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Invasive Art in BerlinAus für Waschbär-Projekt

Ein tierwohlorientiertes Pilotprojekt sollte die Eindämmung der Berliner Waschbärpopulation durch Unfruchtbarmachung erproben. Der Senat sagt: Nein.

Vom Regen in die Traufe: Waschbären könnten künftig stärker bejagt werden Foto: IMAGO / imagebroker

Berlin taz | Seit zwei Jahren befand es sich in der Prüfung, jetzt hat die Senatsverwaltung für Umwelt ein Pilotprojekt abgelehnt, das die Probleme der BerlinerInnen durch die wachsende Zahl an Waschbären mit einem neuartigen Ansatz lösen sollte: Wie eine Sprecherin von Senatorin Ute Bonde (CDU) der taz bestätigte, wurden die Anträge des Vereins „Hauptsache Waschbär“ zur Genehmigung eines Kastrations- und Sterilisationsprojekts abgelehnt.

Als Gründe nannte sie unter anderem „teilweise fehlende und unzureichende Unterlagen“ sowie die „fehlende Begleitung durch eine wissenschaftlich anerkannte Forschungseinrichtung“. Auch sei „keine ausreichende Betreuung bei der Durchführung des Projektes gesichert“.

Für die Tierärztin Mathilde Laininger, die Vorsitzende von „Hauptsache Waschbär“, ist die Ablehnung nicht nur eine Enttäuschung, sie kommt auch überraschend: Noch Anfang des Jahres hätten sich VertreterInnen der Senatsverwaltung bei einem Runden Tisch zum Thema optimistisch geäußert.

Offenbar war es die zur Senatsverwaltung gehörende Berliner Jagdbehörde, die durch Verweigerung der Genehmigung zum Aufstellen von Lebendfallen die Durchführung des Projektes verhinderte. Dabei hatte die Fachbehörde Lageso den Tierversuchsantrag bereits genehmigt und keine Bedenken gegen die Wissenschaftlichkeit des Projektes gesehen.

Wie die taz berichtete, verfolgen Laininger und ihr Verein einen Ansatz, der sich am Tierwohl orientiert: Um den durch Waschbären verursachten Schäden an Häusern und Gärten etwas entgegenzusetzen, aber gleichzeitig die Bejagung und Tötung der Tiere zu verhindern, sollte das auf fünf Jahre angelegte Projekt die schonende Eindämmung der Kleinbärenpopulation durch Unfruchtbarmachung erproben.

Paradoxe Effekte bei Ausweitung von Tötungen

In zwei stadtrandnahen Gebieten, so der Plan, wären die Waschbären mit Lebendfallen gefangen, in einem zum Operationssaal umfunktionierten Fahrzeug kastriert oder sterilisiert und anschließend wieder freigelassen worden. Die Vermehrung sollte damit eingedämmt werden, ohne übermäßiges Leid bei den intelligenten Tieren der als invasiv eingestuften Art zu erzeugen.

Eine Ausweitung von Tötungen als Alternative hat bekanntermaßen einen paradoxen Effekt: Es ist bekannt, dass die Fertilität von Waschbärweibchen steigt, wenn die Art dezimiert wird – es gibt also gleichzeitig mehr Nachwuchs. Genau dessen Aufzucht führt aber oft zu den bekannten Problemen wie Waschbär-„Nestern“ auf Dachböden oder in Gartenlauben.

Laininger, die in Vorbereitung des Pilotprojekts einen Jagd- und einen Fallenschein gemacht hat, findet die Begründung der Senatsverwaltung, mit lediglich zwei Vollzeitbeschäftigten habe das Projekt zu wenig Personal, um die Fallen zu betreuen, fadenscheinig: „Der Senat hat den Fang über den Projektzeitraum auf 1.000 Tiere geschätzt – heruntergerechnet sind etwas mehr als zwei Exemplare täglich in dem Zeitraum, in dem wir tätig werden. Wo ist da das Problem?“

Zudem stehe ihr ein Team von über 20 Personen zur Verfügung: „Das sind Tierärzte und Tierärztinnen, Tierarzthelfer und Tierarzthelferinnen, eine Biologin und andere ehrenamtliche Helfer“, so Laininger.

„Eine Bremse, kein Stopp“

Dafür, dass die Senatsverwaltung ihre wissenschaftliche Expertise infrage stellt, hat die promovierte Veterinärmedizinerin kein Verständnis. Von einer angedachten Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) sei man wieder abgekommen, weil sich die unterschiedlichen Ansätze nicht hätten vereinbaren lassen.

Beispielsweise habe das IZW alle gefangenen Waschbären zur Untersuchung und Behandlung an seinen Standort in Niederfinow transportieren wollen. Ein völlig unnötiger Stress für die Tiere, sagt Laininiger.

Überraschend kam für sie die Absage auch, weil der Senat im vergangenen Jahr bereits eine Vorstudie des Pilotprojekts gefördert hatte. Aufgeben will sie jetzt auf keinen Fall: „Ich sehe das als Bremse, nicht als endgültigen Stopp.“ Die medizinische Versorgung von verunglückten oder kranken Waschbären in ihrer Zehlendorfer Praxis und die Betreuung der „Waschbären-Hotline“ des Vereins gingen ohnehin weiter. Bei der Hotline habe es „in diesem Jahr bestimmt schon an die 1.000 Anrufe“ gegeben.

Kritik von der Linken

Für Katalin Gennburg, die umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, ist das Aus für das Pilotprojekt eine weitere von bereits mehreren „Fehlentscheidungen in Sachen Tierwohl“ der CDU-geführte Verwaltung. Schon die Beschneidung der Rechte der Berliner Tierschutzbeauftragten und die radikale Kürzung ihres Budgets seien in diese Richtung gegangen.

Mit dem Projekt von „Hauptsache Waschbär“ werde nun wertvolles zivilgesellschaftliches Engagement beschnitten: „Ein Trauerspiel“, findet Gennburg. Die Linke werde im Parlament alles dafür tun, dass das Projekt doch noch genehmigt werden könne.

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