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Internet-Stiftung ohne FrauenMännerfestspiele, immer noch

Eine neue Stiftung will die deutsche Internetwirtschaft fördern. Im Beirat sitzt viel Prominenz – nur keine weibliche.

Im Bereich Informationstechnik sind Frauen oft allein unter Männern Foto: ap

Berlin taz | Sie will Asien und Amerika den Kampf ansagen: Die gerade in Berlin gegründete Stiftung Internet Economy Foundation (IEF) will die deutsche Internetwirtschaft pushen, um das Feld nicht einzig den asiatischen und amerikanischen Hightech-Freaks zu überlassen. So soll die IEF beispielsweise herausfinden, wie die Internetwirtschaft hierzulande besser finanziell ausgestattet werden kann.

Ein großes Ziel. Um das zu erreichen, ist der Stiftungsrat der IEF hochkarätig besetzt. Da ist zum Beispiel Robert Gentz, Mitgründer von Zalando, einem der weltweit größten Online-Händler. Und Ralph Dommermuth, der den Internetdienstanbieter 1&1 gegründet hat. Oliver Samwer von Rocket Internet ist mit von der Partie, zu seinem Unternehmen gehört Zalando. Dabei ist auch René Obermann, der mal Vorstand bei der Telekom war. Selbst der CDU-Politiker Friedbert Pflüger mischt mit.

Acht Männer. Acht Experten. Und keine einzige Frau. Wie kann das sein in Zeiten, in denen die Gleichstellung von Frauen und Männern an der Tagesordnung ist? Und in einem Land, das seit über einem Jahr ein Quotengesetz hat?

„Ich bedauere es selbst, dass wir im Stiftungsrat keine Frau haben“, sagt Clark Parsons, Geschäftsführer der IEF und Unternehmensberater. Hat die Stiftung Frauen erst gar nicht auf dem Schirm gehabt? Schlichtweg vergessen?

„Ein Unternehmen ohne Frauen an der Spitze ist nicht mehr zeitgemäß“, findet Cathleen Berger, Internetexpertin im Londoner Internetunternehmen Global Partners Digital: „Auch nicht im IT-Bereich.“

Frauen kommen im IT-Kosmos oft nicht vor

Frauen sind im Internet genauso unterwegs wie Männer. Sie kaufen Bücher, Jeans und Zugtickets, generieren Wissen und sind in sozialen Netzwerken aktiv. Sie bloggen, so wie die Politikwissenschaftlerin, Übersetzerin und Journalistin Antje Schrupp. So wie die Politologin und Extremismusforscherin Anne Roth. So wie die Kulturwissenschaftlerin und Journalistin Mercedes Bunz. So wie Anne Wizorek, die mit dem Hashtag #aufschrei eine neue Sexismusdebatte entfacht hat. So wie die Designforscherin und Professorin Gesche Joost, die als sogenannte Internetbotschafterin den digitalen Wandel in Deutschland vorantreiben soll – dazu hat sie die Bundesregierung ernannt. Im Bundestagswahlkampf 2013 war sie im SPD-Team Expertin für Netzpolitik. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Trotzdem sind Start-ups, Firmen mit einer innovativen Geschäftsidee, die schnell wachsen wollen, nach wie vor „Männerfestspiele“, sagt eine IT-Spezialistin, die in einem Berliner Start-up arbeitet. Sie will anonym bleiben, weil sie Nachteile in ihrer Firma fürchtet, wenn sie offen redet. Die Männer kämen gar nicht auf die Idee, nach Frauen zu schauen, sondern werben in ihrer eigenen Klientel den Nachwuchs an, sagt sie. Oder um es zugespitzt zu formulieren: Frauen kommen in ihrem Kosmos nicht vor.

Wir hoffen, dass auch Frauen mitmachen wollen

Clark Parsons, IEF

Und so ist die IT-Wirtschaft global und in Deutschland männlich dominiert. Einer Statistik des Digitalverbandes zufolge beträgt der Frauenanteil in der deutschen IT-Branche rund 15 Prozent.

Seilschaften und Familienplanung – triftige Gründe?

