Interimspräsident beim DFB: Der unterschätzte Überzeugungstäter
Rainer Koch führt zusammen mit Reinhard Rauball den Deutschen Fußball-Bund ad interim. Der Jurist hofft auf die Niersbach-Nachfolge.
Tatsächlich ist der neue Interimspräsident, der im Gespann mit Reinhard Rauball dem schwer ins Schlingern geratenen größten Sportverband des Landes vorsteht, einer jener Entscheider in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise, die nicht allein in der Parallelwelt des Fußballs, sondern auch im normalen Berufsleben funktionieren.
Im Gegensatz zum Mitstreiter Rauball ist sein Name dem gemeinen Fußballvolk allerdings nicht auf Anhieb ein Begriff. Aber wann kann ein Vizepräsident, der zuständig für Rechts- und Satzungsfragen sowie den Amateurfußball ist, seine Sicht der Dinge schon in einem ARD-„Brennpunkt“ nach der „Tagesschau“ vortragen? Nur dann, wenn ziemlich viel Chaos im DFB herrscht.
Der gebürtige Kieler hat gleich mal klare Kante gezeigt und öffentlich gemacht, dass die Vergabe der WM 2006 neu bewertet werden müsse. Und dass die Umstände endlich aufgeklärt gehörten, unter denen das Sommermärchen ins Land gekommen ist. „Höchste Zeit“, dass auch Franz Beckenbauer Stellung beziehe. Da sprach ein promovierter Jurist, dem Recht und Ordnung über Namen und Ansehen gehen.
Erklärer statt Unterhalter
Kochs Botschaften: „Ich habe Interesse daran, gemeinsam mit Reinhard Rauball die Dinge geordnet zu regeln. Ich habe Interesse daran, dass der DFB weiter reibungslos funktioniert.“ Doch ziemlich sicher ist auch: Im Gegensatz zu Rauball hat er auch Interesse an der Niersbach-Nachfolge. Qua Amt gilt der lange unterschätzte Überzeugungstäter als Mann der Basis.
Nur: Ist so einer auch dem schillernden Showgeschäft Profifußball vermittelbar? Ist es vorstellbar, dass er bei einem Rückflug von der Nationalmannschaft übers Bordmikro vor Bastian Schweinsteiger und Manuel Neuer eine launige Rede hält, wie der Vorgänger das zu tun pflegte?
Solche repräsentativen Aufgaben sind erst mal bei Rauball gut aufgehoben. Vorerst muss Koch das tun, was er einst als langjähriger Vorsitzender des DFB-Sportgerichts im Hoyzer-Skandal tat: den unnachgiebigen Auf- und Erklärer spielen. 2007 zog er deshalb ins Präsidium ein, doch vier Jahre später kam es zum Bruch mit Niersbach-Intimfeind Theo Zwanziger.
Schuld war die Affäre um Manfred Amerell und Robert Kempter, in der sich Koch mit seinem Zuständigkeitsbereich fürs Schiedsrichterwesen übergangen fühlte. Das traf ihn bis ins Mark, weil er bereits als Jugendlicher zur Pfeife gegriffen und später bis zur Bayernliga als Referee fungiert hatte. Der Streit mit Zwanziger eskalierte – Koch gab den Schiedsrichterbereich ab und war im DFB nur noch für Prävention, Integration, Freizeit- und Breitensport zuständig. Erst Niersbach machte die Entmachtung kurz darauf wieder rückgängig.
Viel Energie für viele Ämter
Koch gewann dann weitere Machtbefugnisse hinzu, als er vor vier Jahren den Vorsitz des Süddeutschen Fußballverbands übernahm – Präsident des Bayrischen Fußballverbands war er bereits seit 2004. Dass Bayern im Zuge der Strukturreform unterhalb der Dritten Liga eine eigene Regionalliga erhielt, war seine Idee. Das brachte ihm auch Kritik ein.
Den Zorn etlicher Vereine und Zeitungsverlage zog er sich in dem Konflikt mit den „Hartplatzhelden“ zu, die bis in einen Musterprozess mündeten. Auf dem Internetportal werden Videos und Filme von Amateurspielen eingestellt. Koch vertrat die Ansicht, dass so etwas ausschließlich über den DFB und die Landesverbände vermarktet werden dürfe. Es ging ums liebe Geld. Und dafür kämpfte er erbittert.
Mancher hat sich schon oft gefragt, wo dieser Mann für seine vielen Aufgaben und Ämter die ganze Energie hernimmt. Als weitere Beschäftigung, ganz nebenbei, vertritt er im Gemeinderat seines oberbayrischen Wohnorts Poing noch die SPD. „Ein Koch für alle, und es schmeckt“, hat der Münchner Merkur mal über den rastlosen Juristen geurteilt. Es könnte der Slogan sein für die Wahl zum alleinigen DFB-Präsidenten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich