Innenstadtbelebung ohne Konsum: Vom Kaufhaus zum Schulhaus
Seit die Karstadt-Filialen leer stehen, fragen sich viele Städte, was mit ihnen passieren soll. In Lübeck werden nun unter anderem zwei zu Schulen.
Hinter den verdreckten hohen Fensterscheiben thronen noch rote Schilder mit „Sale“-Aufschrift. Doch reduzierte Waren gibt es im leer stehenden Karstadt-Sports-Gebäude mitten in Lübecks historischer Altstadt nicht mehr zu kaufen. Einzig das ganze Gebäude ist zu erwerben. Dafür ist nun ein Käufer gefunden: Es ist die Stadt. Und die forciert damit die Abkehr der Dogmatik, dass Innenstadt gleich Einkaufszone bedeutet.
Seit einem Jahr sind das Erdgeschoss sowie die vier weiteren Etagen des Gebäudes verwaist. Da schloss Karstadt Sports, keine 50 Meter vom Rathaus mit seiner historischen rotverklinkerten Fassade entfernt, seine Türen. Über der Rolltreppe drinnen, die ins Untergeschoss führt, informieren noch die aufgeklebten Buchstaben, wohin es dort zum Shoppen ging – zu den Spielwaren, zu den Schreibwaren und, ja, zur „INDER-MODE“. Das K ist abgefallen, dabei sollen gerade sie, die Kinder, bald das Haus mit Leben füllen.
Die Lübecker Bürgerschaft hat nun den Weg frei gemacht für die Idee ihres Bürgermeisters Jan Lindenau (SPD): Er hatte vorgeschlagen, dass die Stadt doch die Immobilie kaufen könne. Die Lübecker Schulen brauchen dringend mehr Klassenräume. In den obersten drei Etagen sollen die Oberstufenschüler:innen zweier Gymnasien um die Ecke künftig ihre Klassenräume haben.
Darunter wollen sich die Lübecker Hochschulen mit einem „Schaufenster der Wissenschaft“ präsentieren, die Musikhochschule will dazu noch einen Lernort für ihre Studierenden bekommen. Das Untergeschoss soll für Start-up-Unternehmen und Pop-up-Stores bereitstehen. Und die Dachterrasse mit Panoramablick über die Stadt wird zum Pausenhof der Schüler:innen.
„Auch wir haben hier in Lübeck zu lange der Entwicklung zugeschaut“, sagt Lindenau. Er glaubt nicht, dass sich der Einzelhandel langfristig noch einmal erholen wird. „Erst mit Corona hat man sich den sterbenden Städten zugewandt, dabei war diese Entwicklung auch vorher schon am Gange“, sagt er. Doch während sich der Deutsche Städtetag kürzlich für eine Paketsteuer für den Onlinehandel ausgesprochen hat, um die lokalen Geschäfte zu unterstützen, will Lübeck seine Innenstadt lieber aktiv selbst umgestalten: weg von großen Einkaufshäusern, hin zur gemischten Nutzung der innerstädtischen Räume und Flächen.
Ratlosigkeit nach Karstadt-Schließung
Die Schließung von rund 50 Karstadt-Filialen hat im vorigen Jahr viele Städte kalt erwischt. Sie fragen sich derzeit verzweifelt, was mit den leer stehenden Gebäuden in ihren Innenstädten geschehen soll.
Die Antworten vieler Städte zeugen bislang von Rat- und Ideenlosigkeit: Die Stadt Bremerhaven hat nun ebenfalls ein leer stehendes Karstadt-Gebäude in der Innenstadt gekauft – um es abzureißen. Doch danach will die Stadt dort nichts errichten, was in kommunaler Hand bleibt. Stattdessen soll ein Investor eine „multifunktionale Bebauung und Nutzung“ realisieren. Was genau das bedeutet, ist noch unklar – Einkaufsmöglichkeiten sollen aber in jedem Fall wieder entstehen.
Und in Hamburg freut sich das Bezirksamt Bergedorf, dass es in den Fensterscheiben des leer stehenden Karstadt-Gebäudes für den örtlichen Tourismus werben darf. Ideen zur alternativen Nutzung des ganzen Gebäudes? Fehlanzeige.
In Lübeck laufen dagegen die finalen Verhandlungen mit dem bisherigen Eigentümer zum Kauf. Rund 13 Millionen Euro dürfte die Stadt dafür blechen. Hinzu kommen wohl noch 25 Millionen Euro für die Sanierung. Viel Geld? „Teuer ist das vergleichsweise nicht“, sagt Lindenau. Allein ein Anbau an den zwei Schulen für die benötigten Klassenräume hätte mindestens dieselbe Summe gekostet.
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