Insolvenz: Schluss mit Events in Hannover

Hannovers halböffentliche City-GmbH ist nach zwei Jahren pleite. Die privaten Miteigentümer hatten ihre Anteile nie eingezahlt. Die Lokalpresse schwieg, weil sie dem Unternehmen eng verbunden war.

Statt Schlagerparade und Massenbesäufnis sollten Weihnachtsrallyes und Moonlightshopping Geld in die Kasse bringen. Leider wollten die Hannoveraner da nicht mitmachen. Bild: dpa

Hannovers Spektakelschmiede Nummer eins, die City GmbH, ist pleite. Zurück bleiben 250.000 Euro Schulden - plus Imageschaden für die von Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) so gern beschworene "Eventhauptstadt".

Mitverantwortlich für das Desaster ist die Verwaltung, die 2007 einen denkmalgeschützten Gebäudekomplex neben dem Bahnhof an den Hamburger Einkaufszentrum-Riesen ECE verscherbelte. ECE würde ein Mega-Shopping-Center in die City klotzen und das schlaffe Stadtsäckel mit Gewerbesteuern mästen, so das Kalkül. Alt eingesessenen Kaufleuten wurde etwas blümerant. Da kam ein paar Schlaubergern die rettende Idee. Im Sozialministerium lagerte seit neustem Geld, um lokale Geschäfte aufzurüsten. Gemeint war das Förderprogramm "Belebung der Innenstädte - Quartiersinitiative Niedersachsen", kurz "QiN". Man musste nur ein Quartier, also einen Verein, gründen und einen jemanden suchen, der das Geld in die richtigen Kanäle schieben konnte.

Fündig wurde man beim Pressemonopolisten Madsack (Hannoversche Allgemeine/HAZ, Neue Presse), wo der Lokalredakteur Achim Balkhoff saß, ein stadtbekannter Hans Dampf mit besten Kontakten. Balkhoff sagt heute: "Ich wollte den Job gar nicht." Aber da war die lokale Wirtschaft längst im Büro der Geschäftsleitung vorstellig geworden und hatte den Mann losgeeist. Madsack witterte schöne Gewinnzuwächse in Form von Extrablättern und Anzeigen.

Im Oktober 2007 starten 60 Händler, Gastronomen, Immobilieneigentümer und Anwohner die Hannover City GmbH.

Das erklärte Ziel: "die langfristige Belebung der Innenstadt" unter anderem durch "Veranstaltungen" sowie "strukturelle Verbesserungen der City-Entwicklung".

Dafür ist eigentlich die "Hannover Tourismus und Marketing Gesellschaft" (HTMG) zuständig. Auch in der Stadtverwaltung gibt es ein Büro für "Großevents".

Das Startkapital der City GmbH beträgt 150.000 Euro aus öffentlichen Töpfen und 100.000 Euro Eigenmittel jährlich. Die freiwilligen Beiträge werden aber nie gezahlt. Da die Landesförderung ausläuft, heißt die Folge: Insolvenz.

Und genau so kam es. Handeltreibende der fünf Innenstadtqartiere gründeten die Hannover City GmbH. Man akquirierte 100.000 Euro aus dem QiN-Topf, bekam von der Stadt noch 50.000 obendrauf und verpflichtete sich jährlich 100.000 Euro in Eigenleistung beizusteuern. Balkhoff, der nun Citymanager hieß, verließ sich dabei nach gutem Kaufmannsbrauch auf das Ehrenwort seiner neuen Arbeitgeber. Er stutze weder, als er sich drei Monate lang selbstständig machen musste, ehe man ihm einen Arbeitsvertrag gab, noch als er merkte, dass man ihn von jenem öffentlichen Geld bezahlte, das eigentlich für "die Belebung der Innenstadt" vorgesehen war. Balkhoff nahms hin und stürzte sich in den Job. Er hielt hielt "Impulsreferate" im Akkord, entwarf Profilkampagnen, tourte durch Businesslounges und "Funcenter".

Mit Erfolg: Plötzlich litt die Innenstadt von Hannover nicht mehr nur unter defizitärem Remmidemmi wie der "Schlagerparade" oder dem Massenbesäufnis "Maschseefest". Es gab "Weihnachtsrallyes", "Moonlightshopping", ständig "Bock auf Bockbier" oder die "Fête de la Musique". Immer gern dabei: OB Weil, den man neben "Miss City" oder ähnlichen Bikischönheiten posieren sah. Balkhoff nannte er "genau den richtigen Mann", um das "Abwandern der Kaufkraft" zu stoppen. Selbst Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) lobte die "Steigerung der Attraktivität im Einzelhandel, in der Gastronomie, bei der Vitalität und beim Wohnen in der Innenstadt".

Aber die Zahlungsmoral der Krämerseelen, die mit den Sausen bombige Umsätze machten, ließ zu wünschen übrig. Rechnungen zahlte Balkhoff mit Geld, das er bei GmbH-fremden Sponsoren einsammelte. Hans Christian Nolte, Chef der städtischen Hannover Tourismus und Marketing GmbH, will Balkhoff gewarnt haben, "dass man so nicht wirtschaften" könne. Das wussten auch die Ex-Kollegen des City-Managers, durften es aber nicht schreiben. Madsack hatte Negativberichterstattung strikt untersagt. Besonders engagiert, so ist zu hören, war Co-Geschäftsführer Matthias Forkel, nebenbei engagiert beim Wirtschaftsförderverein "Pro Hannover Region", wo alle Gschaftlhuber der Region beieinander hocken. Und so manövrierte der Citymanager, begleitet von Jubelstorys in HAZ und Neuer Presse, die City GmbH in die Insolvenz.

Die Politiker fielen angeblich aus allen Wolken und Madsack verabschiedete Balkhoff mit einer vernichtenden Bilanz seines Wirkens. Seine Ex-Geschäftspartner haben ihre "Eigenleistung" bis heute nicht eingezahlt.

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