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Interview zur Afghanistan-Strategie"Die USA wiederholen unsere Fehler"

Der letzte sowjetische Oberbefehlshaber am Hindukusch rät den USA, dort statt auf mehr Truppen auf wirtschaftliche und politische Maßnahmen zu setzen.

Britische Soldaten in Afghanistan: "Eine Kontrolle durch ausländische Soldaten funktioniert bestenfalls kurze Zeit." Bild: dpa

taz: Herr General, sind die Schwierigkeiten der Amerikaner in Afghanistan jene, die Sie hatten?

Mahmut Garejew: Die Amerikaner wiederholen alle Fehler, die wir begangen haben. Unsere Militärs hatten oft nur eines im Sinn: Sie wollten kommandieren. Statt sich mit der Besonderheit der Verhältnisse auseinanderzusetzen, erteilten sie besserwisserisch Befehle. Den gleichen Eindruck habe ich von den Amerikanern.

Worin unterscheidet sich das Vorgehen der UdSSR von dem der USA?

Die Sowjetunion hat viel zivile Aufbauarbeit geleistet. Wir haben Orte wie Dschalalabad neu gebaut, eine Infrastruktur geschaffen. Wir bildeten zigtausend junger Afghanen an unseren Hochschulen aus. Frauen konnten zum ersten Mal eine Schule oder Universität besuchen. Die Amerikaner und ihre Verbündeten haben wirtschaftlich wenig geleistet. Inzwischen sind junge Leute herangewachsen, die nichts gelernt haben, außer mit der Waffe herumzuhantieren. Der Westen hat wieder das Mittelalter nach Afghanistan gebracht.

US-Präsident Obama will nun die Truppen verstärken. Das hat die UdSSR in der schwierigen Phase Mitte der Achtzigerjahre auch getan.

Nein, Gorbatschow war 1986 ein Jahr im Amt und fragte schon, ob es nicht sinnvoller sei, ganz abzuziehen. Unter ihm haben wir die Präsenz kontinuierlich abgebaut, es fing mit den Artillerie- und Panzereinheiten an. Für einen Ausgleich sorgte, dass wir eine fähige afghanische Armee von 300.000 Mann aufgebaut hatten.

Was würden Sie denn Obama raten?

Zunächst, dass er lernt zu verstehen, was dort tatsächlich vor sich geht. Militärische Verstärkung führt zu keiner Lösung. Obama muss begreifen, dass er nicht gegen die Taliban, sondern gegen das Volk Krieg führt. Nur wirtschaftliche und politische Maßnahmen führen zum Erfolg. Das bedeutet auch, sich auf Verhandlungen und Kompromisse einzulassen.

Eine militärische Kontrolle des Landes ist also nicht möglich?

Eine Kontrolle durch ausländische Soldaten funktioniert bestenfalls kurze Zeit. Afghanische Regierungssoldaten müssen die Aufgabe übernehmen.

Halten Sie denn die Wahlen nicht für eine politische Maßnahme?

Die Wahlen waren doch ein Witz. Die Leute können sich doch gar nichts unter Demokratie und Wahlen vorstellen. Selbst wenn sie an einem Tag Demokratie üben, schneiden sie sich am nächsten Tag die Kehlen durch.

Ist Afghanistan eine Bedrohung?

Afghanistan nicht, die Fundamentalisten sind für die zentralasiatischen Staaten natürlich eine Bedrohung.

Verursachte die Rote Armee ähnliche Verluste in der Zivilbevölkerung wie die USA und ihre Verbündeten?

Natürlich gab es auch bei uns solche Fälle, wenn etwa die Mudschaheddin Granatwerfer mitten in Wohngebieten aufstellten. Die amerikanischen Erfahrungen im Irak zeigen doch: Die beste Waffe ist Geld. Man kauft die Gegner.

Brachten Sie die kulturelle Kenntnis mit?

Seit ich 14 Jahre alt war, wuchs ich in Usbekistan auf. Ich bin Muslim, mit den Bräuchen der Region von Kind auf vertraut. Die Schule habe ich auf Usbekisch abgeschlossen. In Norden Afghanistans konnte ich mich ohne Schwierigkeit verständigen, später habe ich auch Dari gelernt. Ich habe eine ganze Menge verstanden, mehr jedenfalls als mancher Redenschreiber von Präsident Obama.

Was macht die Unbeugsamkeit der Afghanen aus?

Die Mentalität des Volks hat sich über mehr als ein Jahrtausend herausgebildet. Es ist eines der ältesten Völker der Region. Die Mentalität hat sich nicht verändert, vielmehr haben sich die Eigenheiten in den ständigen Kriegen noch schärfer herauskristallisiert.

Sie zitieren in Ihrem Afghanistan-Buch Friedrich Engels, den Klassiker des Marxismus.

Ja, Engels schrieb, nur der unbändige Hass gegen die Staatsmacht und die Liebe der persönlichen Unabhängigkeit hindern die Afghanen daran, eine mächtige Nation zu werden. Alle Eindringlinge seien kläglich gescheitert. Das gilt immer noch. Sich gegen fremde Dominanz zu wehren hat Tradition. Es gibt Völker, die lieber leben, und solche, die kämpfen. Als Hitler zwei Bomben auf Amsterdam abwarf, kapitulierten die Niederlande sofort. Paris erklärte sich zur offenen Stadt, die Franzosen wollten sich nicht eingraben und verteidigen wie Leningrad, Odessa oder Stalingrad. Das kann man sich nur erlauben, wenn man weiß, dass andere kommen und einen rausholen. Die Afghanen wissen, da kommt niemand, nur sie können sich befreien.

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14 Kommentare

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  • G
    gregor

    Aus den Erinnerungen eines Offiziers des sowjetischen Nachrichtendienstes. Damit die Sprachenfrage geklärt werden kann:

     

    "In Afghanistan wurde der besondere Akzent auf technische Mittel für die Informationssuche- und Zusammenfassung gemacht. Die Armee war aber dazu nicht bereit. Die Fliegeraufklärung demonstrierte die echten Wunder. Die Luftbilder überraschten durch ihre Qualität und Auflösung, aber mit der Übergabe dieser Information an die richtigen Personen hat man oft verspätet. Die Funkaufklärung nahm viele wichtige Gespräche auf, benutzte dabei die Tonbandgeräte des vorigen Jahrhunderts. Einmal pro Woche wurden die Magnetbänder in die Aufklärungsabteilungen übergeben, dort konnte sie aber kaum jemand bearbeiten. Die Situation mit den Übersetzern war katastrophal. Bei den Funkaufklärungsstationen haben als Übersetzer die Soldaten tadschikischer Herkunft ihren Dienst getragen. Ihnen fehlte die Ausbildung. Nach Vorschriften sollten sie die wichtige Information an die Aufklärungsabteilungen umgehend weiterleiten. Sie waren aber nicht in der Lage, die Wichtigkeit dieser Information alleine zu bewerten. Außerdem ist die tadschikische Sprache dem Farsi sehr ähnlich. Die Duschmanen sprachen neben Farsi auch Puschtu, wir aber nicht. Besser zu sagen, es gab nur einige Leute, die diese Sprache beherrschten. Die Anwendung in den Aufklärungseinheiten der

    PSNR-5 (die tragbare Stationen für Bodenaufklärung) und SBR-3 (die Stationen für Nahaufklärung), wurde im bergigen Gelände nicht zweckmäßig. Die Landung der Fallschirmspringer mit Rundfunkstationen in den Siedlungen war nur fürs Kino: beeindruckend, aber ergebnisfrei und nicht wahrheitstreu.

     

    Von technischen Innovationen sind wir zum alten und geprüften Mittel des Informationssammelns – dem Menschen zurückgekommen. Dieser Mensch sollte 24 Stunden arbeiteten und die Möglichkeit haben, sich regelmäßig und legal mit seinen Agenten zu treffen. Man brauchte nichts Neues ausklügeln. Irgendeinem klaren Kopf fiel ganz einfacher Gedanke ein. Die Ärzte.

     

    So wurde das Programm “Die Ärzte ohne Grenzen” ins Leben gerufen. Der Arzt hatte jederzeit Zutritt in die inländischen Sidlungen (die Kischlaks) und könnte sich da mit jedem Bauern (Dehkhon) treffen, ohne bei jemandem in Verdacht zu geraten, selbst, wenn er kein rechtgläubiger Moslem war. In den Kischlaks gab’s immer Überfluss an Kranken und Verletzten. Die Afghanen waren gläubige Menschen. Wenn Allah die Sünden bestrafte, zum Beispiel durch eine Schusswunde, hatte der Rechtgläubige zwei Auswege: zu genesen oder zu sterben. Die Afghanen waren aber auch keine Dummköpfe, es war ihnen klar, nach der Schusswunde, ohne medizinische Hilfe folgte der Tod. In der Regel, in Folge einer Blutentzündung. Wenn man sich aber rechtzeitig an die Ärzte wendet, hatte der Kranke die Chance, wieder gesund zu sein. Dazu könnte der russische Doktor auf diese Weise Allahs Zorn entflammen, weil er dadurch Allahs Willen zuwiderhandelte. War das nicht komisch!

  • O
    ole

    "Scheherazade" hätte es übrigens auch getan..., man muß ja nicht immer so hoch hinaus :-)

  • O
    ole

    @König Scharyar

    Also 1)

    Ihre vorlaute Arroganz betreffend Wikipedia oder Spiegel können Sie sich sparen. Als ich mich mit den Themen befasste, gab es diese elektronischen Medien noch nicht.

    Ihre Ausführungen hingegen sind nicht nur durch Halbwissen, sondern auch durch allerlei Durcheinander geprägt.

     

     

    2) Hat der sowjetische Oberst von Dari gesprochen, nicht in erster Linie ich. Daraufhin habe ich geschrieben, daß dies einigen wenigen Generälen der Sowjets und Kommandeuren sowie Spezialeinheiten aus den angrenzenden Sowjetrepubliken vorbehalten war. Der einfache Rotarmist aus Turkestan war sicher selten in der Lage, mit den normalen Afghanen, geschweige denn mit Mudschahidin ins Gespräch zu kommen. Ausnahme waren die Deserteur der Sowjetskaja Armija und Gefangene.

     

    Viele der Rotarmisten aus den islamischen Teilrepubliken Zentralasien, die Anfangs mehr als 1/3 der Truppenstärke ausmachten waren sicherlich mit den neupersischen Sprachen oder Farsi oder auch Paschtu vertraut.

    Allerdings erwiesen sie sich in Afghanistan als nicht sehr tauglich und wurden schon bald durch überwiegend russische Rotarmisten ersetzt.

    Damals hatte man übrigens nicht gegen die Taliban, sondern gegen die Mudschahidin gekämpft. Diese setzten sich nicht nur aus Paschtunen, sondern auch aus Usbeken, Tadschiken, Turkmenen, Hazara uva. zusammen.

    In vielen dieser Länder und auch in Afghanistan war Dari als "vereinfachtes Persisch" genug, zumindest in den Augen der Fremden und war als Verständigung deutlich einfacher als Paschtu, auch wenn es nicht überall Standart war. Natürlich sprach Hekmatyar mit seinen Gefolgsleuten der Hezb-e-Islami Paschtu, mit anderen Mudschahidin aber auch Dari. Ganz einfach.

     

    3)Militärisch war es 2001 eine hervoragend geführte Offensive. Die Taliban wurden rasch aufgerieben und die versprengten Überreste sammelten sich entweder in Pakistan oder in den Bergen nahe der Grenze. Davon habe ich gesprochen, nicht von der dritten Halbzeit oder was danach passierte. Auch nicht über den Sinn der Afghanistankriege oder über die Jagd auf Osama bin Laden. Wir wissen doch, daß man sich danach nicht mit Ruhm bekleckerte. Sie müssen schon lesen was ich schreibe und nicht ständig Dinge hineininterpretieren.

     

    4)Übrigens: Die Nordallianz, mit der die Amerikaner die Offensive starteten, war von Tadschiken, Hazara und Usbeken dominiert, nicht von Paschtunen. Grund: Die Paschtunen gingen sehr geschwächt aus dem Krieg hervor. Übrigens auch eine Aussagen von Mahmut Ahmetowitsch Garejew, der gleichzeitig aber darauf verweist, daß die Paschtunen auf Grund ihrer Geschlossenheit immer eine Führungsrolle in Afghanistan soielen werden.

