Integrationsgipfel: Auch ohne Türken volle Hütte

Andere Migranten teilen die Kritik der türkischen Verbände am neuen Zuwanderungsgesetz, finden den Boykott aber falsch.

Der Karneval der Kulturen wird nicht nur von Türken bestritten. Im Gegenteil. Bild: dpa

Hat der Integrationsgipfel der Bundesregierung noch Sinn? Diese Frage muss man stellen, nachdem die vier großen Verbände der türkischstämmigen Einwanderer ihre Teilnahme abgesagt haben. Denn damit fehlen nicht nur vier freundlich lächelnde Menschen auf dem symbolträchtigen Abschlussfoto mit der Kanzlerin. Damit ist die größte Migrantengruppe nicht repräsentiert.

"Natürlich ist es sinnvoll", sagt Phuong Kollath vom Verein Gemeinsam unter einem Dach in Rostock. "Wir haben ein Jahr lang gearbeitet und tolle Ergebnisse erzielt, da müssen wir jetzt weitermachen." Die Vietnamesin teilt die Kritik der türkischen Verbände an der Verschärfung des Zuwanderungsgesetzes, will diese aber beim Gipfel vortragen. Auch Vincente Riesgo vom Bund der spanischen Elternvereine will heute ins Kanzleramt kommen. "Man darf nicht vergessen, dass mehr als 70 Prozent der Migranten keine Türken sind." Besonders bei Konflikten sei es wichtig, den Dialog zu führen.

"Wir haben ein Jahr lang so viel in diesen Prozess investiert", meint auch Virginia Wangare-Greiner vom Dachverband afrikanischer Menschen in Deutschland. "Jetzt will ich wissen, wie es weitergeht." Ali Chaaban vom Bundesverband Deutsch-Arabischer Vereine bedauert die Absage der türkischen Verbände. "Sie sind die Hauptsäule der Migranten in der deutschen Gesellschaft." Der Gipfel sei dennoch sinnvoll: "Wenn wir die Probleme dort diskutieren, können wir etwas erreichen."

Ähnlich argumentiert auch Maria Böhmer, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. "Der Gipfel findet auf jeden Fall statt", sagte die CDU-Politikerin und ließ keinen Zweifel daran, dass die Arbeit auch ohne die türkischen Verbände weitergehe. "Aber es wird schwieriger", räumte dagegen der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU) ein (siehe Interview). Der Berliner Migrationsbeauftragte Günther Piening sprach gar von "einem Scherbenhaufen", vor dem die Bundesregierung stehe.

Das heutige Treffen im Kanzleramt ist in der Tat nur die offizielle Abschlussveranstaltung eines Prozesses, der mit dem ersten Integrationsgipfel im vorigen Sommer begonnen hat. Seitdem haben sich zehn Arbeitsgruppen mit Themen wie Arbeit, Spracherwerb und Frauenrechte beschäftigt und dabei 400 Selbstverpflichtungen erarbeitet, wovon die Bundesregierung 150 eingeht (siehe Kasten). Die Kanzlerin wird diese Maßnahmen als Teil des "nationalen Integrationsplans" offiziell vorstellen.

Danach wird der Prozess weitergehen. Daran wollen sich auch die türkischen Verbände wieder beteiligen. "Ich nehme aus Protest gegen die Verschärfung des Zuwanderungsgesetzes nur an diesem Gipfel nicht teil", sagte der Ditib-Dialogbeauftragte Bekir Alboga gestern der taz. Die türkisch-islamische Ditib, der größte Dachverband der Muslime in Deutschland, ist eine der vier Organisationen, die den Gipfel boykottieren. Doch keineswegs wolle man die Zusammenarbeit aufkündigen: "Wir werden den Dialog fortsetzen", sagt Alboga.

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