Irak: Auf Terroristenjagd in Falludscha
Menschenleben zählen nicht viel in Falludscha, einer Hochburg des Widerstands gegen die US-Truppen im Irak. Ein Tag mit Leutnant Ali, Offizier der irakischen Armee.
FALLUDSCHA taz Am liebsten würde er immer nur nach oben blicken. In die Nacht. In den Himmel über der Wüste, wo Millionen Sterne funkeln. Unendlich weit entfernt. Wunderschön. Und unerreichbar. Er hat den Kopf in den Nacken geworfen und die Augen weit aufgerissen. Es sind die wenigen Momente wie dieser, in denen er sich frei fühlt und nicht an den Krieg denkt. Dann sagt er Sätze wie: "Die Stille der Nacht wäscht mein Land rein."Wenn es nur immer so wäre.
Falludscha liegt 50 Kilometer westlich von Bagdad. Vor dem Krieg lebten 300.000 Menschen in der Stadt, heute sind es etwa 190.000.
April 2003: Nachdem US-Truppen eine Schule besetzt haben, kommt es zu Demonstrationen; mindestens 15 Iraker sterben. Falludscha entwickelt sich zu einem Zentrum des Widerstands.
April 2004: Aufständische töten vier Angestellte einer US-Sicherheitsfirma und verbrennen die Leichen. Die US-Armee bombardiert und belagert die Stadt; mindestens 600 Iraker sterben.
November 2004: Bei einer weiteren Offensive der US-Armee sterben etwa 2.000 Menschen, mindestens 700 davon sind Zivilisten. Weite Teile der Stadt werden zerstört.
Januar 2007: Die US-Armee übergibt die Stadt an die irakische Armee, bleibt aber präsent.
Plötzlich erhellen Leuchtspurgeschosse den Nachthimmel über Falludscha. Explosionen sind zu hören. Später wird zu erfahren sein, dass die US-amerikanische Luftwaffe am Ufer des Euphrats das Haus eines Al-Qaida-Führers bombardiert.
Leutnant Ali zuckt zusammen, als wäre er aus einem Traum erwacht. Noch einen Blick in den Himmel, dann geht er zurück in sein Quartier. Es ist bereits fünf Uhr morgens. Bald ist es Zeit für eine routinemäßige Patrouille. Er weiß noch nicht, dass er in wenigen Stunden beinahe sein Leben verlieren wird.
Ein Leben lang im Krieg
"Nenn mich Ali, mehr musst du nicht wissen", sagt der Mann in der tarnfarbenen Uniform und dem strengen Seitenscheitel. "Es wäre zu gefährlich für mich, dir meinen vollen Namen zu nennen." Denn Leutnant Ali, 31 Jahre alt, ist Offizier der neuen irakischen Armee. Genauer: Er ist ein schiitischer Soldat in einer sunnitischen Stadt; in Falludscha, gelegen im "sunnitischen Dreieck", Zentrum des Widerstands gegen die US-geführten Koalitionstruppen und Brutstätte religiös motivierter Gewalt gegen Schiiten, Kurden und Christen.
Hier tummeln sich ehemalige Funktionäre und treue Anhänger des Saddam-Regimes. Und als ob dies nicht reichen würde, wimmelt es nur so von Selbstmordattentätern, Scharfschützen und Sprengfallen. Anfang Januar übergaben die Amerikaner die Stadt an die Iraker. Jetzt wird Falludscha vom irakischen Militär und der irakischen Polizei kontrolliert. Die Stadt dient gewissermaßen als Versuchsobjekt für die Zukunft, denn irgendwann wollen die Amerikaner wieder nach Hause. Wenn es hier klappt, muss es auch anderswo funktionieren, in Bagdad, Ramadi und den übrigen Hochburgen des Terrors.
