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Internet-Aktivisten gegen AmazonDie digitale Befreiung

Langsam setzen sich die E-Books durch. Damit steigt aber auch die Überwachung des Lesers. Die Free Software Foundation protestiert dagegen und ruft zur digitalen Befreiung auf.

Buchautor Stephen King mit einem pinken Kindle-E-Book. Bild: reuters

Was es bedeutet, wenn elektronische Inhalte von knallharten Kopierschutzverfahren geschützt werden, durften Nutzer von Amazons E-Book-Lesegerät "Kindle" Mitte Juli erleben: Da löschte der Internet-Konzern kurzerhand von Kunden erworbene Bücher wieder von ihren Geräten, weil sich nachträglich herausgestellt hatte, dass deren Verkäufer die notwendigen Urheberrechte fehlten.

Zwar gab es für die Betroffenen eine Rückzahlung und Amazon-Boss Jeff Bezos versprach hoch und heilig, dass so etwas nie mehr vorkommen werde. Doch das Grundproblem bleibt. Denn die Medienkonzerne versuchen seit einigen Jahren, selbst redlich erworbene digitale Werke auch nach dem Verkauf noch zu kontrollieren und ihre Verwendung nach Belieben einzuschränken.

Die Free Software Foundation (FSF), eine Stiftung, die sich für freie Anwendungen und Inhalte im Internet einsetzt, um den reibungslosen Austausch von Wissen zu gewährleisten, hat deshalb nun eine Kampagne gestartet: "Wir glauben an die Freiheit des Lesens" ist sie überschrieben - und lockte bereits zahlreiche Netzpromis an, die jetzt mitmachen. So finden sich beispielsweise der Internet-Rechtsexperte Lawrence Lessig, der Science-Fiction-Autor Cory Doctorow und der Web 2.0-Fachmann Clay Shirky auf der Liste.

"Wir glauben an eine Lebensweise, die auf den freien Austausch von Ideen basiert, bei der Bücher eine zentrale Rolle spielen und weiterhin spielen werden. Geräte wie das von Amazon versuchen nun zu bestimmen, wie die Menschen mit Büchern interagieren können", so die Initiatoren der Aktion. Der Internet-Konzern kontrolliere und überwache mittels seines digitalen Rechtemanagements (DRM) die Nutzer. "Das ist eine klare Bedrohung." Was immer Amazon als Gründe für dieses Verhalten angebe, sie seien niemals wichtiger als das Bedürfnis der Öffentlichkeit, Bücher ohne Störung und Aufsicht durch Dritte zu verwenden.

Die FSF-Kampagne kommt zu einem Zeitpunkt, an dem elektronische Bücher in den USA einen Aufschwung erleben. So hat Amazon mindestens 500.000 Stück seines Kindle verkauft, die jeweils neueste Version ist regelmäßig ausverkauft. Von Bestsellern werden inzwischen erstmals signifikante Stückzahlen auch als elektronische Edition abgesetzt.

In Europa bemüht sich unter anderem der Elektronikkonzern Sony um Marktanteile, Amazon strebt hier ebenfalls demnächst einen Markteintritt an. Für die Verlage sind E-Books durchaus praktisch: Sie sparen Druck- und Vertriebskosten für Print-Werke, müssen ihre Werke nur noch per Internet auf die Lesegeräte beamen lassen. Die sich dabei radikal verändernden Geschäftsmodelle sind jedoch längst noch nicht ausgefeilt.

Die FSF forderte Amazon auf, Kopierschutzmaßnahmen vollständig aufzugeben und auch die Kontrolle des Zugriffes auf die Bibliothek seiner Kunden abzustellen. Dass das tatsächlich geschieht, ist allerdings unwahrscheinlich. Amazon ist nicht der einzige Verwender von DRM-Verfahren bei E-Books. Auch alle anderen Anbieter setzen die Technik ein, weil die Medienkonzerne sich vor einer starken Verbreitung von Raubkopien fürchten.

Der Kopierschutz schränkt die Nutzung zum Teil deutlich ein - so kann der Verkäufer beispielsweise bestimmen, auf wie vielen Geräten ein Buch genutzt werden darf und ob ein Nutzer Zitate kopieren oder Anmerkungen eintragen kann. Selbst das Vorlesen mit elektronischer Stimme, eine Funktion, die die jüngsten Kindle-Generationen beherrschen, ist nur dann erlaubt, wenn ein Verlag das auch offiziell zulässt - und nicht zum Beispiel seine eigenen Hörbücher für teure Zusatzgebühren verkaufen möchte.

Die FSF-Kampagne für die Freiheit des Lesens erinnert an eine ähnliche Aktion der Netzbürgerrechtsvereinigung Electronic Frontier Foundation (EFF) gegen Datenschutzprobleme bei Googles Online-Bibliothek.

Google Books speichert den Aktivisten zufolge Zugriffe auf einzelne Seiten genauso mit wie das Suchen in Buchtiteln. Das sei so ähnlich, als würde einem beim Lesen stets jemand über die Schulter sehen. Google gab an, man werde seine Speichermaßnahmen bald ändern, Google Books sei derzeit noch in einer frühen Phase.

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10 Kommentare

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  • Meiner Meinung nach, kann man vor Amazon, Facebook und Google gar nicht genug warnen.

    Das Internet ist voll von Kunden-Beschwerden gegenüber Amazon. Amazon sperrt gerne Konten, aus teilweise nicht nachvollziehbaren Gründen. Ist so ein Konto gesperrt, ist die Kindelbücherrei verloren. Die Kommunikation bei Amazon ist sehr einseitig. Amazon diskutiert nicht und die Chance auf die Rückgabe der Kindelbücherreich sehr klein. Leider ist Europa total unterwürfig, was die Geschäftsgebarden von Amazon oder anderen Internetriesen betrifft. Viele glauben einfach auch, wenn Amazon ein Konto sperrt, hat das einen trifftigen Grund. Aber leider ist das weit gefehlt. Amazon ist technisch so hochgerüstet, dass sie zum Bsp wissen, mit welchem Computer man sich in welches Netz und Einwahlknotenpunkt einloggt. Ein gebrauchter Computer mit einem Amazon Cookie für ein gesperrtes Konto kann schon zum Verlust des Kontos führen, oder ein Nachbar der das gleiche Hausnetzt benutzt und sein Konto bei Amazon verloren hat. Auch eine Gesperrte Kreditkarte führt zum Verlust des Kontos. Dann ist nicht nur ein Buch weg - nein alle Kindelbücher die man in der Vergangenheit gekauft hat.

  • DD
    der Don

    Jetzt sieht man die Nachteile von dem System, aber nicht nur die Möglichkeit des löschens ist ein immenser Nachteil, sondern viel mehr die Möglichkeit die Bücher ohne Wissen der Benutzer durch veränderte Bücher zu ersetzen.

    Man stelle sich vor, in 10 Jahren hat keiner mehr originale und nur noch solche E-Reader. Geschichtsbücher, Lexika, etc. gibt es nur noch in digitaler Form. Da kann der Hersteller doch jederzeit kommen und bestimmte Fakten in den Büchern einfach ändern und kaum einer würde es merken! Und nach Jahrzenten würde es niemand mehr merken. Toll oder?

    Klingt nach Orwell, ist es auch.

  • Z
    Zensurgegner

    Mal abwarten, bis sich die E-Books stärker durchgesetzt haben. Dann kommen bestimmt Begehrlichkeiten aus der Regierung ("Der E-Book-Reader darf kein rechtsfreier Raum sein! Amazon muss alle Käufe eines jeden Nutzers für mindestens 50 Jahre speichern!"*). DRM ist daher kein "Rechtemanagement", sondern eher ein vorbereitender weiterer Schritt in Richtung völliger Überwachung jedes Menschen.

     

    *Ironie. Oder vielleicht doch nicht.

