Interkultur-Zuständige am Bremer Theater: „Ich bin keine Kontrolleurin“
Ferdaouss Adda ist Referentin für interkulturelle Öffnung am Theater Bremen. Der taz erklärt sie, wozu eine solche Stelle gut ist.
taz: Frau Adda, sind Sie die Polizistin für politisch korrektes Theater auf Bremer Bühnen?
Ferdaouss Adda: Nein, ganz sicher nicht. Aber tatsächlich sind mir solche Befürchtungen zu Beginn meiner Arbeit hier begegnet. Die sind tatsächlich geäußert worden.
Als Kantinentratsch?
Nein, nein, direkt face to face. Und das kam auch nicht von der Allgemeinheit, sondern von einzelnen Mitarbeitenden. Ich führe das auf eine Unsicherheit zurück. Die Frage war dabei weniger, was ist das für eine Person, die von außen dazu kommt, sondern mehr, was hat sie vor, was ist das überhaupt für eine Stelle. Die war ja neu …
Sie haben laut Homepage des Theaters Bremen die Stelle einer „Referentin für interkulturelle Öffnung“ inne.
41, stammt aus Offenbach, Hessen, und ist Referentin für interkulturelle Öffnung am Theater Bremen. Promoviert wurde die Ethnologin mit einer Arbeit über mündliche Literatur im urbanen Raum Marokkos an der Uni Marburg. Von 2014 bis 2018 war sie die Koordinatorin für Integration und Sprachförderung bei der Hamburger Handwerkskammer.
Ja.
Und – was ist das für eine Stelle?
Der Rahmen ist vom Bundesprogramm 360° vorgegeben: Fokussiert werden die Ebenen des Personals – also Rekrutierungswege und Zusammensetzung –, des Programms und des Publikums einer Institution. Das Theater hat sich selbst für diese Bereiche Ziele gesetzt, um sich interkulturell zu öffnen. Und ich bin dafür da, das umzusetzen.
Aber nicht, indem Sie bei den Proben hospitieren?
Doch, auch. Und manchmal fällt mir dabei auch etwas auf, das problematisch ist – über das wir uns dann unterhalten, ob es nicht bessere Lösungen gibt. Das finde ich fruchtbar: Man merkt, dass im Tun Veränderung möglich ist. Ich werde auch immer häufiger hinzugezogen bei Proben: Ich bin jetzt seit drei Jahren am Haus. Die Unsicherheit vom Anfang ist geschwunden.
Weil Sie eben nicht die Kontrolleurin sind?
Genau. Ich bin keine Kontrolleurin. Das ist wichtig. Ich bin da. Und man kann auf mich zugreifen, als Outside Eye, auf meine Expertise. Nicht, weil ich alle Antworten hätte. Sondern eher, um Impulse reinzugeben.
Was für Ziele hat sich das Theater genau gesetzt?
Also, beim Personal ging es um Schulungen im Hinblick auf Interkulturalität: Dabei geht es um Antidiskriminierung. Gerade für Personalrekrutierung ist es ja wichtig, sich zu fragen: Welches Bewusstsein haben wir hier, wie sind wir zusammengesetzt und warum stellen wir bevorzugt Menschen ein, die uns ähneln? Es geht um Sensibilisierung.
Warum brauchen Theater das?
Weil sie Teil der Gesellschaft sind, einer sehr diversen Gesellschaft – ohne das zu spiegeln. Das fragen sich die Theater ja selbst: Inwiefern bilden wir einen Querschnitt dieser diversen Gesellschaft bei uns im Hause ab, und wo ist der Nachholbedarf?
Haben denn Theater da Nachholbedarf?
Ganz eindeutig: Ja! Und nicht nur die Theater übrigens.
Und das ändern Sie?
Das Bundesprogramm „360° – Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft“ (www.360-fonds.de) soll dazu beitragen, einerseits die gewachsene Diversität der Gesellschaft in kulturellen Institutionen sichtbar und erfahrbar zu machen und andererseits deren Publikum zu diversifizieren.
Insgesamt 39 Modellprojekte werden mit maximal 360.000 Euro bezuschusst, die gleiche Summe müssen jeweils die Träger einbringen.
In Norddeutschland beteiligt sind neben Bremen (Theater Bremen, Kunsthalle, Focke-Museum, Stadtbibliothek), Hamburg (Bücherhallen, Thalia-Theater, Altonaer Museum, Museum am Rothenbaum), auch das Landesmuseum Natur und Mensch in Oldenburg, das Niedersächsische Staatstheater Hannover, das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin sowie die Stadtbibliothek Wismar.
Wir sind jetzt endlich so weit, dass das als Faktor gesehen wird. Der Versuch ist da.
Es ist nicht der erste. Orson Welles hat in den 1930er-Jahren komplett mit Schwarzen Schauspieler*innen besetzt. Aktuell glaubt man sich am Broadway weit vorn, weil man das Gleiche mit „Romeo und Julia“ macht.
Es stimmt, es hat immer wieder Versuche gegeben, die als Schritte zu einer Diversifizierung gesehen werden können. Aber das waren sehr punktuelle Veranstaltungen: Es geht nicht darum, einen Cast Schwarz zu besetzen. Das ist nicht nachhaltig. Es geht um eine Langfristigkeit und um eine gewisse Breite.
Also es geht darum, ein vielfältiges Ensemble zu haben und die Rollenklischees zu brechen?
Ja, aber eben nicht nur. Es geht auch um die Frage: Von wem sind die Sachen, die zur Aufführung kommen? Was wird gespielt – und was nicht?
Sprich: Es geht um Repräsentation?
Das geht tiefer: Es geht um Anerkennung. Was wird als kulturell wertvoll anerkannt, was lässt man überhaupt gelten. Da fehlt diese Breite.
Ist die auch der Schlüssel, um ein diverseres Publikum anzusprechen?
Ein Schlüssel. Aber wichtiger ist vielleicht die Bewegung nach draußen, die das Theater gerade jetzt vollzogen hat: Dieser Ansatz der Öffnung, das Innere nach außen zu kehren, dort etwas auf dem Platz aufzuführen oder auch Proben durchzuführen, das macht das Theater nahbarer.
Ist das schon ein messbarer Erfolg? Werden dadurch Menschen in die Höhle des Stadttheaters gelockt, die sich das vorher nicht getraut hätten?
Das lässt sich noch nicht sagen. Das braucht viel mehr Zeit. Es geht darum, Beziehungen aufzubauen.
Wie geht das?
Da kommt mir mein Studium zugute: Wenn ich als Ethnologin Feldforschung betreibe, dann muss ich mich auf die Leute einlassen, dann muss ich ihr Leben mitleben. Das muss Theater ähnlich machen: Es muss an die Orte gehen, wo Menschen leben, die bisher nicht ins Theater kommen – nicht, weil sie es uninteressant fänden, sondern, weil sie es nicht kennen, weil sie sich nicht dorthin trauen, weil sie überhaupt nicht in Kontakt mit Theater waren. Da geht es darum zuzuhören, Vertrauen herzustellen – und einzuladen ins Theater. Es geht darum, zu vermitteln: Das ist auch euer Ort.
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