Das örtliche Hauptquartier der irakischen Armee sieht aus wie eine mittelalterliche Festung, die mit Erdwällen und Nato-Draht verbarrikadiert ist. Am Eingang hat jemand eine Warnung an die Betonmauer gemalt: "Halt. Oder wir schießen. Überlebende werden festgenommen." Fast jeden Tag wird das Lager mit Granaten und Raketen beschossen. Wie viele irakische Soldaten seit Beginn des Krieges vor vier Jahren getötet wurden, kann niemand genau sagen, es zählt sie keiner. Aber es heißt, dass etwa doppelt so viele irakische Soldaten starben wie US-amerikanische Soldaten. Also etwa 7.000 Tote und 75.000 Verwundete. Sie starben bei Gefechten, wurden entführt und exekutiert, von Bomben zerrissen, von Heckenschützen abgeknallt. In einem Bürgerkrieg, den niemand so nennen will.
Inzwischen ist es halb sieben, die Routinepatrouille hat begonnen. An diesem Tag soll sie vier Häuser durchsuchen und deren Bewohner befragen. "Hier", sagt Leutnant Ali und zeigt auf eine Satellitenkarte von Falludscha, "das Haus 18 in Sektor 36."
Der Konvoi aus vier gepanzerten Humvees verlässt das Lager. Es ist ein schöner Tag. Die Sonne scheint, am Ende der Straße funkelt die Kuppe einer Moschee, und am Himmel stehen Schäfchenwolken. Der Konvoi fährt Richtung Stadtzentrum, vorbei an der Blauen Moschee und der alten Brücke über den Euphrat, an deren Stahlträgern ein Mob im März 2004 die verbrannten Leichen von vier amerikanischen Söldnern aufknüpfte.
Links und rechts der Straße sieht man Mauerreste voll Einschusslöchern, rostige Autowracks, Panzerschrott, metertiefe Schlaglöcher und Schuttberge. Der Müll aus vier Jahren Krieg und Chaos. Es ist ein Panorama der Verwüstung, von Wiederaufbau keine Spur.
Ob Ali Angst hat? "Natürlich", sagt er. "Aber wie die meisten Iraker bin ich mit Krieg aufgewachsen." Erst kam das Gemetzel mit dem Iran, dann die irakische Invasion in Kuwait, der zweite Golfkrieg und die Sanktionen der UN, schließlich der dritte Golfkrieg.
Das Schlimmste sei nicht die Angst, sondern dass sich seine Landleute gegenseitig morden. "Anscheinend brauchen wir immer jemanden, den wir bekämpfen können." 400 US-Dollar erhält er jeden Monat. In einem Land, in dem es kaum noch Arbeit gibt, aber jede Menge Hass, ist das ein gut bezahlter Job. Dafür riskiert er sein Leben, Tag für Tag, Woche für Woche.
"Urlaub? Ich? Nein, mein Platz ist hier", sagt er. Seit drei Jahren war er nicht mehr zu Hause in Bagdad. Warum auch? In Bagdad wartet niemand auf ihn. Sein Vater wurde vor zwei Jahren auf der Straße erschossen. Er war Schiit und Polizist - ein Todesurteil, für jeden der in die Hände sunnitischer Todesschwadronen fällt. Alis Vater saß in einem Bus, der von unbekannten Tätern angehalten wurde. Die Fahrgäste wurden auf die Straße gezerrt und nach Konfessionen getrennt. Die Sunniten wurden am Leben gelassen, die anderen zwölf, darunter Alis Vater, landeten mit einem Kopfschuss im Straßengraben.
Später suchten die Mörder die Familien ihrer Opfer auf. Alis Mutter warfen sie aus dem Fenster. Ihr Vergehen war, einen Schiiten geheiratet zu haben. Dem Bruder schnitten sie die Kehle durch. Ali war zu dieser Zeit Rekrut in Basra im schiitischen Südirak.
"Es ist ihre Stadt"
Klar, jedem irakischen Soldaten stehe pro Monat eine Woche Urlaub zu. Die meisten nutzen die Möglichkeit, um der Front zu entfliehen, um ihre Familien zu besuchen, zu heiraten - oder auch zu desertieren. Und regelmäßig sterben Angehörige der irakischen Sicherheitskräfte bei ihrem Heimaturlaub. So wie Alis Kamerad Leutnant Abdullah, neben dessen Fahrzeug eine Bombe explodierte. Oder Captain Udai, den man in seinem Haus in Bagdad erdrosselte. Oder der Polizist, dem man das Hirn zu einer blutigen Masse prügelte. Der war zwar Sunnit, aber vor den eigenen Leuten machen die Terroristen auch nicht halt, wenn jene für die Regierung arbeiten.
Falludscha ist keine große Stadt. Sie hat etwa 190.000 Einwohner, die überwiegend in zweigeschossigen, grauen Häusern leben. Viele Fenster sind mit Pappdeckeln verdunkelt. In einigen dieser Häuser verbergen sich die Folterkammern, Gefängnisse und Hinrichtungsstätten der Fanatiker. Tagsüber sei die Stadt in den Händen der Aufständischen, meint Leutnant Ali. "Was sollen wir machen? Es ist ihre Stadt. Die wissen, wo man sich verstecken kann. Und wir sind ihre Zielscheibe."
Außerdem sei es ja nicht so, dass die Extremisten Uniformen trügen, auf denen "Terrorist" stehe. Manche kämen aus Bagdad, wo Großrazzien der amerikanischen Armee sie in die Flucht geschlagen hätten. "Die sind von Zivilisten nicht zu unterscheiden. Das sind Geister. Die müssen nur ihre Kalaschnikow in den Schrank stellen, und man kann ihnen nichts nachweisen." Nur nachts sei es wegen der Ausgangssperre einigermaßen sicher. "Nachts gehört die Stadt uns. In der Dunkelheit kann man sogar zu Fuß patrouillieren", erzählt er. Aber es klingt nicht so, als ob er seinen Worten glauben würde.
Am schönsten sei es, wenn man einen Terroristen auf frischer Tat beim Basteln einer Bombe erwische. Ali lacht und klopft sich auf die Schenkel. "Deren Gesichter sollten Sie mal sehen", sagt er und schneidet Grimassen. Erst am Abend zuvor hätten sie ein Haus gestürmt und dort vier Granaten unter einem Blumentopf gefunden. Wie die dorthin gekommen waren, hätte sich der Verdächtige mit dem langen Bart nicht erklären können. Die Waffen müssten wohl schon vor seinem Einzug da gewesen sein, habe der Mann gesagt und einen Ausweis der irakischen Polizei vorgezeigt. In einer Stadt, in der Allianzen käuflich sind, sind solche Verbindungen nicht außergewöhnlich.
Leutnant Alis Trupp hat inzwischen die Fahrzeuge und bewegt sich in loser Kampfordnung durch das Stadtzentrum, vier vorneweg, fünf hinterher. Mit schussbereiten Waffen in den Händen mustern sie aufmerksam die Häuser. Kaum ein Haus, das keine Einschusslöcher hätte, skelettartig ragen die Fassaden in den Himmel, zerschossene Fenster, hinter denen Heckenschützen lauern könnten. Der Trupp erreicht sein erstes Ziel.
Jetzt müssen sie schnell sein: das Tor eintreten, reinrennen, Stellung beziehen, Zimmer durchsuchen, Fragen stellen. "Gibt es hier Probleme mit Terroristen?" - "Nein. In diesem Haus natürlich nicht", sagt ein älterer Herr. Aber mit der Strom- und Wasserversorgung gebe es jede Menge Schwierigkeiten. Ach ja, und Arbeit habe man auch keine. - "Hmm, ja. Da kann ich Ihnen leider nicht helfen. Aber sind Sie sicher, dass hier keine Terroristen waren in letzter Zeit? Sie können mir vertrauen." - "Nein. Hier nicht. Aber fragen Sie mal in der Nachbarschaft."
"Angst vor den Schweinen"
Leutnant Ali lässt Lebensmittel verteilen. Zucker zum Beispiel, weil der knapp und beliebt ist. Das wars, alles geht zügig, ruhig, fast höflich zu, obwohl die Soldaten die Tür aufgetreten haben. Der ältere Herr bittet sie, auf ein Glas Tee zu bleiben. Das gehe leider nicht, antwortet der Leutnant. Das ist zu riskant. "Auf Wiedersehen, und entschuldigen Sie die Störung." Auf dem Weg nach draußen hält der Leutnant kurz inne und dreht sich zu dem Alten zurück. "Helfen Sie uns, die Terroristen zu fangen. Damit der Krieg zu Ende geht", flüstert er ihm ins Ohr. Dann geht es weiter zum nächsten Haus.
"Präsenz zeigen" nennt Leutnant Ali dies. Um zwei Dinge geht es ihm dabei: "Der Bevölkerung zu zeigen, dass sie ihrer Armee vertrauen kann, und einen Hauch von Sicherheit zu vermitteln. Und darum, den Terroristen möglichst wenig Spielraum zu lassen." Aber manchmal frage man sich, ob das Ganzen Sinn ergebe.
"Die Leute haben solche Angst vor den Schweinen, dass sie niemals einen verraten würden." Deshalb sei das Gesetz, das es jedem Iraker erlaubt, eine Kalaschnikow zu besitzen, sinnlos. "Totaler Quatsch. Ich habe noch nie gehört, dass sich ein Zivilist gegen einen Terroristen gewehrt hat. Die tun genau, was man von ihnen verlangt", meint Ali. Dann fügt er hinzu: "An ihrer Stelle würde ich auch niemanden verraten. Die riskieren ihr Leben, wenn die mit uns sprechen."
Erst in der Vorwoche wurden zwei sunnitische Frauen erschossen, nachdem sie das Hauptquartier der Armee verlassen hatten. "Sie wollten nur nach etwas zu essen fragen", berichtet der Offizier.
Er wisse ja, sagt er Ali, dass sich die Sunniten benachteiligt fühlten. Die sunnitischen Eliten haben nach dem Sturz von Saddam Hussein alles verloren und sehen keine andere Möglichkeit, wieder zu Macht und Einfluss zu gelangen, als durch Gewalt. 500 US-Dollar Kopfgeld soll es für jeden getöteten Soldaten geben. Für Menschen in Falludscha, wo es keine Arbeit gibt, ist das ein attraktives Angebot. An Bewerbern scheint es jedenfalls nicht zu mangeln. "Die meisten Menschen hier sind nie in der Gegenwart angekommen und blicken auch nicht in die Zukunft."
Ob er Hass empfindet? Anfangs ja, sagt er. "Am liebsten hätte ich alle Sunniten umgebracht. So, wie sie es mit meiner Familie getan haben." Deswegen habe er sich so gefreut, nach Falludscha zu kommen, in die Sunnitenhochburg. "Aber diese Menschen haben meine Familie nicht getötet." Ohnehin, was solle das Ganze? "Sunnit, Schiit oder Kurde - wir sind alle Iraker. Und Muslime."
Traue keinem Sunniten
Klar, vertrauen würde er dennoch keinem Sunniten, zumindest nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Und am wenigsten der Polizei in Falludscha. Denn unter den Polizisten gebe es zu viele "Ali Babas", wie die Aufständischen genannt werden. "Die arbeiten mit den Terroristen zusammen." Erst neulich habe man bei einigen erschossenen Al-Qaida-Kämpfern Dienstausweise der Polizei gefunden, erzählt Ali. "Das muss man sich mal vorstellen. Die Polizei bildet unsere Feinde aus!" Eine Ausnahme? "Pah. Die Hälfte von denen arbeitet mit den Extremisten zusammen." Beweise? Hat er nicht. Aber wozu brauche man Beweise, wenn man jeden Tag sein Leben riskiere?
Es komme auch immer wieder zu Schlägereien zwischen sunnitischen Polizisten und schiitischen Soldaten. Das Misstrauen auf beiden Seiten ist groß. Das alte System ist verschwunden, das neue hat noch keiner richtig verstanden. Wie der Imam, der am Abend zuvor dazu aufrief, alle amerikanischen und schiitischen Besatzer zu töten.
