich habe Iran diese Konventionen unterzeichnet.

Die Autorinnen der Broschüre betonen, dass ihre Forderungen nach Gleichberechtigung keineswegs im Widerspruch zu den Grundsätzen des islamischen Glaubens stehen. Sie weisen auf die Äußerungen einiger Großajatollahs hin, die sich gegen die ungleiche Behandlung von Frauen ausgesprochen hätten. Nach deren Meinung könnten selbst Anweisungen und Gesetze, die im Koran stehen, geändert und durch neue, die der Entwicklung der Gesellschaft entsprechen, ersetzt werden. Sie zitieren Ajatollah Mussawi Bodjnurdi, der ausdrücklich betont habe: "Der Islam macht zwischen Menschen keinen Unterschied. Man kann nicht sagen, das eine Geschlecht genießt Vorzüge, die dem anderen Geschlecht verweigert werden."

Die Kampagne sei völlig ideologiefrei, sagen die Frauenrechtlerinnen, sie sei weder islamisch oder laizistisch noch sozialistisch oder kommunistisch. Es gehe einzig um die Menschenrechte. Auf die Frage, was geschehen werde, wenn eine Million Unterschriften gesammelt seien, antwortet die Aktivistin Nuschin Ahmadi Chorasani, wichtig sei erst einmal der Weg dahin. Dieser Weg werde die Frauen zusammenschmieden und, was nicht minder wichtig sei, Millionen Frauen und Männer über ihre Rechte aufklären. "Natürlich hat jede Frau die Ungleichheiten zu spüren bekommen, aber unsere Kampagne wird dazu führen, dass Frauen das Unrecht als gesellschaftliches Phänomen begreifen", schreibt Chorasani auf der für die Kampagne eingerichtete Homepage we-change.org. "Wir müssen endlich aus der Opferrolle, die vor allem im westlichen Ausland Gefallen findet, herauskommen. Statt Tränen zu rühren und Mitleid zu erwecken, müssen wir uns zu einer großen gesellschaftlichen Bewegung entwickeln, die selbstbewusst klare Forderungen stellt und sie auch durchsetzt."

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