Investor will Berliner Verlag abstoßen: Der große Ausverkauf

Die Mecom-Gruppe ist offenbar kurz davor, den Berliner Verlag an das Kölner Zeitungshaus M. DuMont Schauberg zu verkaufen – das sich damit einen Traum erfüllen könnte.

Die Redaktionen des Berliner Verlags sind mittlerweile kampferprobt. Bild: dpa

Ein Aktienkurs von gerade einmal 1,5 britischen Pence (rund 2 Cent) hört sich nicht nach viel an - doch für David Montgomerys schuldengeplagte Mecom-Gruppe bedeutete die gestrige Preissteigerung an der Londoner Börse immerhin einen Zuwachs von 20 Prozent. Der Grund für das Plus dürfte dem britischen Zeitungsinvestor allerdings wenig Freude bereiten - nimmt es doch nur die Vorfreude darüber vorweg, dass der große Ausverkauf bei der Mecom-Gruppe beginnt. Heute soll nach Informationen des Guardian der Verkauf des deutschen Filetstücks des mit rund 600 Millionen Pfund verschuldeten Konzerns perfekt gemacht werden: Für unbestätigte 165 Millionen Euro gehen Berliner Verlag (Berliner Zeitung, Kurier, Tip) und Hamburger Morgenpost an das Kölner Zeitungshaus M. DuMont Schauberg.

Er ist der Meister des entschieden Ungefähren: Josef Depenbrock, Chefredakteur und Geschäftsführer bei der Berliner Zeitung. Entscheidungen, die er in absolutistischer Manier verfügte, kassierte er oft schon wenige Stunden später klammheimlich wieder. Und die angeblich so unnütze Medienseite des Blattes, deren baldige Abschaffung Depenbrock schon letzten August verkündete, erscheint zum Glück immer noch. Ausgedient haben dürfte dagegen nun bald Depenbrock selbst. Montgomerys Mann fürs Grobe kann sich niemand unter dem neuen Eigentümer vorstellen: "Ich bin mir sicher, dass sich DuMont mit solchen Typen nicht einlässt", sagt ein Brancheninsider. Um Depenbrock muss man sich indes keine Sorgen machen: Einstecken kann der Mann, dem es bis zuletzt wenig auszumachen schien, auf verlorenem Posten die teils aberwitzigen Vorgaben aus London umzusetzen. Der 47-Jährige ist selbst am Unternehmen beteiligt, dürfte nach erfolgter Auszahlung um einiges reicher sein und - kann sich dann endlich wieder voll und ganz seinem selbsterklärten Lieblingsprojekt widmen: der Kreuzfahrtzeitschrift Azur, die er in all den Jahren stets nebenbei auf eigene Rechnung betrieben hat.

Dort gab man sich gestern zugeknöpft und verwies darauf, dass die Mitteilung der Geschäftsführung vom 26. Dezember 2008 "zum Kauf der Berliner Zeitung nach wie vor Gültigkeit" habe: Der Verlag äußere sich nicht, "Formulierungen, die in diesem Zusammenhang genannt wurden, sind reine Spekulation". Über die Blätter des Hauses - Kölner Stadtanzeiger, Kölnische Rundschau, Express, Mitteldeutsche Zeitung (Halle/Saale) und Frankfurter Rundschau - auf Verlagsweisung aber auch nicht zu berichten haben. Intern heißt es, es gebe noch Gesprächsbedarf über den Preis. Schließlich muss DuMont bei der FR Verluste ausgleichen - und möchte sich am liebsten noch am Aachener Zeitungsverlag beteiligen.

Mit dem Verkauf bekommt die Berliner Zeitung nicht nur wieder einen Verleger, sondern den amtierenden deutschen Verlegerpatriarchen schlechthin: Alfred Neven DuMont wollte das Blatt schon 2005 kaufen, als Montgomery zum Zuge kam. Nach Einschätzung von Branchenexperten macht der Zukauf für die Kölner Sinn: Schon heute kooperiere die FR redaktionell mit dem Kölner Stadtanzeiger und der Mitteldeutschen, sagt Horst Röper vom Dortmunder Formatt-Institut. Die Berliner Zeitung könne hier integriert werden. "Beinahe noch wichtiger" sieht Röper aber die Möglichkeiten, die sich für DuMont im Boulevardbereich ergäben: "Schon kurz nach der Wende in der DDR vor 20 Jahren" habe DuMont schließlich geplant, mit seinem Express und weiteren regionalen Boulevardblättern den ehemaligen DDR-Markt aufzurollen und dort eine "Gegen-Bild" zu etablieren. "Die Pläne sind uralt und könnten jetzt mit dem Berliner Kurier und der Hamburger Morgenpost Wirklichkeit werden", sagt Röper.

Klar scheint schon jetzt zu sein, dass vor allem der FR und dem Hauptstadtblatt Berliner Zeitung eine "weitgehende Zusammenarbeit" bevorsteht. Beim eher dahindümpelnden Flaggschiff - die FR verkauft weniger Exemplare als die Berliner Zeitung und schreibt anders als der Berliner Verlag auch alles andere als schwarze Zahlen - ist man allerdings sicher, die Oberhand zu behalten. Die FR sei einfach der "klingendere Titel", meint auch Röper. Zudem schreibe die von DuMont garantierte Satzung der FR deren Charakter als überregionales Qualitätsblatt fest. Eine Schlüsselrolle dürfte hier FR-Chefredakteur Uwe Vorkötter zukommen: Er hatte den Chefposten bei der Berliner Zeitung 2006 wegen Montgomerys Sparplänen geräumt und ist sogar im kampferprobten Betriebsrat des Berliner Verlags wohl gelitten. Was man von seinem Nachfolger, Montgomerys deutschem Vasallen Josef Depenbrock, nicht gerade sagen kann. "Mit Vorkötter ist DuMont hier ganz anders aufgestellt, als das andere potenzielle Käufer wären", sagt Röper. Und mit den DuMonts bekomme der Berliner Verlag tatsächlich "einen wirklichen Verleger. Man sollte nur nicht glauben, der achte nicht auch auf die Rendite."

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