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Internetforen in SüdkoreaKlarnamenzwang verfassungswidrig

In großen südkoreanischen Internetforen konnten Nutzer seit 2007 nur mit ihrem Realnamen kommentieren. Das Verfassungsgericht hat das jetzt für illegal erklärt.

Hier muss jetzt nicht mehr mit Klarnamen kommentiert werden: Nutzer auf der Website einer südkoreanischen Zeitung. Bild: dapd

SEOUL dpa | Der Klarnamenzwang für Websites in Südkorea ist verfassungswidrig. Das entschied das Verfassungsgericht des Landes am Donnerstag. Die gesetzliche Regelung, nach der nur echte Namen für Beiträge von Internetportalen benutzt werden können, schränke die Meinungsfreiheit ein, urteilte das Gericht.

Auch wurde die Wirkung des Klarnamenzwangs seit dem Inkrafttreten vor fünf Jahren in Frage gestellt. Die Entscheidung der Verfassunghüter fiel einstimmig aus.

Nach dem sogenannten Internet-Realnamen-System von 2007 können sich die Nutzer auf einheimischen Webportalen mit mehr als 100 000 Aufrufen pro Tag nur dann einloggen und Beiträge abliefern, wenn sie ihren richtigen Namen verwenden und ihre Einwohnermeldenummer angeben.

Die Regierung hatte die Umsetzung des Gesetzes unter anderem mit zunehmendem Cyber-Mobbing begründet, bei dem Menschen verschiedenen Formen der Nötigung, Belästigung oder Verleumdung über das Internet ausgesetzt sind.

Nach Kritik an dem Gesetz und einer Reihe von Datenpannen im Internet hatte die Regierung in Seoul bereits im vergangenen Jahr angekündigt, von dem Gesetz stufenweise abzurücken. So hatten Hacker die persönlichen Informationen von 35 Millionen Nutzern des südkoreanischen Internetportals Nate kopiert.

Das Realnamen-Sytem erhöhe die Chance, „dass persönliche und andere sensible Informationen gestohlen werden“, urteilten die Verfassungsrichter. Es könne nicht gesagt werden, dass die Nachteile durch das System kleiner seien als die Vorteile, die es bringe. Gegen das Gesetz hatte eine Gruppe von Südkoreanern und ein Medienunternehmen eine Verfassungsbeschwerde eingereicht, weil sie ihre Grundrechte verletzt sahen.

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4 Kommentare

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  • WN
    wo nrechtswidrig Klarnamenzwang eingeführt wurde

    Liebe Leute,

    justament wird auf der Behindertenseite kobinet-nachrichten.org Klarnamenszwang eingeführt.

    Und darüber hinaus werden Anfragen von LeserInnen barsch abgebürstet beziehungsweise die LeserInnen der homepage selber und Antworten von LeserInnen an die Leser von der kobinet-Redaktion gelöscht.

    Der Löscher der Leserbriefe wohnt in Berlin und ist Ex-Journalist aus der Ex-DDR.

    Kobinet hat sich von einer Site, wo mal Diskussionskultur war und Meinungen und Ansichten noch was galten und von der Redaktion stehen gelassen worden waren.

    Langsam mutiert die Site zu einem Selbstgefälligkeits-Homepage'chen.

    Vielleicht kann die taz da mal nachfassen? Herzlichen Dank.

  • MG
    Maik G.

    Wie wurde das technisch umgesetzt? Gibt es denn dort Netzsperren? Was passiert wenn ein ausländischer Betreiber ein Forum online stellt und sich einheimische Nutzer dort registrieren?

     

    Das Problem ist doch, wie man ein Ländergesetz im Internet durchsetzen will, dazu müsste man ein autonomes und vollkommen kontrolliertes Netzwerk - wohl kaum "Inter"-net aufbauen.

     

    Es gibt kaum Daten, die a. kontrollierbar und b. eindeutig und c. überprüfbar sind, die nicht gleichzeitig enorme Risiken bezüglich Missbrauch ermöglichen. Da fällt mir spontan nur Klarname + Einwohnermeldenummer (allerdings könnte ich diese Daten auch von Bekannten oder Freunden nutzen!) oder IP + Zeitstempel (nur Eindeutig im Bezug auf den Haushalt) ein, alles andere lässt sich schlecht kontrollieren: Die Email-Adresse dient nicht zum eindeutigen Identifizieren von Personen, siehe spammail.de und Konsorten, KFZ-Kennzeichen sind dritten Personen u.U. bekannt und nur KFZ-Halter könnten sich registrieren.

  • FQ
    F. Queseleit

    @ walli

     

    Nein, ich beobachte "in letzter Zeit" keineswegs "immer häufiger" irgendwelche "ausufernden ... Shitstorms, Beleidigungen, Verleumdungen und Persönlichkeitsrechtsverletzungen aller Art" - außer durch gelegentliche Rotten von PI-Nazis, wenn mal wieder über Beschneidungen oder den Islam im Allgemeinen "offen diskutiert" wird.

     

    Vor allem sehe ich aber, dass das Web 2.0 - insbesondere durch Blogs und Kommentarfunktionen wie der zur taz - in der letzten Zeit immer klarer zeigt, wie sehr die Meinung der Bevölkerung in vielen Fällen abweicht von der allgemein propagierten - der, die von den Konzern- und Staatsmedien in unserem Lande verbreitet wird: etwa zu Themen wie Syrien, der EU-Finanzkrise, dem Gauck-Kult, Wikileaks, der NSU-Affäre usw. usw.

     

    Das ist ein großer Gewinn - und es ist absehbar, dass sich die Macht- und Meinungseliten - also auch die Mainstream-Presse - über kurz oder lang massiv dagegen wenden werden. Die haben sich immerhin jahrzehntelang anstrengen müssen, bis sie die Demokratie endlich in den Griff bekommen und kontrollierbar gemacht haben. Diesen Erfolg werden sie sich nicht von irgendwelchen Graswurzel-Bloggern und Internet-kommentierenden Bürgern zunichte machen lassen.

     

    Einen Klarnamenszwang könnte man derzeit zwar überhaupt nicht durchsetzen, ohne den letzten Anschein von Demokratie, ohne den es nicht geht, aufs Spiel zu setzen. Aber Vorschläge wie Deiner würden vielen Leuten durchaus in den Kram passen. Wende Dich doch mal an Herrn Uhl.

  • W
    walli

    Gute Entscheidung des südkoreanischen Verfassungsgerichts. Ich persönlich würde im Falle eines Klarnamenszwangs wohl keine einzige Meinung mehr im Internet äußern. Allerdings frage ich mich in letzter Zeit immer häufiger, wie man der ausufernden Zahl übelster Shitstorms, Beleidigungen, Verleumdungen und Persönlichkeitsrechtsverletzungen aller Art im Internet irgendwie Herr werden könnte. Das Mindeste ist wohl, dass die jeweiligen Forumsbetreiber eine (irgendwie nachprüfbare) Registrierung einführen. Das schreibe ich, obwohl ich die Liberalität und das Vertrauen der taz in ihre Leser durchaus zu schätzen weiß. Ich hoffe, ich werde mich dieser Großzügigkeit der taz immer würdig erweisen.