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Inklusion in SchulenZu behindert fürs Gymnasium

Henri ist mit dem Down-Syndrom geboren. Seine Eltern wollen ihn mit seinen Freunden aufs Gymnasium schicken. Die Schule lehnt ab.

Drittklässler mit und ohne Behinderung beim Unterricht in Bayern Bild: dpa

Henri lernt jetzt den Unterschied zwischen i und e nicht. „Die beiden Buchstaben verwechselt er immer wieder“, sagt seine Mutter, Kirsten Ehrhardt. Henri ist elf Jahre alt und mit Down-Syndrom zur Welt gekommen. Geht es nach seinen Eltern, soll er bald wie seine Freunde aufs Gymnasium in Walldorf im Rhein-Neckar-Kreis gehen. Er wäre das erste Kind mit geistiger Behinderung und ohne Gymnasialempfehlung, das ein Gymnasium in Baden-Württemberg besucht.

Doch die angefragte Schule will ihn nicht aufnehmen. Im Südwesten und darüber hinaus wird wegen Henri nun über Inklusion diskutiert. Ist das Gymnasium der richtige Ort für ein behindertes Kind? Darf Henri, der noch Buchstaben lernt, im selben Raum sitzen mit Kindern, die die Bruchrechnung üben. Wie weit soll Inklusion gehen?

Henri besucht zurzeit noch eine normale Grundschule in einer von fünf Modellregionen in Baden-Württemberg, in denen Inklusion erprobt wird. Er hat einen Sonderpädagogen an seiner Seite, der mit ihm arbeitet. In seiner Klasse lernen noch zwei andere behinderte Kinder. Beide haben allerdings eine Gymnasialempfehlung ebenso wie die Mehrheit der Mitschüler.

Damit Henri sein soziales Umfeld behält, würden ihn seine Eltern gerne mit den anderen Kindern aufs Gymnasium schicken. „Bei Henri geht viel übers Herz“, sagt seine Mutter. „Er liebt seine Freunde. Wie soll ich ihm klarmachen, dass er sich nach der vierten Klasse zwangsweise von ihnen trennen muss?“

Schon vor gut zwei Jahren hat sich Kirsten Ehrhardt mit ihrem Wunsch an das Gymnasium in Walldorf gewandt. „Das Schulamt hat sich dafür erwärmt. Und die Schulleiterin war uns gegenüber immer sehr offen“, erzählt sie. Praktisch wäre Henris Schulalltag am Gymnasium wenig problematisch. Sein Sonderpädagoge würde mit ihm auf die neue Schule wechseln.

Nur ein Lehrer wollte Henri unterrichten

Doch die Eltern, Lehrer und Schüler der Schulkonferenz haben jüngst gegen die Aufnahme von Henri gestimmt. Zuvor hatte schon die Gesamtlehrerkonferenz das gleiche Votum abgegeben. Von den knapp 100 Lehrern hätten sich einige bereit erklären müssen, mit der Inklusionsklasse zu arbeiten.

Aber nur einer hatte sich gemeldet. Das Kultusministerium hat im März zweimal eine Delegation ans Gymnasium in Walldorf geschickt, um die Situation zu erklären und Angebote zur Unterstützung zu machen. Umsonst. Die Schule will weiterhin nur Schüler aufnehmen, die das Abitur erreichen können.

300 bis 400 Kinder mit – meist körperlicher – Behinderung werden laut Kultusministerium derzeit an Gymnasien im Land unterrichtet, weil sie es mit Hilfsmitteln zur Hochschulreife schaffen werden. Henri wird aber vermutlich gar keinen Schulabschluss machen. Würden alle Regelschulen die gleichen Bedingungen stellen wie das Gymnasium in Walldorf, könnten die allermeisten Kinder mit geistiger Behinderung keine besuchen. Doch der Sprecher von SPD-Kultusminister Andreas Stoch sagt klar: „Jede Schule, jede Schulart muss sich auf Inklusion vorbereiten.“

Das sieht die Vertretung der Gymnasiallehrer, der baden-württembergische Philologenverband, anders. Dessen Vorsitzender Bernd Saur verteidigt die Entscheidung seiner Kollegen in Walldorf. Für Kinder wie Henri, die keinen Schulabschluss erreichen können, gebe es weder einen Platz auf dem Gymnasium noch auf einer anderen Regelschule. „Dafür haben wir Förderschulen in Baden-Württemberg“, sagt er.

