■ Internationale Schiebereien mit Giftmüll aus Deutschland: Marktversagen beim Müll
Die Alarmglocken schrillen: Innerhalb weniger Tage taucht Giftmüll aus Deutschland im Libanon, in Ungarn und in Rußland auf. Die Abfälle müssen sofort dorthin zurückkehren, wo sie herkommen. Die Voraussetzungen dafür sind in den vergangenen Jahren deutlich besser geworden – dank eines internationalen Vertrags. Die Basler Konvention hat die deutsche Regierung dazu genötigt, der Industrie Vorschriften zu machen. Bei den Verhandlungen 1994 in Genf war der internationale Widerstand gegen den Giftmüllhandel so massiv geworden, daß die Bonner Vertreter schließlich klein beigeben mußten.
So gibt es hierzulande seit kurzem einen millionenschweren Fonds, den die deutschen Entsorgungsfirmen füttern müssen. Er zahlt, wenn ein deutscher Müllexporteur nicht mehr auffindbar oder pleite ist. Zwar kann es sein, daß die Abfallwirtschaft im Fall des neuesten Müllfunds in Ungarn ausnahmsweise ohne Kostenübernahme davonkommt, weil das Verfallsdatum der Chemikalien erst vor kurzem überschritten wurde. Aber in den anderen beiden Fällen ist klar, daß entweder der Verursacher oder die Gemeinschaftskasse für den Rücktransport aufkommen muß.
Doch die Basler Konvention bewirkte noch mehr Positives: Nicht nur der legale Müllexport aus Deutschland ist extrem zurückgegangen. Nach übereinstimmender Einschätzung von Zoll, dem Bundesumweltministerium und Greenpeace hat sich auch der illegale Handel drastisch reduziert. Die drei aktuellen Fälle sind traurige Ausnahmen. Doch insgesamt zeigt sich, daß die staatlichen Restriktionen effektiv sind.
Doch es entspricht nicht den Gewohnheiten in Bonn, der Industrie Vorschriften zu machen. Wenn es keinen internationalen Druck gibt, setzt die deutsche Regierung lieber auf die Selbstverwaltung der Wirtschaft. Das soeben verabschiedete Kreislaufwirtschaftsgesetz ist das jüngste Beispiel dafür: Die Entsorgungswirtschaft soll sich weitgehend selbst kontrollieren. Der Markt wird's schon regeln, und die effizientesten Anbieter werden übrigbleiben, heißt es. Schlecht nur, wenn es sich um einen Markt mit ungeliebten Gütern handelt, für deren Entfernung gezahlt werden muß. Da achten die Kunden nämlich fast nur auf den Preis. Mangelnde Qualität wirkt sich nicht auf die eigenen Produkte aus. Wetten, daß sich bald die Meldungen über unsachgemäße Müllbehandlung in Deutschland häufen? Annette Jensen
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