Leutnant Ali blickt durch das Zielfernrohr seiner Kalaschnikow, sucht umliegende Dächer nach Heckenschützen ab. "Mafi muschkellah", kein Problem. Weiter, im Laufschritt, zurück zu den gepanzerten Fahrzeugen. Wenig später trifft der Konvoi auf eine Fußpatrouille der Polizei. Man geht ohne Gruß aneinander vorbei. Wie zwei Raubkatzen, die sich um Beute streiten, begegnen sich die Sicherheitskräfte, die den Irak befrieden sollen. Ein maskierter Polizist fährt sich mit dem Daumen über die Kehle. "Ali Baba", zischt Leutnant Ali. Er flucht noch ein bisschen vor sich hin und gibt Koordinaten in das GPS-Gerät ein.
Über Funk kommt die Meldung, dass in seinem Sektor eine Bombe liegen soll, vielleicht auch zwei. Genaueres könne man nicht sagen. "Brovo Six, kontrollieren und sichern Sie die Gegend", krächzt es aus dem Funkgerät. Ali erteilt Befehle an seine Leute. "Hoffentlich geht alles gut, Inschallah." So Gott will. "Muschkellah, muschkellah", sagt einer seiner Soldaten - Problem, Problem.
Es ist neun Uhr morgens. In Schrittgeschwindigkeit bewegen sich die Fahrzeuge durch die engen Gassen. Überall Staub. Er kriecht in jede Pore, feiner Wüstensand, der sich in den Haaren festsetzt und den Mund austrocknet. Im Wagen herrscht angespannte Nervosität. Leutnant Alis Mund hat sich in einen blutleeren Strich verwandelt, seine Hände umklammern das Funkgerät so fest, dass die Knöchel weiß hervortreten.
In dieser Straße soll die Bombe liegen. Kein Mensch ist zu sehen. Nur ein Gemüsehändler steht vor einer Bretterbude und schichtet Kartoffeln zu einer Pyramide. Leutnant Ali dreht sich um und flüstert, dass es sich um einen Hinterhalt handeln könnte. "Eindeutiges Zeichen, wenn sich die Anwohner zu dieser Tageszeit nicht auf die Straße trauen. Die wissen immer, wann es gefährlich wird."
Verdächtige Ruhe
Auf Alis Befehl kommt der Konvoi zum Stehen. "Äußerste Vorsicht, bitte." Die Soldaten mit Maschinengewehren nehmen die Dächer der umliegenden Häuser ins Visier, als ihre Kameraden die Fahrzeuge verlassen. Langsam, ganz langsam bewegen sie sich vorwärts, drücken sich an Mauern entlang. Da, in einem Abfallhaufen liegt eine schwarze Kiste, aus der Drähte hervorschauen. Ali hebt die Faust, die Soldaten erstarren.
In diesem Augenblick schießt ein blauer Opel aus einer Seitengasse, hundert Meter hinter dem Konvoi. Eine Tür geht auf. Ein rauchendes Geschoss fliegt auf die Soldaten zu. Dann explodiert etwas. 15 Meter neben dem Leutnant schlägt eine Granate ein. Schrapnellsplitter surren durch die Luft. Der Gemüsehändler wirft sich hinter einen Sack Kartoffeln, die Soldaten schmeißen sich auf den Boden.
"Granate!" schreit Leutnant Ali, rennt in eine Seitengasse und drückt sich an die Mauer. Die MG-Schützen feuern in die Richtung, wo der Opel stand - doch der ist längst verschwunden.
Leutnant Ali sieht aus, als hätte jemand einen Scherz gemacht und die Pointe versaut. Ein Soldat kommt mit den Resten der Panzerfaust zu dem Offizier, er lacht hysterisch. Seine Stimme überschlägt sich. "Glück gehabt", sagt Leutnant Ali. "Die Granate ist nur teilweise explodiert. Schlechter Zünder."
Auf dem Rückweg ins Hauptquartier kommt die Patrouille an einem Friedhof vorbei. Drei Gruppen marschieren schweigend zu ausgehobenen Gräbern. Drei Leichenzüge - und der Tag hat gerade erst begonnen. "Wenn die Granate funktioniert hätte, könnte man uns gleich dazulegen." Er lächelt. Was für eine Ironie wäre das - "auf einem sunnitischen Friedhof begraben zu werden".
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