An Interesse von und Potenzial an Frauen mangelt es in dem Metier indes nicht, weiß Berger: „Die Zahl der talentierten, intelligenten, engagierten und überaus interessierten Frauen wächst.“ Die Diskrepanz zwischen weiblicher und männlicher Mitarbeiterzahl sei in der IT- und Start-up-Szene allerdings so immens, weil Investitionen und Unternehmungen mit „hoher Risikobereitschaft, Wagniskapital und keinerlei Jobsicherheit einhergehen“, sagt Berger.

Bei der Jobvergabe fiele die Wahl dann in der Regel auf jene Männer, die von ihren Bekannten empfohlen wurden. „Die männlichen Netzwerke funktionieren an dieser Stelle gut“, sagt Berger. Zudem würden die meisten Start-ups in einer Zeit gegründet, in der Paare eine Familie gründen wollten. Das sei vor allem für die Frauen schwierig, hat Berger erfahren: „Das Bild der ‚Karrierefrau‘, die alles auf einmal haben will, ist nach wie vor selten positiv besetzt.“

Die IEF-Stiftung sei nicht als reiner Männerverein geplant, versichert Geschäftsführer Parsons: „Wir werden den Stiftungsrat sicherlich erweitern, und wir hoffen, dass dann auch Frauen mitmachen wollen.“

Parsons weiß, wie schwer es Mädchen und Frauen in dem Metier haben. Seine 7-jährige Tochter geht in eine sogenannte digitale Werkstatt. Dort lernt sie unter anderem, sich sicher im Internet zu bewegen. Sie ist das einzige Mädchen in der Gruppe.

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3 Kommentare

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  • Kann ich bestätigen, kenne einige Start-Ups wo das genau so usus is.

  • Auch ansonsten ist der Artikel recht inkonsistent.

    Gerade bei Startups, also Neugründungen von Unternehmen, greift ja der oft zitierte Hinweis auf eine "gläserne Decke" in den Unternehmen nicht. Kein Mann hält eine Frau davon ab, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Die Gründe für die Ungleichverteilung werden im Artikel sogar genannt: „hoher Risikobereitschaft, Wagniskapital und keinerlei Jobsicherheit".

    Frauen springen tendentiell eher nicht ins kalte Wasser, suchen Sicherheit und suchen sich einen Platz im gemachten Nest. Wenn, dann müßte man die Ungleichverteilung bei Unternehmensneugründungen daher den Frauen vorwerfen.

    Wo liegt die Schuld des Mannes, wenn die Frau nicht aktiv wird?

     

    Schmollack: "Die Jobvergabe fiele dann auf Männer, die von Bekannten empfohlen wurden". Hier legt die Autorin den Fokus auf "Männer", nicht auf die Empfehlung.

    Womöglich werden die Empfohlenen eingestellt, einfach darum, weil sie empfohlen wurden?

    Konsumentinnen, wie die Beispiele von Frau Schmollack, werden nicht weiterempfohlen, wenn es um einen anpackenden, innovativen Job geht, nicht weil sie weiblich sind.

     

    Grundsätzlich ist es auch nicht unbedingt ein Problem, wenn man auf persönliche und berufliche, also sympathische und erprobte, Netzwerke zurückgreift.

    Das machen die schreibenden feministischen Journalisten in der taz doch auch.

     

    bei aller Sympathie...

  • Der Feminismus tut sich mit solch argumentativ inkonsistenten Artikeln leider keinen Gefallen.

     

    Die Frauen, die Frau Schmollack hier vorschlägt, zeigen genau das Problem auf: Keine von ihnen ist eine Protagonistin der Internetwirtschaft, die innovative Services oder technische Lösungen entwickeln und kommerziell vertreibt, sondern sie alle sind bloße Nutzerinnen des Internets. Einen Blog zu betreiben oder seine Ansichten auf Twitter von sich zu geben, heißt nicht, das Internet technisch verstanden zu haben. Die Autorin hebt hier Feministinnen, die das Internet mit einer reinen Konsumentenmentalität angehen und benutzten, hervor.

     

    Ein Verein der sich "Internet Economy Foundation" nennt, hat, nur weil das Wort Internet drin vorkommt, nichts mit Bloggerinnen am Hut, sondern es geht um Kommerz, Geldscheffeln durch Internetfirmen.

    Im Internet "unterwegs" zu sein, wie Frau Schmollack schreibt, ist kein hinreichendes Argument, warum konsumierende Frauen nun in diesen Verein gehörend. Es erschließt sich argumentativ einfach nicht.