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Interniert hinter Schweigemauern

Schill-Politiker Wolfgang Barth-Völkel bleibt Vorsitzender des Gesundheitsausschusses. SPD und GAL scheiterten mit Misstrauensantrag an der Mehrheit der Rechts-Koalition und erwägen nun, ihre Mitarbeit im Gremium einzustellen

von SVEN-MICHAEL VEIT

„Die übelste Seuche ist der Rassismus“ stand auf dem Transparent, mit dem Mitglieder des Flüchtlingsrats und des Arbeitskreises Asyl gestern im Rathaus gegen den Schill-Abgeordneten Wolfgang Barth-Völkel demonstrierten. Und damit waren die Fronten für die einstündige Sondersitzung des Gesundheitssausschusses auch schon präzise abgesteckt. Deren Ergebnis: Die Mehrheit der Rechtskoalition lehnte geschlossen den Antrag von SPD und GAL ab, Barth-Völkel solle als Vorsitzender des Gremiums zurücktreten. Den Ausschlag in der 7:6-Abstimmung gab Barth-Völkels Stimme, der sich selbst das Vertrauen aussprach.

Zuvor hatte er die Leitung dieser Sitzung an seinen Fraktionskollegen Rolf Gerhard Rutter abgegeben und erklärt, er habe sich für seine „Wahlkampfäußerungen“ bereits öffentlich entschuldigt: „Dem ist nichts hinzuzufügen“, behauptete der 47-Jährige und schwieg fortan.

Das sahen die Ausschussmitglieder von SPD und GAL vollkommen anders. Barth-Völkel habe mit seinen Forderungen in einem taz-Interview, an Infektionskrankkeiten leidende Zuwanderer zu „internieren“, dem Parlament und der Stadt „schweren Schaden zugefügt“. Die GAL-Ärztin Dorothee Freudenberg diagnostizierte „Menschenverachtung“, der SPD-Arzt Mathias Petersen gar „bräunliches Gedankengut“. Für beide Fraktionen sei Barth-Völkel als Vorsitzender des Gesundheitsausschusses „nicht mehr tragbar“.

Die bohrenden Fragen der Opposition prallen jedoch an der Schweigemauer der Rechtskoalition ab, die sich auf keine inhaltliche Debatte einlassen wollte. Der FDP-Zahnarzt Wieland Schinnenburg stellte lediglich in einem kurzen Statement klar, dass Barth-Völkels Aussagen „in Wortwahl und Inhalt nicht der Meinung der FDP und der Koalition entsprechen“.

Als Wortführer der Mehrheit war der CDU-Arzt Dietrich Wersich auserkoren worden, der als Mitglied des ehemaligen PUA Filz über reichlich Routine in hitzigen Ausschuss-Debatten verfügt. Ihm oblag die Aufgabe, die Sitzung als „Wahlkampfshow der Opposition“ darzustellen. „Programmatische Aussagen im Bundestagswahlkampf“, so Wersichs Linie, „haben nichts in einem Fachausschuss der Bürgerschaft zu suchen.“

Gereizt verstieg Wersich sich dann aber zu der Behauptung, SPD und GAL würden „diffamierende Angriffe auf Herrn Barth-Völkel“ unternehmen und „dankte“ dem Schweigenden „für seine Disziplin, sich nicht auf dieses Niveau einzulassen“. Eine Polemik, die ihm wiederum Diffamierungsvorwürfe der Opposition einbrachte.

Nach dieser „skandalösen Sitzung“ sei eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mit Barth-Völkel „nicht mehr denkbar“, kommentierte Petersen, „eine konstruktive Zusammenarbeit ist nicht mehr möglich“, formulierte Freudenberg.

Welche Konsequenzen SPD und GAL diesen starken Worten folgen lassen werden, ist noch offen. Im Raume steht durchaus die Überlegung, im Gremium nicht mehr mitzuarbeiten – das wäre eine Premiere in der Geschichte der Hamburger Bürgerschaft. Darüber aber, so heißt es, müssen die Gesamtfraktionen von SPD und GAL entscheiden.

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