Elternwille gegen Kindeswohl

Eine Förderschule sei der richtige Ort für Henri gerade dann, wenn den Eltern „eine sozialintegrative Komponente“ so wichtig sei. „Am Gymnasium wird er Tag für Tag spüren, dass er dem, was da im Klassenzimmer passiert, nicht folgen kann“, sagt Saur. Er bezweifelt, dass der Elternwille immer dem Kindeswohl dient. „Wir fühlen uns bei Inklusion gut als Erwachsene und setzen uns über die Bedürfnisse des Kindes hinweg.“

Kirsten Ehrhardt ist enttäuscht, dass ihr Sohn abgelehnt wurde. Das Motto des Gymnasium sei „Wahrnehmen und wertschätzen“. „Das stößt mir schon bitter auf. Wenn es zum Schwur kommt, merkt man: Das ist alles nur Gerede.“ Die Eltern hätten Angst, dass ihre Kinder durch Inklusion von Behinderten zu kurz kommen könnten.

„Der Fall wird jetzt zur Grundsatzdebatte hochstilisiert, ein Gymnasium sei ein Hochleistungsbetrieb und müsse es bleiben.“ Die Lehrer des Walldorfer Gymnasiums hätten die zwei Jahre, seitdem sie zum ersten Mal vorgesprochen hatte, nicht für Aufklärung und Fortbildungen genutzt, meint Ehrhardt.

Doch Lehrer fühlen sich häufig überlastet, wie eine aktuelle Umfrage der Gewerkschaft GEW im Südwesten zeigt. Für die zusätzliche Aufgabe der Inklusion seien nicht genügend Lehrerstellen da, heißt es. 84 Prozent der Befragten bezeichnen die Inklusion an Grundschulen, Gemeinschaftsschulen und Realschulen als misslungen. Grün-Rot plant derweil in den nächsten sechs Jahren 11.600 Lehrerstellen zu streichen.

Auch der „Datenreport Inklusion 2014“ der Bertelsmann Stiftung stellt Baden-Württemberg ein schlechtes Zeugnis aus. Inklusion im baden-württembergischen Schulsystem trete auf der Stelle. Der Anteil der Kinder, die aus dem regulären Schulsystem ausgeschlossen würden, steige: „Der Anteil an Schülern, die keine Regelschule besuchen, ist in Baden-Württemberg seit Unterzeichnung der UN-Konvention für den Ausbau des gemeinsamen Unterrichts nicht gesunken, sondern sogar von 4,7 auf 5,0 Prozent gestiegen.“

Kritik an der frühen Auslese nach Klasse 4

Ein Bekannter der Ehrhardts, Holger Wallitzer-Eck, der selbst ein Kind mit Down-Syndrom hat, hat eine Onlinepetition initiiert. Darin schreibt er: „Henris Grundschulzeit war kein leichter Weg, aber für Henri und alle anderen Kinder hat es sich bereits ausgezahlt. Sie haben viel voneinander gelernt.“ Er fordert Kultusminister Andreas Stoch auf, den Schulversuch mit Henri kraft seines Amtes zu ermöglichen. Über 15.000 Menschen haben diese Forderung bereits unterzeichnet.

Auch Kerstin Merz-Atalik hat unterschrieben. Sie ist Professorin für Pädagogik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Ihre Schwerpunkte sind Benachteiligung und Inklusion. „In Henris Umfeld ist in den vergangenen vier Jahren eine inklusive Kultur gewachsen, die man jetzt unterbrechen würde.“

Verlässliche soziale Beziehungen seien eine wichtige Voraussetzung für das Heranwachsen und Lernen, sagt Merz-Atalik. „Das gilt für Henri wie für andere Kinder.“ Sie kritisiert daher die frühe Auslese im deutschen Schulsystem nach nur vier Jahren und die Signale, die davon ausgingen. „Die Schüler sehen, dass sich Eltern und Lehrer gegen ein Kind, gegen Henri entscheiden. Das finde ich problematisch.“

Henris Eltern haben für ihren Wunsch, dass das Gymnasium ihren Sohn aufnehmen möge, bisher keine rechtliche Grundlage. Grün-Rot wollte das Schulgesetz ändern, sobald Erfahrungen aus den fünf Modellregionen für Inklusion vorliegen. Diese starteten schon unter Schwarz-Gelb im Jahre 2010. Merz-Atalik mahnt das Kultusministerium, das Versprechen einzulösen.

Das hat ein neues Schulgesetz für das übernächste Schuljahr in Aussicht gestellt und setzt derweil im Einzelfall auf Vermittlung. Nach den Osterferien treffen sich Vertreter anderer Walldorfer Schulen, der Stadt und des zuständigen Schulamt mit Henris Eltern und werden ihnen alternative Schulen für ihren Sohn vorschlagen. Davon wollen diese aber nichts wissen. „Dann würde Henri aus der Gruppe genommen“, sagt Kirsten Ehrhardt. Genau das wollen sie ja verhindern.

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36 Kommentare

 / 
  • @Maddin

     

    fein&bingo

     

    sorry - aber genau diese selbstbezüglich-egoistische Einstellung meine ich;

    bis hin zur Wortwahl! kurz -

     

    wer nicht mitkommt fliegt -

     

    genau das - mit Verlaub - hatten schon meine

    kriegsgeschädigten Paukerkrüppel

    als Fortsetzung des Zweiten Weltkrieges mit anderen Mitteln drauf.

  • Besonders wichtig finde ich allerdings neben der Frage nach dem Wohl des Kindes, ist die Frage nach dem Wohl der anderen Kinder.

    Ich persönlich bin in der elften Klasse und muss aus persönlicher Erfahrung heraus sagen, dass Kinder, die nicht so gut in der Schule sind, auf einen Gymnasium nur für Probleme sorgen.

     

    Selbst wenn das Kind dann schlussendlich, nach mehrmaligen erklären nur für dieses Kind, es auch begriffen hat und dann vielleicht eine 3 im Test schreibt, so stört es die Lehrer und die anderen Schüler massiv.

    Als ich in der Grundschule war, da fand ich den Unterricht extrem langweilig, weil ich, sowie einige andere die dann aufs Gymnasium gingen, die meisten Themen nach dem ersten oder zweiten mal erklären verstanden haben, während die, die dann auf Real und Hauptschulen gingen, teilweise 10-20 Erklärungen benötigten.

    Das hat schon damals dazu geführt, dass sich alle besseren Schüler im Unterricht gelangweilt haben, während die schlechteren den Unterricht normal empfunden.

    Das ist auch alles in Ordnung, da es ja eine Grundschule ist. Auf dem Gymnasium jedoch, gehen halt nur die besseren hin und entsprechend zieht auch der Unterricht an. Wir hatten dort z.B. in Mathe auch 2 Schüler, die starke Probleme mit den Fach hatten. Anfangs wurde noch alles sehr oft durchgekaut, damit diese auch mitkommen, als dann der Lehrer jedoch merkte, dass wir überhaupt nicht im Lehrplan stehen, wurde durch die ganzen anderen Themen so schnell durchgerannt, dass dann selbst die guten Schüler nicht mehr mitkamen und somit 4en und 5en schrieben und die beiden schlechteren schon gar nicht.

     

    Fazit meinerseits: Das segregative Schulsystem muss erhalten bleiben, um für das Wohl der schnelleren sowie langsameren Schüler zu sorgen, auch wenn dies vielleicht gegen die Eltern geht.

    • 9G
      970 (Profil gelöscht)
      @Maddin:

      Scheinbar bringt man euch am Gymnasium viel Stoff, aber wenig Leseverständnis bei.

       

      Maddin - es geht hier um Inklusion. Dabei geht's darum, dass verschiedene Kinder nicht denselben Stoff lernen. Sie lernen gemeinsam, aber nicht gleich schnell und nicht gleich viel. So schwer ist das doch nicht zu verstehen, oder?

  • @@Lehrerin,Tzapatu et al

     

    danke für die Anmerkungen zur Ernüchterung;

     

    generell geht es aber um einen recht unübersichtlichen Ausschnitt schulischer Bildung;

     

    zum hier leichterhand abgetanen Wunsch -

    mit seinen Schulkumpel weiter -

    nun - das war mal

    eherner Grundsatz

    deutscher Bildungselite via

    Vorschule bei Gymnasien -

    (wie mein Alter03 anmerkte - die später dazukamen, haben, wenn sie's überhaupt schafften, nie richtig dazugehört!)

     

    zu diesem Geist unserer Penne paßt es, daß deren Schüler heutzutage

    nach Kiel ziehen und gegen zarteste

    Gesamtschulüberlegungen nunja

    demonstrieren;

    (wie gern&warum frauman doch lieber untre nous ist - will ich hier mal lieber nicht näher ausführen)

     

    Inklusion? -

    das Problem der Über/Unterforderung findet sich in jeder Schulform(und - gern übersehen - bei jedem Schüler);

     

    Abschottung - muß nicht sein -

    nö, wenn

    Herkunft/Klasse/Geld stimmen:

    unser Muskelschwundmitschüler betuchter Eltern wurde vom Klassenverband getragen -

    auch zackoflex die Stockwerke rauf&runter

    (Franziskaner waren Elevatorkiller).

