piwik no script img

Innere SicherheitPolizisten werden nummeriert

Der SPD-Landesparteitag in Wilhelmsburg beschließt eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten - keine Namenschilder, aber individuelle Codes.

Das wird es für Hamburger Polizisten weiterhin nur auf freiwilliger Basis geben: Namensschilder - die Hamburger bekommen Nummerncodes. Bild: dpa

Nun also doch: PolizistInnen in geschlossenen Einheiten im Einsatz auf Demonstrationen sollen ein Gesicht bekommen. Wenn auch nur schemenhaft durch Codes auf den Uniformen. Das hat der Landesparteitag der regierenden Sozialdemokraten am Samstag im Bürgerhaus Wilhelmsburg beschlossen. Dabei streben die Sozialdemokraten das Einvernehmen mit den Gewerkschaften an, wodurch das ganze Vorhaben zum Scheitern verurteilt sein könnte.

Zwei Anträge aus dem Bezirk Eimsbüttel, wo der in der Partei als links geltende Nils Annen gerade zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gekürt worden ist, und dem Kreisverband Mitte lagen den 350 Delegierten zur Abstimmung vor. In beiden Anträgen wurde das Unverständnis geäußert, dass die SPD-Mehrheit im Sommer in der Bürgerschaft die Anträge von Grünen, Liberalen und Linken zur Kennzeichnungspflicht von Polizisten abgelehnt hatte.

„Diese Ablehnung steht im vollkommenen Widerspruch zu den Entwicklungen in anderen SPD-regierten Bundesländern“, hieß es. In Hamburg trügen viele Polizisten im Dienst bereits auf der Basis freiwilliger Regelungen Namensschilder. Es lasse sich nicht verleugnen, dass es auch bei der Polizei rechtwidriges Handeln gebe.

Kennzeichnungspflicht

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International und zahlreiche Bürgerrechtsorganisationen fordern seit Jahren eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten, weil Beamte nach Übergriffen nicht identifizierbar waren.

Namensschilder oder ersatzweise Zahlencodes als Kennzeichnungspflicht führten als erste Bundesländer Berlin und Brandenburg ein. In Bremen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein sind sie Bestandteil von Koalitionsverträgen.

Codierungen statt klassischer Namensschilder sind eine Form der individuellen Kennzeichnung, die von Experten als akzeptable Kompromissformel in die Diskussion eingebracht worden ist.

„Die aus dem Rechtsstaatsprinzip angeleitete Rechtsschutzgarantie gebietet es, dass für BürgerInnen Eingriffe in ihre Rechte juristisch überprüfbar sein müssen“, argumentierten die Genossen aus Eimsbüttel. „Dies ist nicht gewährleistet, wenn die individuelle Zurechenbarkeit staatlichen Handelns nicht in jedem Fall sichergesellt ist.“ Eine freiwillige Kennzeichnung von Polizisten reiche nicht mehr aus.

Auch Innensenator Michael Neumann und SPD-Fraktionschef Andreas Dressel sperrten sich grundsätzlich nicht mehr gegen eine Kennzeichnungspflicht. Sie wollten aber, dass diese möglichst auf Bundesebene geregelt werde und streben – wenn schon in Hamburg – eine Vereinbarung nur im Einvernehmen mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in einem gemeinsamen Diskussionsprozess an.

Beide Berufsorganisationen haben in der Vergangenheit sehr deutlich gemacht, dass sie von einer Kennzeichnungspflicht überhaupt nichts halten, weil dies die Beamten unter Generalverdacht stelle und Polizisten möglicherweise Opfer von Racheakten werden könnten.

Daher hat der SPD-Parteitag eine anonymisierte Version der Individualisierung beschlossen, sodass vor jedem Einsatz die Nummernfolge der Codierungen auf den Einsatzanzügen neu bestimmt werden kann. Um das Ganze praktikabel zu machen, muss das Polizeigesetz zur Sicherheit und Ordnung (SOG) geändert werden.

Dann gelten die Vorschriften auch für Einheiten aus anderen Bundesländern, wenn diese in Hamburg eingesetzt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • S
    Sieveking

    Der Generalverdacht gegenüber Polizeieinheiten ist begründet, Ausnahmen bestätigen die Regel. Tausende Fälle von organisierter Polizeiaggression sind geschehen, sogar deutsche Richter erkennen das an und bezeichnen die amtlich koordinierten Zeugenaussagen/Gedächtnislücken der Mitaggressoren als Lügen. Ist das der Grund, warum die Berufsorganisationen der Polizei keine einmalige Kennzeichnung wollen ?

     

    Handelt diese Berufsorganisation nicht selbst wie eine kriminelle Vereinigung, wenn sie ihren Mitgliedern auf diese Weise anonyme Gewalttaten in Serie ermöglicht ? Müsste nicht nach StGB §129b gegen sie ermittelt werden und eine Verurteilung erfolgen ?

     

    Das Vermummungsverbot betrifft nur Demonstranten, warum nicht Polizeieinheiten ? Transparenz im öffentlichen Geschehen ist ein grundsätzliches Gebot der Demokratie, dies muss für beide Seiten gelten.

     

    Eine sich formal demokratisch einordnende Polizei macht sich einschlägig verdächtig, wenn sie diese Transparenz hintertreibt oder einseitig verstanden wissen will. Was oder besser wen Gewalttätiges hat sie eigentlich zu verbergen ? Eine verdächtige Polizei verliert ihre Legitimität und ihr Ansehen als ehemals nichtkriminelle Organisation in der Gesellschaft.

     

    Eine sich real demokratisch einordnende Polizei kann grundsätzlich kein Problem mit der Erkennbarkeit von Angehörigen der Polizeieinheiten haben, da sich so die Verhältnismäßigkeit ihrer Handlungen immer überprüfen lässt. Die Polizei muss daran ein primäres Interesse haben, denn erst diese konsequent angewandte Transparenz schafft eine jederzeitige Kontrollmöglichkeit für den Bürger und damit das mögliche Vertrauen in die Institution Polizei. Darauf aufbauend entsteht ihr Ansehen als legitime staatliche Organisation im Gefüge der Demokratie.

  • R
    Rallinsky

    Kennzeichnung, die ständig wieder gewechselt wird, ist genauso sinnvoll wie die Videoaufnahmen von Demos, welche selbst von den Beweisfeststellungseinheiten angefertigt werden und regelmäßig verschwinden, wenn es zu einem Prozess gegen einen der ihren kommt. - Ich sehe ein, dass eine Anonymisierung der Beamten von Nöten scheint. Dennoch darf im Bereich der Zuordnung kein Spielraum für Manipulationen geschaffen werden!

    Es scheint, dass mit dem Aussterben der Kriegsgeneration auch das Bewußtsein über die Gefahren staatlicher Gewaltausübung schwindet. - Der Gesetzgeber hatte mit dem Grundgesetz, für die damalige Zeit und nach bestem Wissen, ein Instrument schaffen wollen, welches den Bürger schützen sollte. Leider ist dieses Instrumentarium in den folgenden Jahrzehnten nie an die neuen Herausvorderungen angepasst, - ja mehr noch: verwaschen worden! - Wenn wir uns heute mit einer Kennzeichnungspflicht von Beamten, die unmittelbare Gewalt ausüben dürfen, über Jahre hinweg beschäftigen ist das ein Armutszeugnis für das vorherrschende Demokratieverständnis und für das Verständnis der staatlichen Gewaltenteilung, die einen Grundpfeiler dieser demokratischen Grundordnung ausmacht.