Internetstörung von Nahost bis Indien: Globalisierung im Stocken

Vier Untersee-Internetverbindungen wurden innerhalb von Wochen beschädigt. Die Folge: massive Störungen beim Surfen von Nahost bis Indien. Über die Ursachen wird spekuliert.

60 Prozent der Nutzer offline: Computer-User in Indien Bild: dpa

Seit einigen Tagen schon macht ein Gerücht im Internet die Runde: Die USA hätten, heißt es darin, in Vorbereitung auf einen Angriff auf den Iran die Online-Verbindungen in die arabischen Länder des Nahen Ostens gekappt - oder zumindest stark blockiert, so dass sie kaum mehr zu nutzen sind.

Hintergrund der Verschwörungstheorie: Innerhalb von zwei Wochen gaben gleich vier bedeutende Unterseekabel im Mittelmeer sowie vor Dubai und Katar ihren Geist auf. In Ländern wie Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten kam es daraufhin zu massiven Internet-Ausfällen. Selbst bis nach Indien setzte sich die Problemkette fort - auch eine Leitung, die Europa mit dem Subkontinent verbindet, wurde in Mitleidenschaft gezogen. Insgesamt sollen so allein durch die zwei unterbrochenen Mittelmeerkabel mit den Namen "FLAG" ("Glasfaserkabel um den ganzen Globus") und "SEA-ME-WE 4" ("Südostasien-Naher Osten-Westeuropa-Kabel 4") fast 100 Millionen Nutzer großflächig vom Netz abgehängt worden sein - 70 Prozent der Nutzer in Ägypten, 60 Prozent in Indien. Klar ist bislang nur, dass die beiden Kabel trotz anderslautender Berichte nicht von Schiffen (etwa durch Anker) beschädigt wurden, liegen sie laut den ägyptischen Behörden doch in einer Sperrzone, die ständig überwacht wird. Bis das Problem vollständig behoben ist, können jedoch noch Tage, wenn nicht Wochen vergehen: Reparaturfahrzeuge müssen sich erst an die Stelle der Unterbrechung vortasten und dann Taucher losschicken, um die Störung zu beheben.

Was auch immer der wirkliche Grund für die Internet-Störungen sein mag - der Vorfall macht deutlich, wie abhängig die Menschheit inzwischen von ihrer Telekommunikationsinfrastruktur geworden ist. Ohne billiges Netz auf der ganzen Welt kommt die Globalisierung ins Stocken. So mussten Firmen in der EU, die ihre IT-Infrastruktur nach Indien outgesourct haben, in den letzten Tagen mit eingeschränkter Unterstützung leben. Sonst telefoniert man dank schneller, kostengünstiger Online-Verbindungen inzwischen mit Asien billiger als früher von Hamburg nach Stuttgart. Ist das Netz unterbrochen, geht gar nichts mehr.

Eigentlich ist das Internet grundsätzlich darauf ausgelegt, mit Unterbrechungen und Unwägbarkeiten umzugehen. Schließlich wurde die Technik einst auch auf Auftrag des US-Militärs entwickelt. Das heißt: Ist eine Verbindung gekappt, laufen die Datenpakete eben einmal um den Globus, wählen sich einen anderen Weg, der nicht verbaut ist. Das Problem: Die Infrastruktur kommt eben irgendwann auch in ihrer Redundanz an ihre Grenzen. So ist es billiger, eine Leitung mit erhöhter Bandbreite zu bauen, die sich dann besser füllen lässt, als gleich mehrere Wege, die verschiedene Routen nehmen. Fallen dann mehrere Kabel gleichzeitig aus, stockt der gesamte Netzverkehr.

Auch gibt es im Internet trotz seiner kaum mehr zu überblickenden Größe weiterhin zentrale Knoten. In Deutschland werden beispielsweise große Teile des Datenverkehrs unter den hiesigen Providern in Frankfurt am so genannten DE-CIX ausgetauscht - mit inzwischen bis zu 380 Gigabit pro Sekunde. Allerdings gibt es mindestens sechs verschiedene Standorte in der Stadt, an denen man sich am DE-CIX anschließen kann. Um die Infrastruktur anzugreifen, müssten beispielsweise Terroristen also gleich mehrfach zuschlagen.

In anderen Ländern, in denen die Internet-Zensur an der Tagesordnung ist, geht das jedoch einfacher: Hier werden zentrale Übergabepunkte zwischen dem Netz eines Landes und dem Rest der Welt vom Staat kontrolliert, um unerwünschte Inhalte herausfiltern und blockieren zu können. An diesen Stellen wird die Infrastruktur wieder extrem angreifbar.

Hinzu kommen andere technologische Gegebenheiten, die das Netz traditionell plagen: So werden eingegebene Internet-Adressen wie "www.taz.de" über so genannte DNS-Server in IP-Adressen ("194.29.227.36") umgewandelt. DNS-Server werden zwar ebenfalls über die ganze Welt verteilt, sind aber so vernetzt, dass sie untereinander aufeinander "hören" - setzt man also die Axt an den so genannten Root-Servern an, die die grundlegenden Namensdaten enthalten, geht plötzlich gar nichts mehr. Die USA haben deshalb lange Jahre darauf bestanden, diese endgültig zu kontrollieren. Inzwischen heißt es jedoch, man wolle die Aufgabe mit der Welt teilen.

Zugriff und 100-prozentige Verfügbarkeit auf das Internet werden in Zukunft noch wichtiger werden. Es dient nicht mehr nur als Informations- und Unterhaltungsmedium, sondern überträgt Daten, die früher über eigene Netze liefen - vom Telefongespräch bis zum TV-Programm. Helfen kann da nur, die Infrastruktur weiter auszubauen.

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