piwik no script img

Interview mit Finanzsenator Nußbaum"Ich bin nicht hier, um Ruhe zu haben"

Obwohl er selbst vermögend ist, plädiert Finanzsenator Ulrich Nußbaum dafür, Reiche höher zu besteuern. Auch die eigenen Leute von Rot-Rot provoziert der Parteilose gerne mit heiklen Themen.

Einen bequemen Job will er nicht, und aufs Geld kommt es ihm auch nicht an: Finanzsenator Ulrich Nußbaum, hier mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im Hintergrund. Bild: AP
Interview von Stefan Alberti

taz: Herr Nußbaum, vor kurzem haben Sie von Reichen mehr Gemeinsinn gefordert. Wo streuen Sie denn Ihr Geld als Ex-Fischhändler unters Volk?

Ulrich Nußbaum: Woher wollen Sie denn wissen, dass ich vermögend bin?

Der Sommer vor der Wahl

Die Sommerpause: Parallel zu den Schulferien macht auch das Abgeordnetenhaus Sommerpause. Es ist die vorerst letzte Ruhephase. Der nächste Sommer wird vom Wahlkampf geprägt sein: Im September 2011 wird das Abgeordnetenhaus neu gewählt. Die taz nutzt die Pause, um in einer Interviewreihe auf die Wahl und die Themen zu blicken, die die Berliner bewegen. Am 15. Juli eröffnete den Reigen der grüne Fraktionschef Volker Ratzmann, am Donnerstag vergangener Woche verriet Umweltsenatorin Katrin Lompscher ihre Klimaziele bis 2050.

Die SPD: In den jüngsten Umfragen der Meinungsforscher liegt die SPD bis 25 bis 27 Prozent. Ihr Koalitionspartner, die Linkspartei, bei 17 Prozent. Dazwischen ordnen sich CDU - 19 bis 21 Prozent - und Grüne - 22 bis 25 Prozent - ein. Die FDP kommt zurzeit auf 3 bis 5 Prozent. (taz)

Das leite ich mal von der Größe Ihres Unternehmens ab.

Alles Annahmen, über Geld redet man nicht. Aber gut, wo engagiere ich mich? Als Allererstes engagiere ich mich für Berlin mit dem Allerwertvollsten, was ich habe, nämlich meiner Zeit, indem ich hier als Finanzsenator arbeite.

Gut, da machen Sie Ihren bezahlten Job so wie andere.

Dass ich mich für Berlin engagiere, ist ein kostspieliges Projekt für mich. In der Zeit, in der ich hier bin, kann ich nicht mein privates Vermögen mehren wie vorher in meinem Unternehmen.

Sie haben in der taz "Luxus" mal so definiert: Zeit haben und faulenzen. Diesen Luxus könnten Sie sich als Vermögender doch viel stärker erlauben.

Das tue ich aber nicht, weil ich es mit dem alten Bibelspruch halte, dass man mit seinen Talenten wuchern soll, jetzt im positiven Sinne. Daraus leitet sich für mich die Verpflichtung ab, mich auch gesellschaftlich einzubringen. Das tue ich derzeit politisch und dazu gehört auch, dass ich jetzt mit Ihnen zu diesem Interview zusammensitze. Ich könnte Ihnen ein paar Orte nennen, an denen ich lieber sitzen könnte.

Ich würde jetzt auch lieber die Tour-de-France-Bergetappe im Fernsehen gucken und bin trotzdem hier.

So hat eben jeder sein Arbeitsethos. Sie schreiben ja auch aus einer bestimmten Überzeugung heraus für die taz, obwohl es da nicht so viel Geld gibt.

Das scheint ja eine richtige Bewegung zu sein, dass Reiche von ihresgleichen Engagement fordern. Der Milliardär Nicolas Berggruen hat der taz jüngst gesagt, Reiche sollten mehr bezahlen, auch mehr Steuern. Sehen Sie das auch so?

Das habe ich doch als einer der Ersten gefordert. Wenn man die Gemeinschaft zusammenhalten will, dann wird man als Wohlhabender auch in der deutschen Gesellschaft mehr abgeben müssen, ohne sich dabei komplett zu entkleiden.

Wenn Sie die Reichen mehr in die Verantwortung nehmen wollen, hätten Sie doch niemals zustimmen dürfen, dass Rot-Rot die Kitas auch für Reiche gebührenfrei macht. Denen taten die paar hundert Euros nicht weh, Sie als Finanzsenator aber müssen nun anderswo nachsparen.

