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Interview zur Queer-Konferenz"Die Freiheit auf Händen tragen"

Amsterdams Diversitätsdezernentin Andrée van Es ist Gast bei der International Maneo Conference. Ein Gespräch über Rechte, Gefechte - und die Neugier auf Berlins Regenbogenkieze

So harmonisch wie am CSD sollte es jeden Tag zugehen Bild: reuters
Interview von Tobias Müller

taz: Frau van Es, Amsterdam hatte einst einen legendären Ruf als homofreundliche Stadt.

Andrée van Es: Die Werte von Freiheit und Toleranz sind bei uns auch noch immer stark verankert. Darauf bin ich sehr stolz. Aber man muss an die Amsterdamer appellieren, dass das so bleibt.

Zuletzt gab es auch einigen Anlass für solche Appelle. Belästigungen von Homosexuellen haben stark zugenommen, auch körperliche Übergriffe kommen vor.

Einerseits sind das Auswüchse einer Machokultur, die sich unter anderem in Homophobie äußert. Ich sehe es aber auch im Zusammenhang mit einer allgemeinen Verrohung des Umgangs. Ich finde die Menschen in London oder Berlin grundsätzlich zuvorkommender.

Andrée van Es

58, war in den 80er Jahren eine prägende Figur und Abgeordnete der Pacifistisch Socialistische Partij. Nach ihrem Rückzug aus der Politik arbeitete sie in den 90ern unter anderem als Redakteurin und als Direktorin eines politischen Kulturzentrums in Amsterdam. Seit 2010 ist sie im dortigen Stadtrat für Diversitätsfragen zuständig.

Das Projekt Maneo leistet seit 1990 Hilfe für Opfer homophober Gewalt und betreibt Prävention. Von Mittwoch bis Samstag hat Maneo Vertreter kosmopolitischer Städte zu der Konferenz "Building a queer and tolerant neighbourhood" eingeladen.

Was bedeutet diese Entwicklung für eine Stadt mit der Reputation Amsterdams?

Wir haben eine Verpflichtung: Wir müssen die Latte sehr hoch legen und die Freiheit auf Händen tragen. Das bedeutet, dass wir uns bezüglich der Rechte von Homosexuellen nicht zurücklehnen dürfen.

In Den Haag haben streng christliche Parteien Einfluss. Wird Homophobie auch dadurch salonfähig?

Mit schnellen Erklärungen bin ich sehr vorsichtig. Aber für die Akzeptanz von Homosexualität ist es mit Sicherheit schädlich. Andererseits will eine Mehrheit im niederländischen Parlament das Thema obligatorisch in den schulischen Lehrplan aufnehmen. In Amsterdam ist das übrigens schon länger so.

Was unternimmt die Stadt ansonsten zum Thema?

Mit dem Programm "Gay Capital" wollen wir die Sichtbarkeit von Homosexualität im Stadtbild stimulieren. Ich selbst ziehe durch Schulen, um mit Jugendlichen zu sprechen. Wir unterstützen verschiedene Organisationen Homo- und Bisexueller, es gibt auch ein Spezialprogramm für lesbische Mädchen. Und natürlich gehört dazu, dass wir keine Gewalt gegen Homosexuelle akzeptieren. Dass die Polizei eingreift und die Justiz Straftaten verfolgt.

In Zukunft soll dieser Ansatz erweitert werden.

Ja, wir wollen die Zuständigkeit ausdehnen. Das bedeutet, dass nicht mehr ich alleine mich mit diesem Ansatz beschäftige, sondern beispielsweise sich mein Kollege im Sportressort gegen die Diskriminierung von Schwulen im Fußball einsetzt.

Wie steht es mit der Finanzierung solcher Projekte in diesen Zeiten?

Natürlich heißt es nun öfter, es sei kein Geld mehr da. Trotzdem haben wir wieder finanziellen Raum für "Gay Capital" geschaffen. Auch wenn es dabei nun eher um Hunderttausende geht statt um Millionen.

Bekannt ist Amsterdam vor allem für die Gay Pride, die als Bootsparade auf den Grachten stattfindet. Manche kritisieren, das Event sei zu einer Art Homo-Zoo für Provinzler verkommen.

Das sehe ich nicht so. Ich kenne viele ältere Lesben und Schwule, die froh sind, heute die Freiheit feiern zu können, die sie früher nicht hatten.

Im Ausland sind die Niederlande immer noch als Geburtsort der "Homohochzeit" berühmt. Dabei können Standesbeamte bis heute eine solche Trauung ablehnen, wenn sie "moralische Bedenken" geltend machen. Wie passt denn das zusammen?

Ich hätte das vor zehn Jahren auch nicht gedacht. Es gibt einfach keinen Grund, dass ein Beamter sagt, dieses Paar traue ich und jenes nicht. Ich halte das aber für Rückzugsgefechte. In Amsterdam gibt es inzwischen auch keine Beamten mehr, die sich das herausnehmen.

Sie kommen nach Berlin mit einer großen Delegation von Beamten und Unternehmern. Ist Ihnen diese Konferenz denn so wichtig?

Ja. Natürlich geht es uns darum, die Geschichte Amsterdams zu erzählen. Darüber werde ich auf der Konferenz sprechen. Davon abgesehen wollen wir aber auch gut zuhören, welche Erfahrungen andere gemacht haben. Amsterdam hat viel zu berichten, aber wir können auch noch sehr viel lernen.

Das Motto der Konferenz ist das Konzept "Regenbogenkiez". Was verstehen Sie persönlich darunter?

Wir haben in Amsterdam bislang nur schwule Ausgehviertel. Ein Konzept, das darüber hinausgeht, ist für mich neu. Deswegen bin ich auf diesen Ansatz sehr neugierig.

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