Interview mit einem Elite-Direktor: "Das gibt es nicht in Gießen"
An der FU wird gehofft und gebangt: wird die Uni noch mal exzellent? Präsident Peter-André Alt über den Spirit der Elite, negative Effekte und die Zeit danach.
taz: Herr Alt, am Freitag entscheidet sich, ob die Freie Universität eine Exzellenz-Universität bleibt. Der Erfolgsdruck ist groß. Muss die FU um jeden Preis gewinnen?
Peter-André Alt: Erfolgsdruck gibt es immer. Wir waren aber auch unabhängig von der Exzellenzinitiative wissenschaftlich sehr aktiv. Der DFG-Förderatlas zeigt, dass unsere Universität auch ohne Berücksichtigung der Exzellenz-Gelder die meisten Forschungsmittel in Deutschland einwerben konnte. Ihre Mittel aus der dritten Förderlinie, dem Zukunftskonzept, hat sie sogar am effizientesten eingesetzt und am meisten aus ihnen gemacht.
Es fehlen trotzdem über 40 Millionen Euro im Haushalt der FU, wenn sie nicht noch einmal die Fördergelder bekommt.
Natürlich würden wir dann versuchen, die erfolgreichen Konzepte, die ja auch langfristig angelegt sind, weiter umzusetzen. Es wäre fatal, wenn wir Einrichtungen wie unsere Dahlem Research School oder das Center for International Cooperation wieder schließen müssten. Es wäre schwierig, alle Projekte in den ohnehin angespannten Normaletat zu übernehmen. Die durch die Förderung erzeugte Dynamik würde auf halber Strecke aufgehalten. Das wäre ein ganz problematischer Umstand für uns. Dann bräuchten wir die Unterstützung des Landes, beispielsweise über die Einstein-Stiftung.
Peter-André Alt
52, ist promovierter Politik- und Literaturwissenschaftler. Vor zwei Jahren wurde er zum Präsidenten der Freien Universität gewählt.
Gibt’s schon Kürzungslisten?
Wir haben einen Schwerpunkt in der Nachwuchsförderung und müssen auch bei den Promotionsprogrammen weiter Akzente setzen. Da können wir uns nicht aus der Verantwortung stehlen. Schwierigkeiten gäbe es im Bereich der Forschungsplanung, die müsste dann aus den knappen Bordmitteln finanziert werden. Im Bereich der Internationalisierung müssten wir uns sehr genau anschauen, welche der sieben internationalen Verbindungsbüros wir uns dann leisten könnten. Eine Reduzierung wäre sehr bitter.
Bei der Exzellenzinitiative geht es um Spitzenforschung. Was bringt es den Studenten, wenn die FU noch mal exzellent wird?
Man macht es sich zu einfach, zu sagen: Ihr werdet mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, weil ihr an einer Exzellenz-Universität studiert habt. Ich glaube, den Mehrwert macht etwas anderes aus: der Spirit. Wir haben hier in den letzten Jahren etwas gemeinsam aufgebaut. Die Freie Universität hat sich internationale Strahlkraft und ungeheure Forschungsperspektiven erarbeitet – davon profitieren natürlich auch unsere Studierenden. Vor Kurzem erhielt hier der herausragende Kulturtheoretiker Homi K. Bhabha die Ehrendoktorwürde, davor der pädagogische Vordenker Lee Shulman. Das sind Strahlpunkte der Wissenschaft. Den Studierenden muss klar sein, das gibt es nicht in Paderborn oder Gießen.
So viel zum Spirit. Das ist aber nicht der Alltag im Hörsaal. Die Lehre ist alles andere als exzellent.
An der Freien Universität arbeiten wir stetig daran, wir haben schon bessere Zahlen. Seit 2006 konnten wir die Abschlussquote von 50 auf 75 Prozent steigern. Leider ist das Betreuungsverhältnis in einigen besonders stark nachgefragten Fächern nicht optimal. Wir konnten das Verhältnis dennoch verbessern. Früher kamen auf einen Dozenten 75 Studierende, jetzt sind es 55. Ich will es nicht schönreden, das sollte noch besser werden.
Was tun Sie dagegen?
Allein bekommen wir das Problem nicht vom Tisch, weil wir an die gesetzliche Kapazitätsverordnung gebunden sind. Das heißt, wenn wir mehr Dozenten einstellen, müssen wir gleichzeitig mehr Studierende aufnehmen – das ist wiederum eine Frage der Finanzierung. Wir versuchen deshalb bei der ergänzenden Betreuung mehr zu machen. Beispielsweise durch intensive Beratungen, Mentorierungsprogramme und Tutorien.
Die Exzellenzinitiative führt auch zu Engpässen in der Lehre.
Wir kennen das Problem. Ein Exzellenzcluster aufzubauen ist eine Heidenarbeit. Diese Professoren können nicht neun Stunden lehren. Die temporären Reduktionen in der Lehre sind nennenswert. Geschätzt hat etwa ein Viertel der 300 Professoren in der Lehre reduziert. Das ist eine Chance für den wissenschaftlichen Nachwuchs und Postdocs außeruniversitärer Institute, die Vertretungsprofessuren übernehmen. Gleichzeitig erkenne ich die Interessen der Studierenden absolut an. Die Dozenten werden teilweise nach einem Jahr berufen und wechseln, die Studierenden suchen länger nach Prüfern. Das ist ein Dilemma. Ich sage es ganz ehrlich, das ist schwer zu lösen. Wir versuchen Kontinuität bei den Vertretungen zu schaffen.
INTERVIEW:
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