     

    5)Natürlich bemächtigten sich die Amerikaner der überlegenen technischen Mittel wie seegestützer Marschflugkörper oder der Luftüberlegenheit, warum denn nicht? War noch nie anders in der Geschichte der Kriegsführung. Hätten die Sowjets auch gemacht... haben sie auch versucht... es gelang ihnen sogar eine Zeit lang mit dem Einsatz der Mi24 Kampfhubschrauber, die auf Grund ihrer Titanium-Panzerung auch von schweren MG's Kaliber 12,7mm nicht vom Himmel geholt werden konnten.

    Dies hielt nicht lange an, da die Mudschahidin bald darauf mit Stinger ausgerüstet wurden.

     

    Und ja, die Sowjetarmee hatte auch gute Spezialeinheiten wie bsw. die Speznas, die in Afghanistan vor allen Tadschiken, Usbeken und Turkmenen einsetzte oder die Luftlandedivisionen. Allerdings konzentrierten sie sich vorwiegend auf die Städte und waren damals noch nicht sehr erprobt im Guerilla-Kampf bzw. in der asymmetrische Kriegführung. Und zahlenmäßig waren sie eben gerade nicht ausreichend. Besonders hervorgetan haben sich Speznas und Alfa bei der Ermordung des damaligen afghanischen Präsidenten Amin von der marxistischen Khalq-Clique, womit dann auch die Invasion einherging.

     

    6)Der Begriff "Steinzeitkrieger" für die Taliban zeugt übrigens von einer ziemlichen Überheblichkeit. Diese Steinzeitkrieger haben es immerhin geschafft, im Bürgerkrieg bis Mitte der 1990er Jahre über 3/4 des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen, auch gegen viele kampferprobten Mudschahidin und diese Position bis 2001 zu halten. Und sie haben es geschafft, daß die schiitischen Mullahs in Teheran fast die Hälfte ihere aktiven Armee mobilisierten und kurz vor einem Krieg mit dem Talibanregime standen.

     

    Die Taliban sind vielleicht Steinzeit-Wahabiten paschtunischer Abstammung, jedoch keine Steinzeitkrieger.

  • KS
    König Scharyar

    "Unter den Special Forces Leuten der Amerikaner, die Ende 2001 zusammen mit der Nordallianz die hervoragende Offensive gegen die Taliban führten, sprachen mehr Dari als die kommplette sowjetische Generalität im gesamten Afghanistan-Abenteuer."

     

    :-) Ja, klar. Woher weisst Du das? Hast du Einblick in die streng geheimen Personalakten?

    Die Aussage der Taliban lässt sich finden. Wenn du mich lieb bittest, such ich sie dir vielleicht.

     

    Wobei du sogar Recht hast. Eine Generalität -aus viel Mann besteht die deutsche Generalität? Du darfst Schneiderhahn ruhig noch dazuzählen. Kommst du dann auf 10 Mann?- hat sicher weniger Dari-Sprechende (Warum eigentlich nur Dari? Die Taliban sind mehrheitlich eine Paschtunenbewegung, und was sprechen die wohl? Dari oder Paschtu? :-) ) als die Kommandoeinheiten der USA.

     

    "hervoragende Offensive gegen die Taliban führten"

     

    Jawohl. Ganz toll haben sie das gemacht. Ein paar Steinzeitkrieger umgenietet mit einer Militärmacht, bei denen allein die US-Streitkräfte ein 528 Milliarden US-Dollar Budget haben.

    Wenn der FC Barcelona gegen den FV Märkbeton e.V. spielt, wer gewinnt da wohl?

    Nur so nebenbei:Wurde Osama bin Laden eigentlich geschnappt?

     

    Und warum wurde der Krieg eigentlich geführt? Gab es da nicht so ein Ultimatun nach dem 11. September?

    Entweder Ihr rückt den bin Laden und seine Leute raus oder wir holen sie uns und stürzen ganz nebenbei eure Steinzeitregierung.