Ich habe dazu eine klare persönliche Position: Ich brauche weder Kindergeld noch brauche ich Kita-Gebührenfreiheit. Ich könnte auch Studiengebühren zahlen. Trotzdem kann ich verstehen, dass eine Partei und gerade die SPD, die sehr stark für den freien Zugang zu Bildung gekämpft hat, aus grundsätzlichen Überlegungen heraus - man kann auch sagen: dogmatischen Überlegungen - sagt: Wir wollen Bildung unabhängig von Einkommen für jedermann zur Verfügung stellen.

Aber kann man sich Dogmatik in Zeiten knapper Kassen erlauben?

Ich finde, man kann es machen, muss sich aber dann das Geld, das man bei den Kitas nicht einnimmt, an einer anderen Stelle von finanzstärkeren Leuten zurückholen, indem man etwa die Steuern erhöht.

Bloß blöd, dass Sie diese Steuern auf Landesebene nicht erhöhen können.

Das hat ja nichts mit Landespolitik und nur mit Steuern zu tun. Es geht darum, in der Bundesrepublik insgesamt die Lasten gerecht zu verteilen. Die Frage ist immer: Gibt es eine gespürte Solidarität untereinander? Denn nur die lässt das Gemeinwesen ohne Gewalt oder Exzesse existieren und ohne Angst, allein abends auf der Straße unterwegs zu sein.

Wie fühlen Sie sich denn als Freund edler Karossen in einer Stadt, in der nächtens vor allem solche Autos abgefackelt werden?

Zu den Autos soll Ihnen der Innensenator eine Antwort geben. Ich nehme es so wahr, dass ich mich dort, wo ich wohne, selbst spät abends frei und mit null Angstgefühl bewegen kann. Solange das so ist, habe ich nicht den Eindruck, dass man sich hier jetzt gefährdet fühlen müsste. Ich bin in der Welt viel rumgekommen, ich kann Ihnen sagen: Es ist ein Privileg, so frei leben zu können.

Sie wünschen sich generell, nicht nur bei den Reichen, mehr Menschen, die selbst etwas in die Hand nehmen und sich nicht nur gegen etwas engagieren. Die FDP würde Sie mit diesem Ruf nach mehr Eigeninitiative gern aufnehmen.

Gucken Sie doch nicht immer durch so eine Parteischablone.

Was heißt Schablone? Der Ruf nach Eigeninitiative ist in SPD nicht besonders laut.

Das ist ja möglicherweise ein Fehler, das kann man ja ändern. Das soll auch gar nicht heißen, dass der Einzelne sich nur einbringen soll, damit der Staat dadurch Geld sparen kann. Meine These ist: Der Staat kann noch so viele Ressourcen zur Verfügung stellen - wenn die Menschen sich nicht engagieren, dann wird daraus nichts.

Machen Sie das mal konkret.

Wir können noch so viel Geld in Schulen stecken, in Lernmittel und Mensen und Lehrer: Wenn sich Eltern nicht auch ergänzend einbringen, dann kann der Staat das nicht auffangen. Es bedarf eines Wechselspiels, der Staat kann nicht persönliches Engagement ersetzen.

Haben Sie in ihren inzwischen eineinviertel Jahren in Berlin das umsetzen können, was Sie sich vorgestellt hatten?

Die Frage ist: Was verantworte ich? Doch vor allem den Haushalt und Beteiligungen, also die Unternehmen, die Berlin ganz oder teilweise gehören. Für den aktuellen Doppelhaushalt war, als ich kam, schon vieles festgezurrt, ohne dass das jetzt eine Entschuldigung sein soll. Aber das ist zumindest ein nahtloser Übergang gewesen, gerade mit Blick auf die Wirtschaftskrise - kein Ruhmesblatt, aber ordentliches Management.

Und bei den Beteiligungen?

Da ist auf meine Initiative Transparenz und Effizienz zum Thema geworden. Es war für viele schwierig, das anzunehmen. Das heißt, nicht immer mehr Mittel reinzustecken, sondern erst mal zu fragen: Bringt das was? Gerade in der Schulpolitik wird diese Frage jetzt stärker gestellt.

Gerade da stemmen sich aber SPD-Bildungsleute gegen solche Überprüfungen. Die wollen allem erst mal Zeit geben, wollen abwarten - als ob sie Angst vor den Ergebnissen hätten.

