: Integration von oben
■ Bremer Verwaltungsgericht verhandelte über den achtjährigen Thorben Zimmermann
Ob der achtjährige, halbseitig spastisch gelähmte Thorben Zimmermann vom nächsten Schuljahr an die Grundschule besuchen kann, ist auch nach dem gestrigen Verhandlungstag vor dem Bremer Verwaltungsgericht unklar. Eine erfolgreiche Intergration des behinderten Jungen, so erläuterte der Direktor der Grundschule in Arbergen, Klaus Buhr, bedürfe einer zusätzlichen pädagogischen Integrationskraft, die sich mindestens zehn Stunden pro Woche um Thorben kümmert. Thorbens Integrationsfähigkeit sei derzeit mit der Hilfe eines Zivildienstleistenden erstaunlich gut. Bisher streiten sich Bildungs- und Sozialbehörden darum, wer die künftigen, zusätzlichen Stunden bezahlen soll.
Thorben besucht zur Zeit die Vorklasse in der Grundschule Arbergen. Bereits zu Beginn des
Schuljahres hatten sich seine Eltern bemüht, für ihn einen Integrationsplatz in der dortigen Grundschule zu bekommen. Doch die Bildungsbehörde winkte ab. Ohne Intergrationshelfer müsse der Junge auf eine Sonderschule. Die Zimmermanns wandten sich daraufhin an die Sozialbehörde. Deren Argumente: Die Bildungsbehörde sei zuständig, sie solle sich um einen Integrationshelfer kümmern.
Die Sozialbehörde hatte sich auf den formalen Standpunkt zurückgezogen: Über eine Sozialhilfeleistung zur Intergration könne erst dann entschieden werden, wenn die Bildungsbehörde den Jungen auf die Grundschule läßt (ein entsprechender Bescheid liegt noch nicht vor). Im Amtsdeutsch: Es gibt keinen Rechtsschutz für einen künftigen Sozialhilfebescheid.
Diese Argumentationsschiene kippten die Richter gestern: Der Helfer für Thorben diene durchaus der Integration des Jungen in sein gewohntes, soziales Umfeld. Damit stehen die Chancen zumindest in dieser verwaltungsgerichtlichen Instanz gut, daß Thorben eine pädagogische Hilfe bekommt und nicht auf die Sonderschule muß. Verteidigerin Dörte Lipsius: „Wenn die Bildungsbehörde jetzt die Zuweisung auf die Grundschule ausspricht, ist die Sozialbehörde in die Pflicht genommen.“ Zwar wollen die Richter ihr Urteil erst in zwei Wochen verkünden, doch ist abzusehen, daß die Bildungsbehörde ihre Absagen an die Eltern erst einmal zurückziehen muß. Wenn dann die Bildungsbehörde entschieden hat, muß die Sozialbehörde nach Richterspruch neu entscheiden. ma
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