     

    War eine wirklich hervorragende Operation wenn das alleinige Ziel der Operation nicht erfüllt wurde.

     

    Auch die Sowjetunion hatte keine schlecht ausgebildeten Spezialeinheiten. Vor allem mussten die mehr auf den menschlichen Faktor setzen, da ihnen die technologischen Mittel der USA nicht gegeben waren.

    Ich habe nie bezweifelt, dass US Truppen schlecht ausgebildet bzgl. Kämpfen usw... wären.

    Aber Dari/Paschtu-Sprechende sind m.W. mehr bei den Sowjets zu finden gewesen.

     

     

    Sorry, durch das alleinige Lesen von Wikipedia-artikeln/ Spiegelartikeln hat man noch nicht die Fähigkeit erlangt, auch etwas mit den puren Fakten anzufangen/bzw. es verarbeiten zu können/ die richtigen Schlüssel daraus ziehen zu können.

  • O
    ole

    @König Scharyar

     

    Sorry, aber das ist Unsinn. Unter den Special Forces Leuten der Amerikaner, die Ende 2001 zusammen mit der Nordallianz die hervoragende Offensive gegen die Taliban führten, sprachen mehr Dari als die kommplette sowjetische Generalität im gesamten Afghanistan-Abenteuer.

     

    Die Sowjets hatten lediglich Interesse an der Eindämmung des Mudschahidin Aufstandes, weil sie ihr kommunistisches Vasallen-Regime in Kabul in Gefahr sahen. Nicht mehr, nicht weniger.

     

    Das müsste doch langsam mal klar sein.

  • KS
    König Scharyar

    Ich glaube, dass Geschichten aus tausend und einer Nacht eher von den vermeintlich gut ausgebildeten US-Streitkräften handeln.

     

    M.W. haben sich einige Taliban dahin gehend geäußert, dass im Gegensatz zu den Us-Soldaten die Sowjetarmee wenigstens zu einem nicht zu vernachlässigenden Anteil Dari oder Paschtu gesprochen hätten. Dies wäre ein weiterer Beleg neben anderen Punkten, dass die Sowjets mehr Interesse an der afghanischen Bevölerungs gezeigt hätten.

  • O
    ole

    Nachtrag:

    Garejew natürlich, nicht Garajew

     

    Soweit mir bekannt, war er Gromow damals Generaloberst und der letzte Befehlshaber der sowjetischen Streitkräfte... also offiziell.

     

    Und Mahmut Ahmetowitsch Garejew war damals stellvertretender Generalstabschef und nach dem Abzug der Sowjetarmee lediglich militärischer Berater von Mohammed Nadschibullah... oder?

  • O
    ole

    Naja, ganz schön schön, was Garajew da so erzählt...

     

    Auch die kommunistischen Machthaber, ob unter der marxistischen Khalq-Clique oder der gemäßigten Parcham Fraktionen sowie den späteren Marionettenregimen eines KGB-nahen Karmal oder Nadschibullah versuchten sich an Bildungsreformen, Hochschulen, Frauenrechte... et cetera. Alles ganz löblich.

    Allerdings haben sie genau wie die Sowjets eine verherende, dumme Ignoranz gegenüber den Traditionen der verschiedenen afghanischen Clans und Stämmen sowie den religiösen Verhältnissen an den Tag gelegt, daß es von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Die Sowjets wurden von den Afghanen ebenso verachtet und gehasst wie ihre kommunistischen Vasallen in Kabul. Sie hatten nie einen Rückhalt in der Bevölkerung.

     

    "Allahu akbar" - das war der wirkliche Rückhalt der meisten Afghanen.

    Da hätten die "Gottlosen" noch tausende Universitäten bauen können. Die Engels-Lektüre über das britische Abenteuer am Hindukusch gab es doch damals auch schon.

