: Internationale Verträge, wertlose Unterschriften
■ Die Menschenrechtssituation in China
Zahlreiche internationale Konventionen über die Menschenrechte sind von der Volksrepublik China seit der Verkündung der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ im Jahre 1948 unterschrieben und ratifiziert worden:
– Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords;
– Konvention zur Beseitigung jeglicher Form der Rassendiskriminierung;
– Konvention über Verbot und Bestrafung von Apartheid;
– Konvention über die Beseitigung aller Formen der Diskriminierung der Frau;
– Konvention zum Schutz des Kindes;
– Konvention für das Recht auf Entwicklung.
Daß diese Konventionen letztlich nur Absichtserklärungen bedeuten, beweist das Beispiel des 1949/50 militärisch besetzten Tibet. Nahezu alle Konventionen wurden auf das sträflichste verletzt.
Mit dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 fand eine Phase relativer Liberalisierung seit 1978 ihr Ende. Tausende politische Gefangene landeten wieder in Gefängnissen und Arbeitslagern. 1992 wußte Amnesty International von über tausend Hinrichtungen, bei denen die Leichname oft für Organspenden genutzt wurden.
Human Rights Watch verkündete im Februar 1994, daß 1993 ein Höhepunkt bei der Zahl der politischen Gefangenen und Prozesse erreicht wurde. Im Vorfeld der amerikanischen Entscheidung über die Verlängerung der Meistbegünstigungsklausel verhaftete die Chinesische Regierung demonstrativ vor den Augen der Weltöffentlichkeit Regimekritiker. Auch Hamburgs Partnerstadt Shanghai macht da keine Ausnahme. Am 23. Dezember 1993 wurden YAO Kaiwen und GAO Xiaoliang, Leiter der chinesischen Sektion der FDC, in Shanghai zu zehn und neun Jahren Haft verurteilt.
Kritiker dieser Politik werden als „Imperialisten und Bourgoisie“ bezeichnet, die „die Unterdrückung von Konterrevolutionären“ als „Verletzung der Menschenrechte“ bezeichnen. Mit der stereotypen Formel des Verbotes einer Einmischung in die innerchinesischen Belange sollen Kritiker abgewehrt werden.
Dabei ist unbestreitbar, daß die universelle Menschenrechtsidee heute eine starke Ausstrahlungskraft hat, der sich kein Land mehr entziehen kann. Die großen Probleme der Menschheit wie politische Unfreiheit, ethnische Konflikte, Armutswanderungen, Umweltkatastrophen, Unterentwicklungen führen aber zu unterschiedlichen Beurteilungen der Menschenrechtsfrage. Die VR China räumt den unveräußerlichen Menschenrechten nur in den grundlegenden Existenzbedingungen Priorität ein.
Die individuellen Rechte, so wie sie von den Industriestaaten in den Mittelpunkt der Menschenrechtsideen gestellt werden, stehen in einem offenbaren Gegensatz zu den von China und einer Reihe weiterer Entwicklungsländer hervorgehobenen sozialen Rechte. Dabei kann allerdings kein Zweifel mehr bestehen, daß individuelle Freiheit ohne soziale Sicherheit nicht möglich ist. In einer immer kleiner werdenden Welt mit immer größeren Abhängigkeiten dürfen individuelle Rechte deshalb auch nicht mehr gegen soziale Rechte ausgespielt werden. Auf der Weltmenschenrechtskonferenz in Wien im vergangenen Jahr sind die Chinesen dieser Versuchung leider erlegen.
Helmut Steckel
Mitarbeiter bei amnesty international und Tibet Initiative Deutschland, Hrsg. der Bücher „China im Widerspruch. Mit Konfuzius ins 21. Jahrhundert“ und „Tibet – eine Kolonie Chinas. Ein buddhistisches Land sucht Befreiung“
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