Interview mit „Türkisch für Anfänger“-Star: „Reich-Ranicki ist ein garstiger Zwerg“
Am Dienstag startet die dritte Staffel von „Türkisch für Anfänger“. Josefine Preuß über die Bedeutung von Preisen, das deutsche Fernsehprogramm und Hoffnungsträger Barack Obama.
taz: Sie haben bereits den Grimme- und den Deutschen Fernsehpreis bekommen. Lehnen Sie den nächsten Preis ab?
Geboren am 13. Januar 1986 in Zehdenick an der Havel, wuchs Josefine Preuß in Potsdam auf und spielte als Kind schon auf der Bühne des dortigen Hans-Otto-Theaters. Jetzt lebt sie in Berlin. Im öffentlich-rechtlichen Kinderkanal Ki.Ka spielte sie bis 2003 vier Jahre in der Serie „Schloss Einstein“ und verkörperte mit ihrer Kinderbuchsendung „Quergelesen“ eine pfiffige Elke Heidenreich fürs junge Publikum. Mittlerweile übernimmt Preuß Gastrollen in Serien wie „Soko Leipzig“, „Das Duo“, „Ein Fall für Zwei“, spielt in Reihen wie „Tatort“ und in TV-Filmen wie „Zwerg Nase“. Zu ihren Nominierungen und Preisen zählen der Förderpreis des Deutschen Filmpreises (2005) und der Deutsche Fernsehpreis in der Kategorie Beste Serie/Beste Schauspieler für die Serie "Türkisch für Anfänger" (2006). FX
Josefine Preuß: Was Marcel Reich-Ranicki da bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises gemacht hat, ist eine riesige Beleidigung. Er hätte vorher wissen können, was ihn erwartet und mit solchen Pauschalurteilen verpasst er jedem einen Schlag ins Gesicht. Jedes Projekt ist doch ein Produkt von einem großen Team, von vielen Menschen vor und hinter der Kamera. Etwas Herausragendes auszuzeichnen ist doch wunderbar. Für mich ist Marcel Reich-Ranicki ein garstiger Zwerg, der noch mal groß werden will.
Kommt Deutschland nicht auch sehr gut ohne Bambi & Co. zurecht?
Natürlich kommt man sehr gut ohne sie zurecht. Sie sind aber auch ein Schmankerl, ein i-Tüpfelchen und eine schöne Erinnerung für ein Projekt. Ich selbst labe mich nicht an ihnen. Mit keinem der Preise, die ich bekommen habe, hatte ich vorher gerechnet. Das war für mich jedes Mal ein Riesending, eine tolle Überraschung und ein großes Kompliment. Alle stehen jetzt auf dem Sideboard meiner Mutter. Denn die hat sich immer genauso so sehr gefreut. Und gegen Preisverleihungen habe ich nichts, denn die Parties danach sind immer der Knaller. Da gibt es immer super Essen, man trifft viele witzige Leute und Kollegen. Jede ist anders. Von Berlin nach Köln fliegen, im Hotel übernachten – das hat nicht jede 22-Jährige. Das zählt zu den angenehmen Seiten des Berufs, die ich dann auch gern mitmache.
Vor einigen Wochen noch meinten Publizisten eine dringende Diskussion über die Qualität des Fernsehen führen zu müssen. Ist es so schlecht darum bestellt?
Jein. Wenn ich mal einen freien Nachmittag habe, komme ich leider auch nicht um eine Gerichts- oder Talkshow herum. Aber es gibt offensichtlich Leute, die es gucken. Es läuft. Kann man es Programmchefs, die ja auch für viele Mitarbeiter verantwortlich sind, da verdenken, dass sie nicht daran rütteln? Außerdem haben wir doch Super-Kanäle. Alle Bereiche sind abgedeckt. Es gibt doch auch Phoenix, 3sat und arte. Ich persönlich bin ein großer Fan des Kinderkanals Ki.Ka, für den ich auch lange gearbeitet habe. Ein super Angebot für Kinder. Wenn man will, kann man sich im deutschen Fernsehen sehr gut informieren. Amerika hat doch da mit seinen 1.000 Shopping-Sendern weit mehr Pech. Und wenn man jung ist, schaut man halt VIVA und MTV. Lasst uns doch erst mal erwachsen werden, dann gucken wir auch anderes.
In der nächsten Woche startet die dritte Staffel von „Türkisch für Anfänger“. Was macht diese Serie für Sie aus?
Diese Serie zeigt endlich: Die Deutschen haben Witz. Und so, wie sie gemacht ist, gab es noch keine: eine Patchwork-Famile mit krassen kulturellen Unterschieden, eine Serie, die so politisch unkorrekt mit Klischees spielt und sie überspitzt. Wir sind, glaube ich, die einzige Vorabend-Serie in der ARD, in der die Figuren ohne weiteres auch mal ‚Fuck‘ sagen dürfen. Wir beleidigen nebenbei mal den Bundespräsidenten oder auch mal Ursula von der Leyen mit ihren gefühlten 1.000 Kindern und die ARD findet's o.k. Türkisch für Anfänger ist für mich einfach jung, frisch und innovativ. Das gefällt mir. Außerdem kommen wir nicht mit dem erhobenen Zeigefinger und dem Anspruch daher, zu zeigen, wie Integration funktioniert. Die Leute sollen sich abends einfach auf die Couch knallen und Spaß haben.
Kritiker überschütteten die Serie von Anfang mit Lob, überragende Quoten hatte die Serie aber nie. Woran liegt das?
Absolut die Sendezeit. Um 18.50 Uhr schafft es halt nicht jeder, schon zu Hause zu sein. Trotzdem ist die Serie dort gut angesiedelt. Als Vorbild hatten wir immer ‚Berlin, Berlin‘. Leider haben andere komische Formate wie 'Sophie – Braut wider Willen“ diesen Sendeplatz dann ein bisschen runtergerockt. Aber die Auszeichnungen haben viele aufmerksam gemacht, wir haben eine gute Fan-Base, die sich schon sehr auf die neue Staffel freut.
Was hat sich an der Serie in der nun startenden dritten Staffel verändert und wie zufrieden sind Sie selbst mit dem Ergebnis?
Wir machen eine Zeitsprung von zwei Jahren. Lena und Cem müssen sich nach der Schule jetzt entscheiden, was sie werden wollen. Alle Figuren machen eine tolle Entwicklung durch, es gibt neue Figuren, andere gehen, es wird wieder lustig und traurig sein. Und gerade die letzte Folge ist so überraschend, dass ich auf die Reaktionen sehr gespannt bin. Ich jedenfalls bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Und falls das an Herrn Marcel Reich-Ranicki wieder mal vorbeigeht, schick' ich ihm gern 'ne DVD-Box.
Wird es eine vierte Staffel geben, und wenn ja, wollen Sie wieder mit dabei sein?
Bisher war jede Staffel so angelegt, dass es keine nächste geben muss, aber dann gab es ja glücklicherweise doch wieder eine. Auch die ARD guckt natürlich auf die Quoten. Und wenn die dieses Mal in die Höhe schnellen, wäre die ARD doch eigentlich ein bisschen blöd, uns keine vierte Staffel zu geben. Für uns Schauspieler jedenfalls war diese Serie ein Riesenschritt, wir bekommen alle tolle neue Angebote.
Barack Obama ist der erste schwarze Präsident der USA. Eine gute Wahl?
Yeah, Barack Obama. Na klar, der schreibt Geschichte, der erste schwarze Präsident der USA. Da beißen sich die Texaner doch in den Arsch. Bush hat das Land kaputt gemacht. So viele Menschen stehen zum Beispiel noch immer ohne Krankenversicherung da. Obama wird viel zu tun haben und er wird nichts von heute auf morgen verändern können. Man muss ihm jetzt erst einmal Zeit lassen, da reinzukommen. Doch ich bin sehr zuversichtlich, dass er schafft, was er sich vornimmt und hoffe sehr, dass ihm und seiner Familie nichts passiert, dass irgendein Durchgeknallter den Präsidenten ermordet. Das wäre ja leider nicht das erste Mal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
BSW-Gründungsversammlung in Bayern
Es geht um Selenskyj, nicht um Söder