     

    Und nun erklärt Garejew, daß genau die Sowjets diese Aufbauarbeit erfolgreich gestaltet

    [ Davon mal abgesehen, Herr Garajew... wozu baut man Schulen und Infastruktur, wenn von 15 Mio Afghanen über 3,5 Mio auf der Flucht sind und die Infastruktur dann doch wieder mit Splitter -und Brandbomben vernichtet wird? Ist das nich ein wenig zu viel Propaganda, 20 Jahre später? ]

    hätten und der Westen die Afghanen zurück ins Mittelalter bombt? Das ist doch ein Witz.

    Als die Sowjets 1989 abzogen, war Afghanistan bereits in der Steinzeit angekommen, ohne jegliche militärische oder gar politische Ordnung. Den Rest besorgten dann die untereinader verfeindeten Mudschahidin Gruppen und War-Lords im Bürgerkrieg sowie schließlich die Taliban ab Mitte der 1990er Jahre.

     

    Und natürlich stimmt es nicht, daß die Sowjetunion ihre Truppen nicht verstärkt hatten. Am Anfang waren es 85.000 Rotarmisten, die bis in die späten 1980er Jahre auf wahrscheinlich 115.000 aufgestockt wurden.

    Ich denke auch, daß Garajew eine Ausnahme war, wenn es um kulturelle Vorbildung und Verständigung ging. Welcher Sowjetgeneral sprach schon Dari? Mal ganz abgesehen vom einfachen Infanteristen aus dem Ural. Viele der Rotarmisten aus den muslimischen Teilrepubliken wie Usbekistan, Tadschikistan oder Turkmenistan sympatisierten insgeheim sogar mit ihren Glaubensbrüdern bei den Mudschahidin.

     

    Recht hat er wohl mit der Aussagen, daß der Westen heute mit einer ähnlichen Arroganz agiert und gerade wieder eine Idiologie und ein Regierungssystem unterstützt, daß dort offenbar von den meisten Afghanen nicht gewollt ist.

    Das beste Beispiel waren die Wahlen. Da hat Garajew absolut recht.

     

    Alleine die Tatsache, daß man in unseren Medien nur noch von den "bösen Taliban" spricht zeigt doch a), daß man entweder selbst keinen Durchblick mehr hat oder aber wohl eher b), daß man die Leute für dumm verkaufen möchte, um eine Rechtfertigung für ein weiteres militärisches Vorgehen zu erlangen. Okay, bei den meisten deutschen Politikern, egal welcher Partei trifft wohl Punkt a) zu und die Sache ist damit eh gerechtfertigt.

  • G
    gregor

    Es ist schon peinlich für die TAZ nicht zu wissen, dass Garejew nie der "letzte sowjetische Oberbefehlshaber am Hindukusch" war. Er war ein sowjetischer Militärberater in Kabul nachdem die Armee Afghanistan verlassen hat. Der letzte sowjetische Befehlshaber am Hindukusch war General Gromow. Nichtdestotrotz ist Garejew einer der bedeutendsten Militärtheoretiker Russlands. Außerdem gibt es da ein Problem mit dem Begriff "Oberbefehlshaber". In der UdSSR hat es formal gesehen nur einmal "Oberbefehlshaber" gegeben - und das war Stalin.

  • P
    Pharisaer
  • P
    Publicola

    Danke für das weitsichtig-relevante Interview zur rechten Zeit.

  • S
    Sheherezade

    @ 1001 Nacht:

     

    Inwiefern unterscheidet sich deiner Meinung nach Obamas Strategie von der seines Vorgängers Bush?

  • 1
    1000und1nacht

    Dass "Bär" nichts von Amiland und seinen Strategien hält, wissen wir ja alle. Es ist zwar schön, was hier so alles besser verstanden und gemacht wird. Bloß Bären aufbinden lassen sollte man sich deswegen noch lange nicht. Ich glaube, dass es wenige Afghaner gibt, die sich wirklich gerne an die kommunistisch-russische Besatzung von damals erinnern.

    Die kulturellen und sprachlichen Differenzen sollten dem gut ausgebildeten US-Soldaten eigentlich klar sein, genauso wie klar sein dürfte, dass Obama nicht die gleiche Strategie wie Bush verfolgen wird. Der Paradigmenwechsel dürfte jedem klar sein, der Augen hat zum sehen und Ohren hat zum hören.

  • V
    V.R

    Sehr gutes Interview! Danke.