Integration durch Fußball: Flüchtlinge mit Kick

Am Samstag spielen bei einem Turnier in Kreuzberg erstmals Flüchtlingsteams gegeneinander. Der Zugang zum Sport ist für Asylbewerber nicht selbstverständlich.

Auch Flüchtlinge lieben Fussball: Afrikanische Fluechtlinge spielen am 23. Okt. 2005 vor Zelten des Roten Kreuzes im Fluechtlingslager in der spanischen Exklave Melilla Fussball. 22 der Fluechtlinge haben sich zum CETI Club de Futbol zusammengeschlossen und spielen in der semiprofessionellen Liga von Melilla. Bild: ap

Das Außenband ist es. Iman* fasst sich immer mal wieder ans Knie. Er ist verletzt, kann zurzeit nicht zwischen den Pfosten stehen. In seiner Heimat, dem Iran, war er Profifußballer. Im Jahr 2010 verließ er sein Land. Zuvor war er vom Islam zu den Zarathustriern konvertiert, einer kleinen, eher im zentralasiatischen Raum angesiedelten Religionsgemeinde.

„Von da an war ein Leben im Iran für mich nicht mehr denkbar“, sagt der 27-Jährige. „Der Staat ist gegenüber religiösen Minderheiten skrupellos.“ Für den Torwart bedeutete der Wechsel der Religion, dass sich seine Familie – sein Vater ist iranischer General – von ihm abwandte und dass er diskriminiert wurde.

Man könnte meinen, jemand wie Iman, der seit 16 Monaten in Berlin lebt und dessen Asylverfahren läuft, habe anderes im Kopf als Fußball. Die „Champions ohne Grenzen“, sein Kreuzberger Fußballteam, waren dennoch ein „Glücksfall“ für ihn, sagt er. „Ich habe viele Leute über den Fußball kennengelernt, die mir zum Beispiel helfen, die Sprache zu lernen oder Briefe zu verstehen.“

Die "Champions ohne Grenzen" (COG) sind ein Fußballteam für Flüchtlinge, das seit April 2012 besteht. Das Team entstand als Kooperation des Kreuzberger Clubs FSV Hansa 07, der Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und MigrantInnen (KuB) und des Vereins "… weil Fußball verbindet!". Auch für Kinder von Flüchtlingen gibt es ein Fußballangebot, ein Frauenteam ist in Planung.

Beim Turnier "Kick out Racism Cup", das am Samstag von 10 bis 18 Uhr erstmals im Stadion Wrangelritze (Wrangelstraße 98, Kreuzberg) stattfindet, spielen neben den COG fünf weitere Flüchtlingsteams; insgesamt sind es 10 Mannschaften. Es gibt auch Nahrung ohne Grenzen: afghanisches Essen, Bratwurst und Waffeln. (jut)

Am heutigen Samstag findet erstmals ein Turnier statt, bei dem Flüchtlingsteams im Mittelpunkt stehen. Die Champions ohne Grenzen sind Mitveranstalter des „Kick out Racism Cup“ im Wrangelkiez. „In erster Linie wollen wir Spaß haben“, sagt Carolin Gaffron, Trainerin des Teams, „aber wir wollen auch Aufmerksamkeit schaffen für die Situation der Flüchtlinge hier. Die Leute haben einfach krasse Schicksale.“ Dem medial verzerrten Bild, das von Asylbewerbern bisweilen gezeichnet wird, wolle man entgegentreten.

Zugang zum Sport ist dabei für Flüchtlinge nicht selbstverständlich. Während der Berliner Fußball zwar migrantisch geprägt ist, sind die Hürden für neu ankommende Flüchtlinge oft zu hoch. „Sie können die Sprache nicht, sie kommen gar nicht auf die Idee, hier in einen Sportverein zu gehen“, sagt Carolin. Erst mal stünden bei Sprachkurse, Anwalts- und Amtstermine auf dem Programm, Kontakt zu den Einheimischen gebe es kaum und den Vereinen fehle es an Verständnis für die Situation der Flüchtlinge.

Iman sitzt mit Trainerin Carolin und Jacob, seinem afghanischen Mitspieler bei Champions ohne Grenzen, im Garten eines Flüchtlingswohnheims in Kreuzberg. Sie reden darüber, wie sich Iman gleich beim ersten Training den Daumen brach. Wäre er nicht dauernd verletzt, würde er nun zudem in einer regulären Hansa-Mannschaft spielen.

Mit dem Team fahren die drei im Juli für einige Tage zu einem Turnier nach Rügen – wenn sie denn die „Verlassenserlaubnis“ bekommen, denn auch für Jakob und Iman gilt die Residenzpflicht. Sowohl Iman als auch Jacob besitzen derzeit „Aufenthaltsgestattungen“ bis Dezember 2013.

Iman würde irgendwann gerne nach Teheran zurückkehren. Ob er Hoffnung hat für die Zeit nach dem Präsidentschaftswechsel? „Nein, da mache ich mir keine Illusionen“, sagt er. Er glaubt nicht, dass sich mit dem neuen Präsidenten Hassan Ruhani viel ändern wird, sondern hofft auf einen echten Regimewechsel. So lange wird Iman in Berlin trainieren – wenn sein Außenband es zulässt.

*Auf Wunsch der beiden Flüchtlinge werden sie im Text nur mit Vornamen genannt.

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