Interview mit Bütikofer: Kohlelobby der SPD ist Schuld

Rainer Bütikofer steckt mit den Grünen in der Zwickmühle: Ein Kohlekraftwerk in Karlsruhe soll er ablehnen, eins in Hamburg gutheissen.

Grüne unter Druck: Die Kohlepolitik spaltet das Gewissen. Bild: dap

Taz: Herr Bütikofer, braucht Deutschland neue Kohlekraftwerke?

Reinhard Bütikofer: In einer Übergangszeit kommt Deutschland nicht ohne Kohle aus. Wir haben in unserem Energiekonzept 2.0 das auch mit Zahlen unterlegt. Die Frage ist aber, ob wir es uns leisten können, zusätzlich neue Kohlekraftwerke zu bauen. Wir Grünen wissen, dass man nicht hopplahopp aus der Kohle aussteigen kann. Aber wenn wir unsere Klimaziele ernst nehmen, dann dürfen wir keine neuen Kohlekraftwerke ans Netz nehmen.

Das sieht der ehemalige Frontmann aber anders. Joschka Fischer warnt, der Antikohlekurs würde die Grünen ins politische Abseits bringen.

Fischer scheint zu glauben, dass wir zeitgleich mit der Atomenergie auch das Ende der Kohleverstromung herbeiführen wollten. Das sieht er falsch: Realpolitik ist, sich der klimapolitischen Herausforderung zu stellen. Die Wissenschaftler haben uns vorgerechnet, dass eine Ausweitung der Kohlenutzung zur Stromerzeugung - so wie sie der SPD und Sigmar Gabriel vorschwebt - dazu führt, dass die Klimaziele der Bundesregierung nicht einzuhalten sind. Das heißt: Ich muss politische Alternativen formulieren und durchsetzen.

Braucht Joschka Fischer ein Nachhilfeseminar in Sachen grüner Klimapolitik?

Daran wird Fischer nicht interessiert sein. Er könnte aber Rainer Baake fragen, den Chef der Deutschen Umwelthilfe. Wenn aber nicht einmal Joschka Fischer unsere Position zur Kohlekraft richtig begreift, müssen wir uns mehr anstrengen, das klarer zu vermitteln.

Das ist die Realpolitik: In Karlsruhe wird heute der Grundstein für das achte neue Kohlekraftwerk gelegt. In Hamburg wird noch im September die grüne Umweltsenatorin das neunte genehmigen.

Zunächst: Das Problem ist, dass Kohlendioxid nach wie vor rechtlich nicht als Schadstoff bewertet wird. Die Tatsache, dass große Kohlekraftwerksblöcke Klimakiller sind, wird also im Entscheidungsverfahren nicht angemessen berücksichtigt werden. Um rechtlich gegen Kohlekraftwerke vorgehen zu können, bräuchte es dies aber. Es gibt den guten Vorschlag, neu zu bauenden Kraftwerken einen Mindestwirkungsgrad vorzuschreiben. Dies würde Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die mit Gas betrieben werden, den Weg ebnen und die uneffizienten Kohlegroßkraftwerke verhindern. Leider scheitert dieser Vorschlag an der Kohlelobby der SPD.

Und Hamburg?

Ich kann nicht gegen das Karlsruher Kraftwerk sein und andererseits für das Hamburger, nur weil dort Grüne entscheiden müssen. Aber warten wir mal ab: Wenn die rechtliche Bewertung des Moorburgantrages vorliegt, muss die Frage beantwortet werden, wie man politisch damit umgeht. Antworten kann man erst, wenn die Bewertung vorliegt.

In der Stadt Wiesbaden haben die Grünen gerade eine Jamaika-Koalition platzen lassen. Die Basis forderte von der Ratsfraktion ein klares Nein zum dortigen Kohlekraftwerksprojekt. Mal angenommen es kommt in Hamburg dazu: Wünschen Sie sich ein ebenso klares Votum der Hamburger Basis?

Die Landesführung hat in Hamburg von Anfang an der grünen Basis jeden einzelnen Schritt klipp und klar vorgelegt und zur Abstimmung gestellt. Deswegen glaube ich, dass besonders bei schwierigen Fragen dieser Kurs der Offenheit fortgesetzt wird.

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