Innenministerkonferenz: Kein Einmarsch in Deutschland
In Bremerhaven schlagen einige Innenminister über die Stränge. Die Folge: Ein Militäreinsatz im Inland, den es nicht gibt, und Populismus gegen Ausländer.
BERLIN taz | Uwe Schünemann ist gerne laut. Am Dienstag warnte der niedersächsische CDU-Innenminister davor, uigurische Guantánamo-Häftlinge aufzunehmen, weil die alle in Terrorcamps gewesen seien. Und am Tag danach bollert er, Asylbewerber dürften nicht die gleichen Sozialleistungen bekommen wie Deutsche. Er werde den Widerstand gegen entsprechende EU-Pläne organisieren.
Laut der Aufnahmerichtlinie aus Brüssel müssten die Zahlungen an Asylbewerber um mindestens 20 Prozent aufgestockt werden, außerdem sollten sie schon nach sechs Monaten in Deutschland eine Arbeit annehmen dürfen, und nicht erst wie bisher nach zwölf. Beide Vorschläge schüfen nur neue Anreize, per Asylverfahren nach Deutschland einzuwandern, sagte Schünemann der Neuen Osnabrücker Zeitung. Das sei für Kommunen und Länder fatal.
In Bremerhaven sitzen derzeit die deutschen Innenminister zusammen und beraten, wie das Land noch sicherer zu machen ist. Besonders in Wahlkampfzeiten schlagen die Minister gern raue Töne an - das klingt entschlossen, geht manchmal aber daneben. So hatte Schünemanns Ministerium etwa keine Belege für seine Terrorcamp-Behauptung.
Am Mittwoch dann meldeten einige Medien, die Innenminister von Union und SPD wollten gemeinsam eine Grundgesetzänderung für den Einsatz der Bundeswehr im Inland. Eine Sensation, denn bis dato hatten die Sozialdemokraten stets erklärt, das Militär habe im Inland nichts verloren. Dann kam heraus: alles ein Missverständnis. Die SPD will die Verfassung nur für zwei Spezialfälle modifizieren: Erstens soll die Armee zur Befreiung von Schiffen besser eingesetzt werden können. Zweitens soll das Militär eingreifen können, wenn entführte Flugzeuge als Waffen benutzt werden.
Das hatte der Chef der Innenministerkonferenz, Ulrich Mäurer (SPD), so auch gesagt. Dann aber sprach Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), und das klang so, als sei man sich über einen generellen Inlandseinsatz einig. Dem ist nicht so, stellten die SPD-Innenminister also nochmals klar.
Gegenüber den Guantánamo-Häftlingen setzt die Union weiterhin auf Härte. Schäuble erklärte, er sehe die gesetzlichen Bedingungen für eine Aufnahme in keinem Fall erfüllt. Außerdem wollen die Unionsminister gern die Strafen für Angriffe auf Polizisten und Rettungskräfte verschärfen. Anlass dafür ist die Gewalt gegen Beamte beim diesjährigen ersten Mai. Für Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hätte das Gesetz jedoch allenfalls einen "Placeboeffekt".
Quer durch die Parteien geht der Streit um den Einsatz jugendlicher Alkohol-Testkäufer. Gegner wie das Stuttgarter Innenministerium argumentieren, es sei schwer mit dem Kinderschutz vereinbar, Minderjährige als Lockvögel in die Geschäfte zu schicken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz