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Inklusion Die Journalistin Rebecca Maskos engagiert sich für den Abbau von Vorurteilen gegen behinderte Menschen. Ein Gespräch über Diskurse und Normen„Es nervt die Schablone“

Ganz normal: Rebecca Maskos arbeitet wie jede andere Journalistin auch Foto: Nikolai Wolff

Interview Tillmann Bauer

taz: Frau Maskos, Sie beschäftigen sich seit Jahren mit Menschen mit Behinderungen und ihrer Darstellung in den Medien. Außerdem leben Sie selbst mit der Glasknochenkrankheit. Was war das Schlimmste, was Sie dabei erlebt haben?

Rebecca Maskos: Mir fällt ein TV-Auftritt ein – ich war zu Gast in einer Talkshow zum Thema Glasknochen. Als ich dort angekündigt wurde, musste ich schlucken. Die Moderatorin meinte: „Gleich sprechen wir mit Rebecca Maskos, die schon fast 50 Knochenbrüche erlebt hat“. Da habe ich gemerkt: Es ist die Sensationsmasche, für die ich herhalten muss. Man ist zum einen das exotische Spektakel, zum anderen das bemitleidenswerte Opfer. Die meisten JournalistInnen nehmen an, dass man ganz ungewöhnlich lebt. Aber dass viele ein normales Leben führen, kommt bei einer Menge Leute gar nicht an. Das war zwar keine schlimme Erfahrung, aber eine interessante, aus der ich gelernt habe.

Welche Floskeln nerven denn am meisten?

Es nervt die Schablone. Entweder ist man das Opfer, das sein Leben tapfer meistert, oder man hat viel Lebensmut und wird damit zum Held. Die Vorstellung ist aber gleich: Behinderung bedeutet Leiden. Wenn man anders ist, ist das direkt eine negative Erfahrung – also leidet man darunter. Wer mit Behinderung ein normales Leben führt, muss besondere Kräfte haben: Das ist das Klischee. Der Klassiker ist die Formulierung „an den Rollstuhl gefesselt“. Doch das stirbt zum Glück aus. Viele denken trotzdem, einen Rollstuhl zu haben bedeute eine Einschränkung, die einen passiv macht. Das ist natürlich Quatsch. Ein Rollstuhl befreit ja. Wenn ich meinen Rollstuhl nicht hätte, müsste ich getragen werden. Das zeigt, was Sprache eigentlich ausmacht.

Aber wie konkret soll die Berichterstattung aussehen?

Genauso wie bei allen anderen. Wir machen Dinge nicht trotz, sondern mit unserer Behinderung. Wir wollen ernst genommen werden. Oft werden zum Beispiel Menschen mit Lernschwierigkeiten mit Vornamen angesprochen, als ob sie Kinder wären. Ernst genommen werden nur die Angehörigen oder BetreuerInnen. Bei so etwas fehlt die Augenhöhe. Es sind erwachsene Menschen, mit denen man ein normales Gespräch führen kann. Sie möchten nicht auf die Behinderung reduziert werden. Häufig haben behinderte Menschen, wenn sie sich an die Medien wenden, ein Anliegen. Trotzdem geht es dann oft nicht darum, sondern um die Behinderung. Das finde ich ärgerlich. Es macht einen wieder zu etwas anderem – und eben nicht zu einer ganz normalen Person.

Um gegenzusteuern, haben Sie das Projekt leidmedien.de mit ins Leben gerufen: eine Website, die JournalistInnen hilft, über behinderte Menschen zu berichten.

Wir möchten eine neutralere Sprache. Statt „an den Rollstuhl gefesselt“ beispielsweise „ist im Rollstuhl unterwegs“. Wichtig ist, diesen Sensationalismus herauszunehmen. Man muss nicht von einer „Tragödie“ sprechen, sondern kann es einfach „Leben“ nennen. Die Behinderung sollte nicht im Fokus stehen. Jede JournalistIn sollte sich außerdem fragen, ob er oder sie denn selbst gern mit so einer Sprache beschrieben werden möchte.

Hat sich seit der Gründung von leidmedien.de im Jahr 2012 etwas daran geändert?

Das ist schwer zu sagen, aber ich würde behaupten: ja. Ich habe den Eindruck, dass die Seite etwas bewirkt hat. Man merkt, dass in vielen Berichterstattungen der Ton neutraler ist als vor ein paar Jahren. Trotzdem gibt es noch welche, bei denen man sich nur an den Kopf fasst. Aber der Trend ist positiv.

Rebecca Maskos

Jahrgang 1975, ist Journalistin, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Aktivistin. Sie lebt mit der Glasknochenkrankheit und ist Expertin für die Berichterstattung über Menschen mit Behinderung.

Beim taz.lab wird Maskos über „Fremde in Sport und Medien“ diskutieren und ihre Erfahrungen teilen.

Lässt sich das auch auf das Fernsehen übertragen?

Na ja, es gibt inklusive TV-Formate. Die laufen aber alle zu nichtprominenten Sendezeiten. Im Fernsehen ist die Berichterstattung über Menschen mit Behinderung immer noch eine Randsparte. Dennoch gibt es auch dort einen Umbruch.

Sport erregt mediale Aufmerksamkeit. Was erhoffen Sie sich von den Paralympics dieses Jahr?

Man hat schon in London gesehen, dass die Paralympics mehr Aufmerksamkeit bekommen haben als in den Jahren zuvor. Viele Menschen sehen durch sie erst, wie viele Sportarten es gibt – und dass die total spannend sind. Der nächste Schritt ist, dass diese Sportarten gesellschaftlich anerkannt werden und Menschen ohne Behinderung dort mitmachen. Im Rollstuhlbasketball ist das schon so. Diese Inklusion auszubauen, das wäre schon cool.

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