Genau. Das können die ja auch machen. Mein Job ist es aber, Fragen zu stellen. Die ganze Affäre um die Treberhilfe hat uns sehr geholfen, die Frage nach der Effizienz in Sozialträgerstrukturen zu thematisieren. Inzwischen redet davon jeder. Wobei es eine Illusion ist zu glauben, dass alle, die davon reden, es auch ernst meinen mit der Transparenz. Mein Punkt ist, das wir ohne Kontrolle Geld in das System pumpen, ob das nun der Maserati ist, ob das Kitas oder Schulen sind oder Hilfen zur Erziehung. Wir navigieren oft blind, und das kann nicht sein.

Finden Sie in der Koalition bei SPD und Linkspartei gleichermaßen Gehör dafür?

Das hat vielleicht weniger mit SPD und Linkspartei zu tun als damit, mit wem ich rede. Ich stelle schon fest, dass die Durchdringung der Strukturen mit den Trägern sehr ausgeprägt ist.

Meinen Sie das, was andere Verfilzung nennen?

Ich bin Hanseat und rede lieber von Durchdringung. In meinem Studium habe ich mich mal mit hochentwickelten Staaten befasst und der Frage, warum sie untergegangen sind: Das ist immer dann passiert, wenn sie reformunfähig waren und Interessenverbände den Staat lahmgelegt haben. Rom ist nicht an den Germanen untergegangen, sondern an der Unfähigkeit, sich zu reformieren.

Das erinnert jetzt sehr an Westerwelles Vergleich mit spätrömischer Dekadenz. Aber was hat denn bislang nicht geklappt in Ihrer Amtszeit? Die FDP nennt Sie ja mantrahaft einen bloßen Ankündigungssenator.

Weil ihr nichts anderes einfällt. Die verwechseln Ankündigen mit einem Politikstil, der zum Nachdenken anregt. Ich sehe meine Rolle als Parteiloser darin, Themen anzusprechen, auch wenn ich noch keine Mehrheiten dafür hinter mir habe. Der Parteipolitiker wagt sich erst aus der Deckung, wenn er weiß, dass er seine Sache durchkriegt. Ich brauche natürlich auch Mehrheiten, sonst hätte ich ja auch den Haushalt nicht durchbekommen. Nichtsdestotrotz erlaube ich mir, Sachen unabhängig anzusprechen.

Es passt auch einigen in der SPD nicht, dass Sie das tun: Warum macht der noch ein Fass auf, sagen die.

Ja, die haben vielleicht manchmal das Gefühl, ich mache in der Partei ein Fass auf. Ich aber will das gar nicht intern machen. Denn intern heißt doch: kungeln und machen und vorbesprechen, weil alles andere als Nestbeschmutzung gilt. Das kann doch so nicht sein.

Sondern wie?

Transparenz ist für mich, einen offenen Diskurs zu führen und den Leuten reinen Wein einzuschenken. Wenn ich immer nur in Mehrheiten denken würde, dann würde ich mir jetzt genau überlegen: Was sage ich der taz. Dann würden Sie stromlinienförmige Antworten kriegen, aber ich hätte keinen Spaß mehr an der Sache.

Ich auch nicht.

Wenn die in der politischen Schicht das so interpretieren, dann bin ich halt ein Ankündigungssenator, seis drum. Solange ich die Leute aufwühle, weiß ich, dass ich etwas verändern kann. Wenn mir einer sagt: "Muss das denn jetzt sein, wir wollen doch Ruhe haben vor dem Wahlkampf" - fordert mich das erst recht heraus. Denn ich bin nicht hier, um Ruhe zu haben.

Wollen Sie eigentlich auch nach der Wahl noch Finanzsenator sein?

Ja.

Ist das an die SPD als großen Koalitionspartner gebunden und an Klaus Wowereit als Regierenden Bürgermeister? Oder geht das auch mit Grün-Rot und Renate Künast?

Als Erstes bin ich davon überzeugt, dass Klaus Wowereit 2011 die Wahl gewinnen wird. Aber das Schöne ist ja, dass man als Parteiloser nicht zwangsläufig in so einer Parteiarithmetik denken muss. Für mich ist wichtig: Ist die Konstellation personell wie inhaltlich so, dass es Sinn macht, eine komplette Wahlperiode - ich gehöre nicht zur Köhler- oder Ole-von-Beust-Riege - weiterzumachen? Das sind immerhin fünf Jahre, die ich nicht an schönen anderen Orten sein kann. Ich muss schon überzeugt sein, dass ich mit denjenigen, die dann die Führung haben, die richtigen Dinge bewegen kann. Hier nur zu sein, um Senator zu sein, wäre mir zu wenig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!