     

    Die Gymnasialwagenburginsassen sollten sich aber schon fragen lassen,

    woher sie eigentlich immer noch die Chuzpe nehmen, die Stirn haben,

    derart selbstbezüglich-egoistisch sich auf's St.Florians-Prinzip zu berufen!?

     

    (ps. mit einer schwerbehinderten Mutter aufgewachsen; in Marburg studiert, wo behinderte Kommilitonen zum studentischen Alltag gehörten;

    dank Stroke auch behindert;

     

    kurz:

    der Stein bestimmt das Bewußtsein -; schon um diese menschliche Reifung bringen sich die Gegner der Inklusion;

    von der&sonst die Schulbürokratie offensichtlich aber auch keinen Schimmer hat;-(

  • Ich habe den Fall schon aus beruflichem Interesse genauer verfolgt, speziell über die lokalen Medien.

    Daraus gingen folgende Fakten hervor, die sicher einige der Foristen interessieren dürften in Bezug auf Ihre Bewertung der Situation.

    - Selbst die Eltern sagen klar dass er nie einen Schulabschluß schaffen wird, da er noch nicht mal richtig lesen kann.

    - Den Eltern wird über eine Bildungswegekonferenz sowohl ein sonderpädagogisches als auch ein inklusives Angebot gemacht. Nur die Eltern wollen unbedingt ein bestimmtes Gymnasium durchsetzen, etwas das auch sonst nicht geht, wenn zb im städtischen Raum ein Gymnasium zu viele Anmeldungen hat, wird umverteilt auf die die noch Platz haben. Auch wenn es den Eltern nicht gefällt.

    - Zwei körperbehinderte Kinder desselben jahrgangs wurden vom Gymnasium aufgenommen, es geht also nicht "gegen Behinderte"

    - und vor allem haben sich die Eltern von aktuellen Mitschülern geäußert, und zwar dergestalt, dass sie die Inklusion auf keinen Fall forsetzen möchten, und eher ihre Kinder dann woanders anmelden als sie fortzuführen, und zwar wegen der Erfahrungen mit der Inklusion, vor allem aber mit den Eltern des Jungen, ähnliches in bezug auf Vereine im Heimatort.

     

    Somit klingt die Forderung, er müsse unbedingt aufs Gymnasium um mit seinen "Freunden" zusammenbleiben zu können zumindest für mich leicht absurd. Da geht es um ganz andere Dinge, und die Klassengemeinschaft wird sich wohl sowieso auflösen

     

    Da fragt man sich schon geht es hier um das Wohl des Kindes?

  • P
    Pause

    Herrscht hier eine generelle Leseschwäche, oder haben viele erstmal einen Kommentar geschrieben?

    Die Schule ist nicht generell gegen Menschen mit Einschränkungen, da zwei alternativ begabte aus seiner Klasse an das Gymnasium wechseln können. Inklusion im richtigen Rahmen macht Sinn. Oder sollen jetzt alle Eltern von Kindern mit Lernschwächen ihre Kinder aufs Gymsasium schicken, damit diese dort unter die Räder kommen?

  • 8G
    8545 (Profil gelöscht)

    Empathie und soziale Intelligenz werden als wertlos betrachtet,

    von Vielen gar nicht bewußt wahrgenommen.

    Wir sind Menschen, keine kleinen Computer.

    Eine armseelige Entscheidung der Schule.

    Das wäre eine großartige Erfahrung für die "normalen" Schüler und ihre Eltern geworden, die sie sich aus kleinherziger Angst selbst verbaut haben.

    Traurig für alle Beteiligten.

    • @8545 (Profil gelöscht):

      was heißt hier "armselige entshceidung "der schule""? entschieden hat die schulkonferenz - drittelparitätisch besetzt mit eltern, schülerInnen, lehrerInnen - vermutlich nach längeren diskussionen - wer soll das sein, "die schule"?

      wenn aber jetzt "von oben" die inklusion henris erzwungen würde, wäre das womöglich ein präzedenzfall für die übersteuerung von schulkonferenzbeschlüssen durch eingreifen "von oben".

    • @8545 (Profil gelöscht):

      Traurig ist es, dass die Eltern Ihr Kind unbedingt aufs Gymnasium schicken wollen. Empathie und soziale Intelligenz hin oder her, letztlich kommt es auf messbare schulische Leistungen an. Was denken Sie denn, was dem Kind angetan wird, wenn es nach ein paar Wochen merkt, dass es doch deutlich anders ist als die anderen, anders hinsichtl. der schulischen Leistungen, und sich dieser Leistungsabstand von Woche zu Woche vergrössert? Und das wollen Sie 8 oder 9 Jahre durchziehen? Und danach, gehts dann in die Uni? Vielleicht sollte wirklich mal jemand an das Kind denken.