  • MH
    MIchael Hafner

    Das Nutzungserlebnis ist fragwuerdig, und so lang Rechtefragen auch nicht restlos geklaert sind, heissts fuer mich eher finger weg...

  • AB
    Arne Babenhauserheide

    Erstmal finde ich es toll, dass die Taz darüber berichtet!

     

    Nach den Erfahrungen mit dem iPod ("Wie, ich darf nicht an die Lieder, um nach dem Plattencrash meine Musik wiederzubekommen?") und jetzt dem Kindle sehe ich als einzige sichere Lösung nur Geräte, die komplett auf freier Software aufbauen, zusammen mit offenen Datenformaten ohne jegliche Art von DRM.

     

    Die Erfahrung mit Tauschbörsen zeigt deutlich, dass die Leute selbst dann kaufen, wenn sie das gleiche auch auf anderen Wegen erhalten können. Es sei denn derjenige, dem sie gerne Geld geben würden, bezeichnet sie als Verbrecher und versucht sie zu aufzuspüren und zu verklagen.

     

    Sobald es eine einfache Möglichkeit gibt, Kontrolle über andere zu gewinnen, wird sie genutzt werden. Das gilt für den nächsten Ebook-Reader genauso wie für Internetzensur und 1€ Jobs.

  • V
    vic

    Nein Danke, ich bevorzuge reale Bücher.

    Was kommt noch? E-Food, E-Sex, E-Life complete?

    Und alles flat, versteht sich.

  • S
    Steffi

    An Manuel:

     

    Ja und ja.

  • E
    E-Bookleser

    Wer E-Books DRM-Frei auf dem Handy lesen will, dem sei die hervorragende Gratissoftware Tequila-Cat Bookreader empfohlen. Damit kann mensch auf den meisten gängigen Handytypen Bücher lesen, ohne Kindle und ohne DRM. Geht auf jedem Java-Handy (und das ist fast jedes).

    PDF besorgen, mittels Ghostsript und GSView unter Win oder pdf2text unter Linux in .txt umwandeln, dann mit TequilaCat ein Java-Book daraus machen und aufs Handy schicken. Nach ca einer Stunde hat man sich an das Format gewöhnt und der Mobile Lesespass kann losgehen. Und man kann auf halbwegs modernen Handies um die 500 Bücher mit sich rumtragen. Kindle? Amazon? Wofür?

  • S
    Sylke

    Der Vorteil eines gedruckten Buches ist nicht nur, dass ich keine zusätzlichen Geräte brauche um es zu lesen (abgesehen von evtl. einer Brille). Jetzt kristallisiert sich noch ein weiterer raus: ein gedrucktes Buch, was sich physisch in meinem Bücherregal befindet kann mir keiner mehr wegnehmen, bei e-Books geht das schon (haben wir ja grad bei amazon gesehen).

    Schöne Bildbände und Bücher mit farbigen Grafiken o.ä. kann man auf so einem Ding eh nicht anschauen. Und wenn ich mal versehentlich Kaffee drüber ausschütten sollte, ist meine ganze bibliothek hinüber und nicht nur das eine Buch.

  • M
    Manuel

    Kommt mir alles bekannt vor.

    Das haben wir doch mit Musik schon erlebt: Erst werden strenge DRM-Massnahmen erzwungen, dann aergern sich die Kunden, weil sie nicht wie bisher mit dem Medium umgehen duerfen (kann ich in Zukunft meine Buecher noch meine Freunde ausleihen oder schenken, geschweige von verkaufen?) oider es einfach nicht funktioniert, dann lenkt die Musikindustrie (bzw. dann die Verlage) ein und kehrt auf DRM-Freiheit zurueck (jetzt vertreiben fast alle DRM-freie MP3s - allerdings teilweise mit Wasserzeichen).

     

    Lernen die denn nichts? Oder ist es alles Strategie, nach dem Motto, erst soviel wie moeglich kassieren, dann sehen wir schon?