Interview mit Anja Hajduk: "Nähe ist auch eine Chance"
Das verkrampfte Verhältnis der Grünen zur SPD habe sich entspannt, sagt Anja Hajduk, GAL-Spitzenkandidatin in spe. Und nennt die umweltgerechte Stadt als zentrales Ziel ihrer Partei.
taz: Frau Hajduk, was war für Sie der Punkt in der schwarz-grünen Koalition, wo Sie gesagt haben: Jetzt geht es nicht mehr.
Anja Hajduk: Nach dem überraschenden Rücktritt von Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) am 24. November bin ich für mich zu dem Schluss gekommen: Diese Regierung hat nicht mehr die Stabilität und die Autorität, um wichtige Zukunftsfragen Hamburgs zu lösen.
Wie sieht Ihre Bilanz der Koalition aus?
Anja Hajduk war in der geplatzten schwarz-grünen Koalition Stadtentwicklungssenatorin. Die 47-Jährige soll Hamburgs Grüne als Spitzenkandidatin im Wahlkampf anführen. Hajduk war von 2002 bis 2008 Landeschefin der GAL.
Zwei Jahre haben CDU und Grüne gut zusammengearbeitet. Es gab Erfolge, aber auch schwere Niederlagen, etwa als wir das Kohlekraftwerk Moorburg genehmigen mussten. Zuletzt jedoch hat die CDU den Rücktritt von Bürgermeister Ole von Beust und mehrerer ihrer Senatoren nicht erfolgreich bewältigt.
Während der Koalition hatte die GAL bescheidene Umfragewerte, jetzt steigen ihre Werte. War Schwarz-Grün von der Basis nie gewollt?
Die neuesten Umfragen signalisieren vor allem: Unsere Sympathisantenschaft honoriert, dass wir Neuwahlen ermöglichen.
Was bedeutet das Ende der Hamburger Koalition für den Bund und andere Länder? Ist Schwarz-Grün verbrannt?
Die ersten zwei Jahre Schwarz-Grün in Hamburg haben gezeigt, dass Grüne und CDU sehr wohl zusammenarbeiten können. Kurzfristig wird es in Hamburg keine Neuauflage dieser Konstellation geben, perspektivisch aber wünsche ich mir weiterhin die Eigenständigkeit der Grünen im Parteienspektrum. Wann, wo und ob Schwarz-Grün sinnvoll ist, werden wir dabei immer wieder neu bewerten müssen.
Mit Moorburg und der Primarschule haben sich die grünen Themen des Wahlkampfes 2008 erledigt. Was bitte sollen die neuen Themen sein?
Ich sehe viele Themen. Etwa eine emissionsarme und stadtverträgliche Mobilität oder dass die öffentliche Hand wieder mehr Verantwortung übernehmen muss bei Gestaltungsfragen wie der Energieversorgung. Eine umweltgerechte Stadt ist und bleibt ein Kernanliegen, das in unserem Wahlkampf eine zentrale Rolle spielen wird.
Das kriegen Sie auf keinem Wahlplakat unter.
Auch die Frage nach einer gerechten Bildungspolitik ist mit der Absage an die Primarschule nicht vom Tisch. Ganztagsschulen müssen ausgebaut, Schulen und Horte zur Nachmittagsbetreuung besser verzahnt werden. Ganz wichtig ist mir die Frage: Wie schaffen wir es mit besserer Beteiligung der Menschen - einem Ringen mit den Bürgerinnen und Bürgern um die jeweils beste Lösung -, Projekte, die uns wichtig sind, voranzubringen.
Rot-Grün hat sich - auch in Hamburg - als Koalition erwiesen, in der die SPD immer auch versucht hat, die Grünen aus Konkurrenzgründen kleinzuhalten. Warum sollte es diesmal partnerschaftlicher zugehen?
Es stimmt: SPD und Grüne sind in der Vergangenheit, vielleicht auch wegen ihrer politischen Nähe zueinander, oft verkrampft miteinander umgegangen. Ich erwarte aber keine Wiederholung dieser alten Probleme - und habe zu vielen Hamburger Sozialdemokraten heute ein ganz sachliches und entspanntes Verhältnis.
Was kann Rot-Grün besser als Schwarz-Grün?
Dass Rot-Grün in Kernbereichen wie der Sozialpolitik, der Bildung oder der Integration viel stärker auf programmatische Nähe zurückgreifen kann, ist eben auch eine Chance. Unter Schwarz-Grün mussten wir versuchen, lagerübergreifend Gemeinsamkeiten und Kompromisse zu finden, um bei allen Unterschieden politikfähig zu sein.
SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz will keinesfalls mit der Linken koalieren, sollte es für Rot-Grün nicht reichen. Frau Hajduk auch nicht?
Ich schließe für die Zeit nach der Wahl lediglich eine Zusammenarbeit mit der gegenwärtigen CDU eindeutig aus.
Sie haben Moorburg nicht verhindern und die Stadtbahn, ein weiteres Lieblingsprojekt der GAL, bislang nicht realisieren können, treten aber trotz dieser Niederlagen als Spitzenkandidatin an. Das mag verwundern.
Ich habe in der Regierungszeit auch schwere Entscheidungen treffen müssen. Das gehört aber dazu und ich glaube, dass die Menschen das verstehen. Wenn die Partei mich also als Spitzenkandidatin nominiert, nehme ich diese Rolle gerne an.
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