Integrationsprojekt für junge Geflüchtete: Rein in den Tempelhofer Kiez
Im Talentcampus bietet das Jugendzentrum TIK Deutschunterricht an und will vor allem eines: jugendliche Flüchtlinge aus den Heimen holen.
„Ich bin neu in diesem Land und weiß nicht, was mit meinen Wünschen geschieht.“ Der 15-jährige Anas aus Syrien steht auf der kleinen Bühne des Tempelhofer Jugendzentrums TIK, als er sein Gedicht vorträgt. Er hat es auf Deutsch geschrieben, eine Sprache, die er erst vor wenigen Wochen begonnen hat zu lernen. Hier in dem Zentrum besucht er seit sechs Wochen den Deutschunterricht, der im Rahmen des Projekts „Talentcampus“ angeboten wird. Vormittags Unterricht, nachmittags Workshops in Kunst, Musik und Theater, so lautet das Konzept.
Am Wochenende lud TIK zum Abschlussabend der ersten Runde des Talentcampus für unbegleitete jugendliche Flüchtlinge ein. Seit Anfang März kamen täglich über 30 Jugendliche, die in einer der Berliner Flüchtlingsunterkünfte untergebracht sind, in die Tempelhofer Friedrich-Franz-Straße.
Mujeeb war vom ersten Tag an dabei. Der 17-Jährige kam vor vier Monaten aus Afghanistan nach Deutschland. Im Talentcampus besuchte er täglich den Deutschunterricht. Nachmittags stand er auf der TIK-Theaterbühne, probte Lieder von Reinhard Mey und lernte dabei auch so Wörter wie „Luftaufsichtsbaracke“. „Das Deutsch, das ich kann“, sagt er, „habe ich hier gelernt. Wir sind wie eine Familie.“
Das Jugendzentrum will junge Geflüchtete aus den Unterkünften in den Kiez holen – mit dem Talentcampus-Konzept des Deutschen Volkshochschulverbandes wird das umgesetzt. Finanziert wird es aus Bundesmitteln des Topfs „Kultur macht stark“.
Warten auf den Schulplatz
Durch das regelmäßige Angebot kennt man sich gut beim Campus, es fällt auf, wenn jemand mal nicht gekommen ist. Das kann erfreuliche Gründe haben, wenn zum Beispiel ein Jugendlicher die ersehnte Zusage für einen Platz in einer Schule erhalten hat.
Bis dahin gehen alle in den TIK-Deutschkurs. Während sich eine Gruppe erst noch mit dem lateinischen Alphabet vertraut macht, besuchen die anderen schon die Anfänger- und Fortgeschrittenenklassen. Harald Weydt, ein emeritierter Sprachwissenschaftler, leitet die Kurse: „Integration geht nur über das Lernen der Sprache. Die Jugendlichen sind jetzt hier und brauchen eine Chance.“
Die TeilnehmerInnen kommen aus Syrien, Afghanistan, dem Libanon und Nigeria. Die Verständigung kann da schon mal schwierig werden. Zusätzlich zu den LehrerInnen, KöchInnen und OrganisatorInnen gibt es deshalb auch ÜbersetzerInnen für Arabisch, Farsi und Dari. Freiwillige und Honorarkräfte bieten nach dem Deutschunterricht das Nachmittagsangebot mit den Workshops an.
Geleistet wird das von etwa 90 Ehrenamtlichen, koordiniert von zwei Halbtags-Angestellten. „Hätten wir mehr Räume, könnten wir die Projekte noch viel breiter aufstellen“, sagt Nadja A., die das Projekt im Jugendzentrum mit koordiniert. Ende April geht der Campus in die nächste Runde. Die Jugendlichen fiebern schon darauf hin.
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