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Innere Zweifel an Rot-Grün (3)Mindestlohn?

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Der von Rot-Grün geforderte Mindestlohn von 8,50 Euro ist längst überfällig. Doch gerade für kleine Betriebe kann er das Aus bedeuten.

Vor allem für die Gastronomie ist der Mindestlohn ein Problem Bild: reuters

M indestlohn. Kriegen wir eine rot-grüne Regierung, käme ein gesetzlicher Mindestlohn. 8,50 Euro brutto die Stunde. Und flächendeckend. Das fordern SPD und Grüne, die Linke will sogar noch mehr. Ist einerseits dringend fällig, wo doch die Putzfrau aus Polen im Privathaushalt schon 9 Euro bekommt. Und das auch noch schwarz. Aber man muss die Folgen bedenken.

8,50 Euro die Stunde brutto als Pflichtlohn überall und der günstige Pizzaservice um die Ecke ist platt. Beim Pizzaservice kriegen die Jungs in der Auslieferung 5 Euro die Stunde. Obendrauf kommt immer noch das Trinkgeld vom Kunden. Das muss man mitrechnen in der privaten Dienstleistung, das Trinkgeld wird ja oft nicht mitgezählt. Dabei gab es auch in England die Debatte, ob man das Trinkgeld nicht mitrechnen müsse zum Mindestlohn.

Und außerdem muss man sehen: Vielleicht ist es für viele gar kein Drama mit dem Niedriglohn, weil sie sich ohnehin nur ein Zubrot verdienen. Zum Beispiel Tausende von Rentnern und Schülern, die für 5 Euro die Stunde Werbeprospekte von Rewe oder Edeka in die Briefkästen stopfen. Damit wäre Schluss. Was allerdings auch sein Gutes hat, vermüllen die Briefkästen doch weniger, wenn wir den Mindestlohn kriegen.

Aber was machen die HilfskellnerInnen in Berlin ? Der Bratwurstimbiss in Angermünde? Hat man überhaupt an die Ost-Bundesländer gedacht mit den 8,50 Euro Pflichtlohn? Oder müssen die Hilfsverkäufer und Pommesbräter dann auf scheinselbstständig machen oder schwarz jobben, weil kein Budenbesitzer die 8,50 Euro zahlen kann ? Vielleicht wird aber auch nur die Currywurst teurer. Höhere Verbraucherpreise, das trifft dann wieder die Armen.

Auf der anderen Seite: 7 Euro die Stunde für eine Verkäuferin sind eine Sauerei. Erst recht, wenn klar ist, dass die Frau niemals Hartz-IV-Leistungen bekäme, weil sie in einer Partnerschaft lebt. Mit den Billiglöhnen nutzt man die Lage von Millionen von Ehefrauen aus. In Frankreich leisten die sich 9,34 Euro brutto die Stunde als Mindestlohn. Da sollten wir uns nicht lumpen lassen. Es wird Zeit für den Großversuch.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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16 Kommentare

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  • R
    rustdevil

    wie läuft es eigentlich in Ländern mit Mindestlohn? Gibt es dort keinen Pizzaservice, keine Werbung im Briefkasten, keine Bratwuststände etc.? Sollte mal abgeklärt werden..

  • K
    Kulturoptimist

    Schreibt man jetzt neuerdings alles im "Sendung mit der Maus"-Stil?

  • B
    B.Fink

    Das Geschwurbel ist unerträglich, als ob nur Pizzaboten und Friseusen unter 8,50 Euro verdienen würden. Ich arbeite im Kundensupport für ein Mobilfunkunternehmen für eben 8,50 Brutto. Nach 40 Stunden Woche mit Wochenendarbeit ohne Zuschläge bleiben mir knapp 1080 Euro übrig als Single...davon zahle ich 399 Euro Miete, Auto? luxus, zum Glück muss ich nicht pendeln sonst wären locker noch einmal 50 Euro monatlich weg für Fahrtkosten. Private Rentenversorgung? Illusion...

  • W
    Wolfgang

    Die wenigsten erwerbstätigen Frauen erreichen 4o-Vollzeitarbeitsjahre und einen durchschnittlichen Brutto-Stundenlohn von 15,- Euro (aufwärts)!

