■ Cash & Crash: Internet-Spekulation
Nürnberg (taz) - Aktienguru und Milliardär Warren Buffett kauft „nur Aktien von Unternehmen, deren Geschäft ich verstehe“. Vom Internet-Geschäft kapiert er nichts, also investiert er nicht in eine Branche, die seit Monaten boomt. Ob America Online, Amazon.com, eBay oder Yahoo – die Börsennotierungen dieser Aktien sind explodiert. So konnte in Deutschland der Aktienfonds Nordinternet von der Fondsgesellschaft Nordinvest in den ersten drei Monaten 1999 seinen Wert um 80 Prozent steigern.
Die Internet-Unternehmen haben die unterschiedlichsten Verbindungen zum Web: reine Technologieschmieden, die Hard- und Software liefern (wie Cisco Systems oder Intershop), andere wie AOL oder Yahoo sind Service-Provider oder Portale, über die der Nutzer ins Internet gelangt. Dazu kommen die Unternehmen, die Software liefern, wie der deutsche Verschlüsselungsexperte Brokat, oder die im Internet handeln.
Am bekanntesten ist der Online-Buchhändler Amazon.com. Amazon-Chef Bezos will sein Geschäft zum weltweit größten virtuellen Kaufhaus ausbauen, warnt dennoch alle Anleger, der Besitz von Amazon-Akien sei eine riskante Sache. Damit findet er bei Vermögensverwaltern wie Jens Ehrhardt Zustimmung. Ehrhardt verglich den derzeitigen Boom von Internet-Aktien schon mit der Superspekulation um Eisenbahnaktien um 1900 und sagt: „Wenn Amazon mehr Bücher verkaufen müßte als der gesamte US-amerikanische Buchhandel, um das heutige Kursniveau zu rechtfertigen, ist das Chance-Risiko-Verhältnis für die gesamte Aktiengruppe schlecht.“
Da die traditionellen Instrumente zur Einschätzung der Aktienkurse wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei den Internet-Aktien versagen, mußten die Analysten schon auf das Verhältnis von Kurs zu Umsatz ausweichen. Denn die meisten Geschäfte verdienen heute und in den kommenden Jahren keine Mark - sie arbeiten mit Verlusten. Die Anleger spekulieren auf die Zukunft.
Spötter vergleichen dies bereits mit der Tulpen-Euphorie: Als im 16. Jahrhundertdie ersten Tulpen nach Europa importiert wurden und eine wachsende Fangemeinde fanden, explodierten die Preise. 1610 galt eine einzige seltene Tulpenzwiebel schon als passable Mitgift. Spekulanten beliehen damals Haus und Hof, aber 1637 brach der Tulpenmarkt zusammen. Horst-Peter Wikkel
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