      Für mich gibt es kein stichhaltiges Argument, warum dieses Kind auf das Gymnasium gehen sollte. Mit der Verämderung des sozialen Umfeldes müssen fast alle Kinder nach der 4. Klasse umgehen.

    • @8545 (Profil gelöscht):

      Grundsätzlich und menschlich richtig - aber im G8 gibt es weder Zeit noch Fachpersonal dafür. Mit einer 30er Klasse kriegen Sie nie das Buch und den Stoff durch, wenn die Leute nicht leidlich fit sind (schulisch) und mitmachen - und gute Grundschüler/innen sind. Da muss massiv investiert werden, damit Inklusion gehen kann - max imal 20 in der KLasse und dauernd ein/e Sonderpädagog/in dabei für die nicht schulfähigen Kinder. Das kann keine/r so nebenher, wenn es auch noch was bringen soll. Davon ist aber keine Rede - es wird nur gespart.

  • Wiederholen? Das wäre ja wieder diskriminierend und würde das Kind aus seinem Umfeld reißen. Also immer in der Klasse bleiben. Die "Inklusion" ist das Ende des Gymnasiums und die Einheitsschule. Dann folgt der Verzicht auf Noten - wegen der Frustration. Ende des Leistungsprinzips. Resultat? Eltern müssen Leistung selbst überwachen und Unis usw müssen testen, wer noch Lesen und Schreiben kann. Das ist konsequent.

  • Regelschulen fordern von Ihren Schülerinnen und Schülern eine definierte Wissensleistung für jede Klassenstufe. Allen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Besonderheiten muss ermöglicht werden den Weg hierfür zu beschreiten, wenn notwendig mit besonderer Unterstützung.

    Das ist Inklusion.

    Wird die Wissensleistung nicht erbracht, muss die Klassenstufe wiederholt oder die Schulart gewechselt werden.

    Auch das gehört zur Inklusion.

    • @Birgit KNoblauch:

      Aus NRW kenne ich die Variante, dass "zieldifferent" gearbeitet wird, d. h. man erkannt an, dass das betreffende Kind den sonst intendierten Abschluss nicht erreichen kann. Sitzenbleiben ist dann ganz verpönt, weil auch diskriminierend.Bringt meistens auch nix.

  • Art. 3 Abs. 3 GG: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden"!

     

    Wenn die Verantwortlichen der Schule die Gesetze nicht kennen, sollten Sie als Lehrer bzw. Pädagogen zumindest wissen, was für das Kind und sein Wohl das Beste ist!

     

    Peinlich so etwas von einer Schule erfahren zu haben. Und diese Schule bzw. das Gymnasium bekommt wahrscheinlich noch staatliche Zuwendungen aus Steuergeldern.

    • @Stefan Mustermann:

      Ja, aber wer den Notensatz nicht erfüllt und somit andere Schüler aufhält, hat an einen Gymnasium nix zu suchen.

      In Deutschland herrscht nicht umsonst ein segregatives Schulsystem, wer nicht gut genug ist, wird ausgesondert. Die Schule würde sich wohl kaum so vehement wehren, wenn das Kind gute Noten hätte.

  • Der Untergang bürgerlicher Bildungskultur wird kaum in der Aufnahme von Schülern mit Down-Syndrom auf einem solchen Gymnasium besiegelt werden.

    Bedenklich ist doch, dass die Eltern argumentieren, dass die bisherige Umgebung des Kindes nur dann bestehen bleiben kann, wenn es auf das Gymnasium wechselt. Als ich aufs Gymnasium ging, war das für mich ein vollständiger Umgebungswechsel. Das hatten nur 4 in der Klasse meiner Grundschule gemacht. Heute ist das Gymnasium, zumindest so eines da in Walldorf in Baden-Württemberg die Regelschule offenbar.

    Warum auch nicht? Taxifahren, Putzen gehen und HartzIV empfangen kann man auch mit Abi. Die Zuordnungsfunktion hat dieses dreigliedrige Schulsystem längst verloren. Damals waren kaum Schüler auf dem Gynasium, deren Eltern es nicht schon besucht hatten. Bestimmt keine sinnvolle Selektion.

     

    Aber das Beispiel zeigt auch schön, warum Inklusion heute so toll gefunden werden soll. Man spart doch gut Geld. Man braucht nur einen Sonderpädagogen auf der ein oder anderen Schule und der Rest der Lehrerschaft ist eben doof, wenn er sich für unfähig hält, eine Pädagogik, die sie nie erlernt haben, anzuwenden.

     

    Btw: Nur mal so. Mit 10 oder 11 sollte jemand, der korrekt gefördert ist, mit Trisomie 21 schreiben können. Natürlich abhängig davon, welche Stufe der Trisomie 21 da vorliegt. Da ist nämlich der gewaltige Unterschied zu Kindern ohne Down.Syndrom. In den frühen Lebensjahren sind sie ähnlich begabt wie die nicht-behinderten Schüler. Wenn man ihnen dann viel beibringt, den Wissensdurst ausnutzt, sie also individuell fördert, dann haben sie eine Chance, sich möglichst normal einzugliedern. Mit 10 oder 11 wird der Unterschied schon recht deutlich.

  • "Rot-Grüner Kultus-Kmehr"?

     

    Meinen Sie BaWü ist Kambodscha und die rot-grünen Menschen stellen die ethnische Mehrheit, oder was wollen Sie mit dieser Bezeichnung aussagen? Oder haben Sie sich gar nicht verschrieben und es handelt sich um ein regionales Idiom?

     

    Zum Thema: Es gibt Menschen mit Down-Syndrom, die haben ein Hochschulstudium abgeschlossen. Warum sollte der Junge einen ordinären Schulabschluss also nicht schaffen können? Im Artikel wird eine ungünstige Prognose gegeben. Die Frage ist aber, liegt das am Kind oder am mangelhaften Überblick der Erwachsenen?

    • D
      D.J.
      @Dhimitry:

      Bleiben mir beim Konkreten: Er lernt noch - mit Mühe - schreiben. Nichts ist unmöglich - kann ja sein, dass er Spätstarter ist. Mag sogar sein, dass die Erwachsenen, auch die mit einer vieljährigen Ausbildung in Sonderpädagogik, zu blöd sind, wie Sie suggerieren. Dann gäbe es aber noch die Möglichkeit, später zum Gymnasium zu wechseln.

      • @D.J.:

        So wie ich das verstanden habe geht lediglich der Philologenverband davon aus, dass in diesem Fall kein Schulabschluss erreicht werden kann.

         

        Nun können wir beide den Fall aus der Distanz nicht abschließend beurteilen.

         

        Mir ging es eher darum der Annahme zu widersprechen, Menschen mit Down-Syndrom könnten grundsätzlich keine höheren Bildungsabschlüsse erreichen. Es gibt Menschen die schaffen das. Ob das jetzt an inklusiven Schulen oder persönlichem Fleiß liegt, kann ich widerum nicht beurteilen.

         

        Der erste Post war eigentlich auch als Antwort auf AMA.DABLAM gedacht.

        • A
          ama.dablam
          @Dhimitry:

          Den Kommentar hat aber die Zensur gekapert...

        • D
          D.J.
          @Dhimitry:

          Sie haben Recht. Von einer Stellungnahme des Sonderpädagogen war tatsächlich keine Rede - da habe ich zu viel reingelesen. Würde mich aber interessieren.

          Prinzipiell haben Sie Recht, dass höhere Bildungsabschlüsse möglich sind.

          Ob die Trennung nach 4 Jahren der Weisheit letzter Schluss ist, ist auch zu bezweifeln.

          Doch ich vermute, Sie stimmen mit mir auch überein, dass im derzeitigen System die Frage entscheidend ist, ob eine realisische Chance auf Erreichen des Abiturs gegeben ist.

          • @D.J.:

            Ich denke, dass das derzeitige System der Kern des Problems ist. Aber das würde jetzt zu weit führen.

            Ich denke aber darüber hinaus, dass solche Erfolgsprognosen grundsätzlich problematisch sind. Es ist meines Erachtens fairer, Chancen zu eröffnen und die Lage im Verlauf zu beurteilen. Eigenes Scheitern ist viel gesünder, als von anderen gesagt zu bekommen "das schaffst du sowieso nicht". Wenn die Kinder überfordert sind oder das Klassenklima leidet, kann später immernoch separiert werden. Wenn nicht, sehe ich keinen Grund dafür, warum Menschen "mit Behinderung" nicht auf dem Gymnasium mitlernen sollten, ohne das Abitur anzustreben.

  • D
    D.J.

    Kein Spaß: Ich habe, als ich vor ein paar Tagen das erste Mal von der Sache hörte, das Ganze für eine üble Satire auf Kosten von Kindern mit Down-Syndrom gehalten.

  • Genau! Nicht ohne Grund lassen sich weit über 90% der angehenden Mütter nach pränataler Untersuchung und Feststellung von Trisomie 21 das Kind abtreiben. Ist ja minderbemitteltes Fleisch. Macht nur Probleme, sieht komisch aus und könnte anstrengend werden. Da haben wir ja doch noch was aus der Vergangenheit gelernt.

     

    Und jetzt mal ernsthaft: Trisomie 21 ist auch nicht schwarz und weiß. Es existieren auch einige hochbegabte "Behinderte". Im Gegensatz zu uns "Normalen" haben die aber immer ein Lächeln parat. Denkt ersteinmal darüber nach in was für einer Gesellschaft wir leben. Schönen Gruß

    • @Quintus:

      Sie haben es nicht begriffen, oder? Das Kind soll nicht aufs Gymnasium, weil es nicht auch nur annähernd die schulischen Anforderungen des Gymnasiums erfüllt. Punkt. Das geben ja selbst die Eltern zu. Mit der Argumentation des sozialen Umfeldes,wie hier angeführt, können Sie dann im Prinzip ja jeden Schüler, egal wie schlecht seine schulischen Leistungen sind, aufs Gymansium überführen. Nebenbei: was passiert eigentlich, wenn der Schüler das Klassenziel nicht erreicht? Klassenwiederholung in der Endlosschleife?

  • wir haben mittlerweile das problem, dass jede menge sozialbehinderte auf den gymnasien dieser nation rumkrebsen. meistens von uebermotivierten eltern dorthin entsendet um die eigenen lebenslaufdefizite zu kompensieren. das sind dann genau die schueler die nach bestandenem abitur sich lieber einer mittelmaessigen sozialversicherungspflichtigen ausbildung verschreiben. oder noch ganz anders: herr rechtsanwalt schlau und frau chefredakteurin schlau haben ein kind zusammen. und was ergibt das natuerlich laut konservativ-buergerlicher rechnung? na klar, weiss doch jeder! kind ist natuerlich auch schlau. und wo muss es dann hin?auch klar, wie jeder weiss plus und plus ergibt plus. kenn' wir alle aus dem matheunterricht, also aufs gymnasium damit. dort darf es dann seine eigene unzulaenglichkeit erfahren und die dann mit einem schulhofmassaker der bildzeitung mitteilen.

    • 3G
      3784 (Profil gelöscht)
      @Klaus Pietschmann:

      Bei den Einsprüchen von Eltern und Lehrer dürfte die Fähigkeit, vorgegebene Zeiten für vorgegebene Dinge einhalten zu können, Vorrang haben gegenüber allen weiteren Erfordernissen, diese daher als nachrangig zu vernachlässigen sind. Hier sehen sich solche Eltern im Einklang mit solchen Lehrern, deren Credo lautet, was Du heute nicht kannst, lernst Du morgen nimmermehr.

      Den Vogel schießt aber das Argument ab, welches bis heute friedliebend vor sich hin dösende Schulhöfe heimgesucht sieht, auf welchen sich in Zukunft Kinder mit/wegen Down-Syndrom tummeln, die mit Schusswaffen ihr Unwesen treiben.

      Meine Erfahrung zeigt mir mehr, dass die Mehrzahl der „normalen“ Kinder, die bei Eltern, Lehrer und Personalchefs höchst gerne gesehenen Abiturienten darüber völlig unfähig geworden sind, zu „empfinden“. Aber dazu wurden ja nicht Schulen geschaffen. Und so drängt sich mir die Befürchtung auf, dass es der „Sozialbehinderten“ nicht wenige gebe, die längst das Gymnasium erfolgreich hinter sich lassend als sogenannte „Normale“ erfolgreich ihr Unwesen treiben, und ein Schulkamerad mit Down-Syndrom sie darüber hätte präventiv belehren können.

      Ich, als Elternteil von sogenannten „normalen“ Kindern würde es daher begrüßen, wenn neben diesen im Gymnasium ein Kind mit Down-Syndrom säße. Zum Wohle der Entwicklung meiner Kinder und deren Lehrer. Und sollte dies der Grund dafür sein, dass mein Kind eine „Ehrenrunde“ dreht: Welcher Nachteil könne ihm daraus schon entstehen als jener, dass es ein Jahr später den Personalchefs zugeführt werde, um sich dort üblichem surrealen Schauspiels auszusetzen? Es wäre nur der Preis, der für einen möglichen Gewinn zu bezahlen ist, der ihm aus einem Schulkameraden mit Down-Syndrom erwachse: Später, als „normaler“ Erwachsener kein „Sozialbehinderter“ zu werden.

      • @3784 (Profil gelöscht):

        so logisch so lebensnah

  • Die Kindesmutter ist revolutionär und aggressiv - sie erwartet, dass das GY-BaWü sich ihrem Kind anpasst. Richtig ist aber, dass die Eltern das Kind dem GY anpassen. So war es immer und so soll es auch bleiben. Sonst würde das ganze Sortier-Schulsystem kollabieren.

    Den überlasteten GY-G8-Lehrkräften irgendwas vorzuwerfen, ist frech. Da soll sie lieber Sonderpädagog/innen im GY fordern. Sehr spannend das alles. Typisch deutsch.

    • @guido-nrw:

      Es liegt im Konzept der Inklusion begründet, dass sich Institutionen an Menschen anpassen. Es geht nicht um die Integration von Menschen in bestimmte Gruppen, sonderd darum Hindernisse für ein Miteinander auf Augenhöhe abzubauen. Dass sich exklusive Institutionen wie Gymnasien dabei am stärksten wandeln müssen, liegt auf der Hand. Das ist nicht frech, sondern die Idee des Ganzen.

      • @Dhimitry:

        komisch: ich habe schon gemeinsame sitzungen mit kollegInnen der damaligen haupt- und realschulen erlebt, die nach langen jahren z.t. böser erfahrungen entschieden der meinung waren und sind, dass das kind (vor allem die eltern) sich an das "system", die institution anzupassen habe. wie, bitte, soll denn eine "instution" mit 1270 kindern/jugendlichen und 105 lehrerInnen samt s eltern, hausmeistern, vorschriften sich an 1-50 kinder anpassen?

        wie soll die anpassung aussehen? wer zahlt das? - das gesamte konzept ist keines, es ist nicht ausgereift und es geht vor allem um's sparen.

        nebenbei: die erfahrung lehrt, dass sozialverbände / -gruppen, die aus der grundschule z.b. an's GYM kommen, spätestens mit beginn der 7. klasse auseinanderfallen, weil neue freundschaften gebildet werden, weil klassen umstrukturiert werden.

        es bleibt der gelinde eindruck, dass hier - verständlich? - ein kampf geführt wird um die anerkennung der eltern - inklusion also nur ein vehikel - wer weiß?

  • Offensichtlich gibt es keine Probleme auf der Welt.

    Wenn so was ernsthaft diskutiert wird - die Dekadenz lässt grüßen!

  • Entweder das Gymnasium wird durch eine Einheitschule ersetzt, oder "Inklusion" geht nicht. Nun weiß man aber seit Hamburg, dass die Abschaffung des Gymnasium der sicherste Weg ist, die nächste Wahl zu verlieren. Da muss die Politik sich entscheiden.

    Jedenfalls können nicht die "normal" wenigerbegabten Kinder vom Gymnasium geschickt werden, und die "besonders" Andersbegabten dürfen bleiben.

    Die Entscheidung ist zwischen Partizipation und Leistung zu treffen. Was es nicht leichter macht, ist , dass zeitgleich tausende von Lehrerstellen gestrichen werden - also mit einer Verbesserung der Schule wird es nicht gehen.

    Und den GY-Lehrkräften ist es nicht zu verdenken, noch mehr zuarbeiten ohne Ausbildung für Sonderpädagogik und ohne Rabatt für die G8 Arbeit.

    Typisch deutsche Gedönsmaximierung.

    • 6G
      6028 (Profil gelöscht)
      @guido-nrw:

      Das Problem scheint mir zu sein, dass in unserem bestehenden System die 'normal Wenigerbegabten' aussortiert werden, weil die Mehrheit der Eltern eine Schule will, die ein gewisses Mindest-Leistungsniveau garantiert um anschliessend die Lebenschancen 'gerecht' zu vergeben.

      Ab einem gewissen Behinderungsniveau soll dann aber eine besondere Härtefall-Mechanik greifen: das Kind ist durch seine Behinderung derart benachteiligt, dass man es ihm nicht zumuten kann, es zu auszuschliessen. Bei allem Mitgefühl für das behinderte Kind: was ist mit den durchschnittlich Wenigerbegabten? Haben die einfach nur Pech gehabt, weil sie nun mal kein spektakuläres Problem darstellen?

      • @6028 (Profil gelöscht):

        Sehe ich auch so. Über Art 3 GG Gleichbehandlung muss das GY dann alle Kinder nehmen - und dann ist es nicht GY, sondern Einheitsschule. Gerade für BaWü wäre das revolutionär - also Wahl 2017 für rot-grün vergeigt. Soviel ist sicher. Mal sehen.