     

    Nach 35-Vollzeit-Arbeitsjahren, bei einem "durchschnittlichen" Brutto-Stundenlohn von 15 Euro, aber erst dann, liegt die Armutsrente bzw. Altersrente, auf dem geringen menschenunwürdigen Niveau der gesetzlichen "Grundsicherung", analog Sozialhilfe, von mtl. derzeit: 700 TEuro! - in der bundesdeutschen Reichtumsgesellschaft der Millionäre*, Parlamentsmitglieder* und Quandtschen Erbschafts-Milliardäre!* (* - auch ohne deren persönliche Arbeits-Leistung und Wertschöpfung!)

  • F
    Fry

    Das Rechenbeispiel ist doch daneben. Klar, Produkte aus Billigarbeit werden teurer durch den Mindestlohn, aber dadurch dass die Preiserhöhung eben gerade in die Löhne der Armen fließt, wird es im Endeffekt eben nicht teurer sondern billiger, jedenfalls für die, die bisher unter Mindestlohn verdienen. Hartz-IV-Sätze müssten natürlich entsprechend der Preisentwicklung angehoben werden, aber das sollten sie ja theoretisch sowieso.

    • @Fry:

      Aber die Nachfrage sinkt trotzdem.

  • F
    Florian

    Mindestlöhne machen alles teurer. Hier in Irland gibt es den flächendeckenden Mindestlohn und die Leute müssen mehr bezahlen für Gegenstände des täglichen Konsum. Unterm Strich haben Sie weniger als ohne Mindestlohn

    • F
      Fritz
      @Florian:

      Hier in Deutschland gibt's keinen Mindestlohn und auch keinen wirksamen Schutz gegen Werksverträge: Ergebnis: Das Land wird extrem verarmen, weil es hier einen dicken Überschuss an Arbeitskräften gibt. Es sind wahrscheinlich 6 Millionen Menschen, die Arbeit suchen. Mindestlohn ist Mist - ja, richtig, weil Politiker nicht Löhne machen sollten, sondern die Arbeitnehmer mit den Arbeitgebern. Aber das hat Gerd Schröder abschaffen wollen - heute ist die SPD halbiert.

  • Mindestlöhne zerstören Arbeitsplätze.

     

    Aber das allein ist keine abschließende Begründung gegen Mindestlöhne.

     

    Die Frage ist: Sind die Kollateralschäden in wegfallenden Arbeitsplätzen beim Mindestlohn in höhe von X Euro zu hoch, oder wiegen die Vorteile es auf?

     

    Aber aus dem "Die Vorteile wiegen es auf" ein "Es gibt keine Nachteile" zu machen ist lüge.

     

    Wenn die Löhne in lohnintensiven Dienstleistungen steigen, steigen die Preise; und dann sinkt die Nachfrage, sowohl an der Dienstleistung, als auch an den Arbeitsplätzen. Jeder kann entscheiden ob er alle 2 Wochen oder alle 8 Wochen zum Friseur geht. Letzteres heißt aber das 75% weniger Haarschnitte erfolgen.

     

    Und ja, die höheren Löhne stimulieren auch die Nachfrage, aber es ist eine sache der logik das dies nur eine teilkompensierung ist. Schon allein da der Staat ja weniger "aufstockt", was also den teureren Haarschnitt in Schäubles Haushalt transferiert. Falls der da nicht wieder zurück zu mehr 100% Hartz-4-lern geht.

     

    Falsch finde ich aber das man gleich einen so hohen Mindestlohn einführen will. Man sollte einen geringeren einführen und den dann kontinuierlich und bestimmt anheben, um zu sehen was sich auf dem Markt tut. Das wäre wirtschaftspolitisch klüger, aber politisch weniger opportun.

  • G
    gamy

    Frankreich leistet sich sonst noch allerhand Blödsinn - den Erfolg sieht man ja. Und Glückwunsch: Hat wohl auch bei der 'taz' endlich mal jemand kapiert, dass bei 9€ nicht drei Friseusen angestellt werden, sondern eher zwei. Die dritte kann hartzen...

  • Ich denke beim Mindestlohn weniger an relativ leichte Jobs wie den des Pizzaboten sondern Menschen die z.B. im Akkord und Schichtdinst im Großschlachthof arbeiten.

     

    Eventuell könnte man bei der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes auch noch einmal einen etwas geringeren Mindestlohn für "Trinkgeldberufe" vorsehen.

    Aber irgendwo ist da nach unten hin auch Schluss: für 5 Euro kann man niemanden ernsthaft für sich arbeiten lassen, es geht hier um die Vergeudung von Lebenszeit.

     

    Friedrich Krupp hat schon anno dunnemals gesagt, eine Industrie (oder ein Gewerbe) welche(s) nicht in der Lage sei auskömmlichen Lohn zu zahlen gehört geschlossen.

     

    Frau Dibbusch, geben Sie sich einen Ruck und legen künftig bei der Pizza einen Taler drauf - oder wollen Sie sich vom alten Krupp (!) links überholen lassen?!?

     

    Grüße

    • @Waage69:

      Trinkgeldberufe anders machen sehe ich kritisch. Das führt nur dazu dass das Trinkgeld quasiinstitutionalisiert wird. So wie in den USA.

  • N
    Nachdenklich

    Zeit für den Großversuch? Und wer zahlt die Zeche, wenn der Großversuch nicht klappt und die Wirtschaft floppt, wie es in Frankreich der Fall ist? Jeder Arbeitsplatz muß sich selbst tragen können. Kann er das nicht, fällt er weg. Man sollt nicht vergessen, dass seit Jahrhunderten Politiker versuchen, ökonomische Gesetze auszuhebeln. Bisher haben die ökonomischen Gesetze immer gewonnen.

  • PH
    Peter Haller

    Naja, wenn ein "Unternehmer" den Mindestlohn von 8,50€ nicht zahlen kann/will, dann soll er entweder den Job selber machen oder pleite gehen.

    Is ja wohl klar, dass den meisten "Unternehmern" lieber wäre, wenn sie die Kohle selber einstreichen könnten, anstatt sie an diejenigen zu zahlen, welche die Arbeit auch machen !

  • D
    Dierk

    Die 8,50 EURO sind viel zu wenig. Der Punkt ist doch einfach nicht der günstige Pizza-Dienst (gibt's in Frankfurt, München, Hamburg eh nicht mehr), sondern das Problem heißt, dass heute über Jobcenter, Hartz-IV, massivem Überschuss an Arbeitskräften und extremer Nachfrage nach Arbeit die Löhne in den verrückten Bereich gerutscht sind. Es gibt längst Löhne von 3,50 oder 4,50 EURO - viele freie Journalisten arbeiten z.B. in diesem Segment. Und die Folgen sind extrem: In der Rente werden diese Menschen verarmen und wahrscheinlich können sie dann nicht mehr absurd großzügige Regelungen wie die 450-EURO-Regelung in Anspruch nehmen. Die 8,50 EURO werden wahllos, ja w a h l l o s angewendet. Da liegt das Problem: Es gibt so einen Überschuss an Arbeitskräften, dass auch Fachkräfte mit 45 Jahren und 25 Jahren Berufserfahrung bei der Zeitarbeit Löhne von 8,50 EURo angeboten bekommen. Und da hält sich mein Mitleid mit Menschen in Grenzen, die lieber Niedriglöhne toll finden, damit ihnen jemand eine Pizza nach Hause liefert.

     

    Genau genommen sind solche Mini-Betriebe sogar teurer, weil sie häufig jeden Beschäftigten als Studenten oder Mini-Jobber abbrechnen, sprich kaum noch Steuern und Sozialabgaben in diesem Bereich an den Staat gehen. Und die Zahlen weisen hier nach Oben: Es gibt sogar mehr Bewerber für diese Jobs inzwischen als sie tatsächlich verfügbar sind.

     

    Ich plädiere für 10,50 EURO und die ABsenkung der 450-Euro-Regelung auf 300 EURO und die Abschaffung von Werksverträgen unterhalb von 12 EURO pro geleisteter Arbeitsstunde. Alles andere kostet doch in zehn oder zwanzig Jahren 10000 mal so viel wie eine Regulierung jetzt.

  • H
    Horst

    Okay, gerade noch einmal die Kurve geschafft. Dennoch, selbst für online-nachrichten, sehr wenig Informationsgehalt.