Internet: Warten auf Bus und Server
An 21 Bus- und Tramhaltestellen gibt es jetzt kostenloses WLAN für alle. Ein Praxistest.
Ein paar stille Minuten mit dem Smartphone an der Haltestelle Friedrichstraße, bevor die Tram kommt: Die überflüssige Bekanntschaft von letzter Woche hat gerade eine bräsige Mail geschickt, Spiegel Online veröffentlicht ein Jogi-Löw-Videoquiz und Wetter.com sagt Regen voraus. Trotz dieser durchwachsenen Nachrichtenlage gibt es kaum Gründe, sich zu beschweren: Der freie Internetzugang, den es seit Mittwoch an dieser Haltestelle gibt, funktioniert einwandfrei. Sie ist einer von 21 Standorten in der Innenstadt, wo Menschen mit ihren Smartphones und Tablet-Geräten nun für lau und zeitlich unbegrenzt im Internet surfen können.
Zu verdanken haben sie das Angebot nicht etwa dem Senat, der seit nunmehr fünf Jahren ergebnislos ein freies WLAN für alle Hauptstäder herbeiplant, sondern dem Stadtmöblierer Wall. Der hat die Hotspots in seinen Bus- und Tramwartehäuschen eingerichtet, unter anderem in der Rosenthaler und Invalidenstraße sowie am Ku’damm. Auch in Litfaßsäulen und elektronischen Stadtinfoanlagen wurden die Terminals verbaut. Dort lädt der Nutzer die kostenlose App „Wall Wifi Berlin“ auf sein Gerät – und kann lossurfen.
Bitte nichts Illegales
Insgesamt 21 Wifi-Spots betreibt die Wall AG in der Innenstadt bis August. Gratis surfen kann man in den Bus- und Tramwartehäuschen in der Rosenthaler Straße, Invalidenstraße, Friedrichstraße, Dircksenstraße, Potsdamer Straße, Budapester Straße, am Kudamm und der Tauentzienstraße. Mit Terminals wurden auch die Litfaßsäulen am Ernst-Reuter-Platz, Hardenbergplatz, Wittenbergplatz sowie am Kudamm ausgestattet. Die elektronischen Stadtinfoanlagen am Marlene-Dietrich-Platz und in der Tauentzienstraße beherbergen zusätzliche Terminals. Die Reichweite der Spots soll bis zu 100 Meter betragen. (xla)
Allerdings nicht grenzenlos. Wall hat sogenannte Portsperren eingebaut. Damit soll illegales Filesharing vermieden werden. „Schließlich haftet unser Unternehmen für das, was die Nutzer da im Netz veranstalten“, sagt eine Sprecherin. Das Angebot von Wall läuft erst mal bis August. „Wir müssen abwarten, wie das System ankommt“, erklärt Wall-Vorstandschef Daniel Wall. Sein Unternehmen wolle Berlinern und Touristen einen flexiblen Internetzugang ermöglichen. Es fühle sich dem Ziel des Landes verpflichtet, ein freies Internet für die Bürger einzurichten – und prescht damit am Senat vorbei.
Zwar hatte bereits die rot-rote Regierung Vernetzungspläne gehegt. Sie wollte Laternenpfähle und Ampeln als WLAN-Sendemasten nutzen. Dieser Vorstoß scheiterte allerdings an der Verwaltung für Stadtentwicklung unter Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Die Sendemasten würden die Lampen verschandeln und die Ampelfunktionen stören, lauteten damals die Argumente. Das Konzept der Initiative Freifunk, private WLAN-Netze zu nutzen, wurde verworfen.
Der Plan vom freien Internet erlebte sein Comeback im Koalitionsvertrag von Rot-Schwarz. Derzeit tritt das Land in einem Interessenbekundungsverfahren an Privatunternehmen heran, die WLAN an zentralen Punkten der Stadt bereitstellen sollen. Senatskanzleichef Björn Böhning hofft auf entsprechende Angebote bis zum Herbst. Kritiker wie die Freifunker bezeichnen das partielle WLAN als „absurde Rosinenpickerei“ und sprechen sich dafür aus, die Bürger mit ihren privaten Routern in die Planungen miteinzubinden.
Doch auch im Wall-Wifi läuft noch nicht alles rund. An der Bushaltestelle Potsdamer Platz steht ein junger Mann im Herzen des Hotspots und tippt angestrengt auf seinem Smartphone herum. „Leider ist das Verbinden und Anmelden zum freien Wall WLAN momentan nicht möglich“, lautet die Fehlermeldung, die er bekommt. Der junge Mann packt sein Telefon in die Jackentasche. Er verweilt noch ein Weilchen in einer Realität ohne Jogi-Löw-Videoquiz und Regenandrohung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid