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Initiative von Israels AußenministerLieberman fordert Rückzug aus Gaza

Israels rechts-konservativer Außenminister Lieberman überrascht mit der Idee eines Rückzugs aus dem Gaza-Streifen. Die Verantwortung soll komplett an die Hamas abgegeben werden.

Ein radikaler Mann mit einer radikalen Idee – fraglich, inwieweit die Regierung dahinter steht. Bild: dpa

TEL AVIV/BRÜSSEL dpa/apn | Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman hat mit Gedankenspielen zur Zukunft des Gazastreifens für Überraschung gesorgt. Der ultra-rechte Politiker will nach einem Zeitungsbericht die Verantwortung Israels für den Gazastreifen an die dort herrschende radikal-islamische Hamas-Organisation abtreten. Im Gegenzug werde Israel die Grenzen zu dem kleinen Palästinensergebiet hermetisch abriegeln, schreibt die Tageszeitung "Jediot Achronot" am Freitag.

Eine internationale Schutztruppe soll nach Vorstellung Liebermans die Grenzübergänge überwachen und den Waffenschmuggel durch Tunnel unter der Grenze von Ägypten zum Gazastreifen unterbinden. Die bisherige Blockade wäre damit aufgehoben. Waren könnten direkt von Europa aus in den Gazastreifen transportiert werden.

Lieberman will nach Informationen des Blattes seinen Vorschlag während des Besuches der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am kommenden Sonntag unterbreiten. Nach Angaben aus dem Außenministerium handelt es sich um eine private Initiative Liebermans und nicht um die offizielle Politik Israels oder des Außenministeriums.

Der Vorschlag Liebermans sei eine dramatische Änderung in der bisherigen Gaza-Politik Israels, schreibt das Blatt. Israel hatte bislang seine Blockade unter anderem damit begründet, dass die Hamas vom Westen als Terrororganisation eingestuft worden sei. Israel boykottiert die national-religiöse Bewegung, die Hunderttausende von Mitgliedern und Sympathisanten hat. Das Nahost-Quartett aus Vereinten Nationen, EU, USA und Russland verlangt von der Hamas als Voraussetzung für eine Normalisierung der Beziehungen, dass sie das Existenzrecht Israel anerkennt, sowie Terror und Gewalt abschwört.

Lieberman wolle Europa jetzt davon überzeugen, sich bei der Übertragung der Verantwortung an jene Kraft zu beteiligen, die de facto den Gazastreifen kontrolliert, schreibt das Blatt.

Währenddessen drängt die EU erneut darauf, die Gaza-Blockade zu beenden. Die Erklärungen der israelischen Regierung, die dreijährige Abriegelung des palästinensischen Gebietes lockern zu wollen, sei begrüßt worden, sagt EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton. "Nun warten wir, dass dies auch in die Tat umgesetzt wird". Die EU stehe bereit, die Öffnung der Kontrollposten für den Warenverkehr zu unterstützen. Einzelheiten dazu nannte sie nicht. Sie betonte, dass Europa einen grundsätzlichen Politikwechsel Israels mit Blick auf den Gazastreifen fordere.

Während ihres dreitägigen Besuches trifft sich Ashton unter anderem mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas. Es ist die zweite Reise der EU-Außenchefin in den Nahen Osten.

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13 Kommentare

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  • E
    end.the.occupation

    >> Ein kluger Schritt, wenn die EU sich mit den Palästinensern herumärgern muss ...

     

    Ich bitte Sie, wir ärgern uns doch längst mit den Palästinensern herum.

     

    Da sich Israel vor allen völkerrechtlichen Verpflichtungen drückt, zahlen doch die Vereinten Nationen und die EU alle Rechnungen - ab und zu auch einer der arabischen 'Bruderstaaten'.

    Die Marionetten-Regierung in Ramallah lebt so vorwiegend von unseren Geldern. Schliesslich braucht man für die Verhandlungsshow immer zwei Darsteller, während im Hintergrund die Abrissbirne gegen pal. Häuser donnert, beleitet vom Dröhnen der Betonmischer in den illegalen Siedlungen.

     

    Wenn die Israelis wieder mal Palästinenser massakrieren, dann sorgen wir nicht nur für den diplomatischen Flankenschutz - auch wenn, wie 2006, im Libanon, deutsche Staatsbürger dabei massakriert werden. Nein, wir zahlen auch für die Salbe und die Pflaster der Palästinenser, so wie wir auch die Waffen mitbezahlen, mit denen die Isralis sie massakrieren.

     

    Sogar die Siedlerstrassen werden - diesmal nicht von uns - sondern von USAID bezahlt.

     

    Der isr. Nationalfond zum Beispiel - der grösste Profiteur der ethn. Säuberung 48, der sich des Bodens der vertriebenen Pal. bemächtigt hat, natürlich legal nach israelischen Gesetzen - auch der ist hierzulande ein steuerbegünstigter e.V..

    Ein gemeinnütziger (!) Verein, der in Israel garantiert, dass 90% der Flächen nicht an Palästinenser verpachtet oder verkauft werden.

     

    Israel ist schlicht ein Schnorrer, der es sich zu Lasten der Palästinenser, der UN und der EU gut gehen lässt. Genau deswegen ist Boycott der Ansatz, um dem verwöhnten Gör die Flausen auszutreiben - etwa, dass wir für die Besatzung bis in alle Ewigkeit zu bezahlen hätten.

  • P
    Peter

    Ein kluger Schritt, wenn die EU sich mit den Palästinensern herumärgern muss dann bekommen wir vielleicht mal eine andere Sicht auf die liebe Hamas.

  • J
    Jan

    "Hermetisch abriegeln" - das ist keinesfalls nur buchstäblich sondern vielmehr im übertragenen Sinne zu verstehen! Liebermann will den status quo zementieren, mit dem Israel weit besser leben kann als die Palästinenser. Und dieses "Entgegenkommen" würde dann selbstverständlich auch weitere völkerrechtswidrige Siedlungen in anderen Teilen der palästinenischen Gebieten rechtfertigen. Und was bedeutet es für eine Region mit der Fläche der Stadt Köln vollkommen isoliert zu sein? Absolut keine Zukunftsperspektive. Von daher passt der Vorschlag zur politischen Gesinnung dieses Mannes. Ghettoisierung nannte man das vor 80 Jahren, aber wem ein Unrecht geschehen ist, und wenn es noch so lange zurückliegt, der hat eben einen völkerrechtlichen Freifahrtsschein - zumindest scheint das Herr Liebermann zu glauben.

  • N
    nakam

    zu kommentar nr.3

    es ist immer wieder interessant, dass die "israelkritiker" dem isralischen staat die verletzung der menschenrechte vorwerfen bzw. unterstellen, bei der hamas, hisbollah dem iran usw. allerdings gnade walten lassen. die israelische regierung ist sicher nicht die beste, um fortschritte auf den langen weg zu einer für alle akzeptablen lösung zu erzielen. positive impulse haben die hamas und ihre verbündeten bisher noch nicht gesetzt. dabei zeigt das westjordanland, dass sich relative ruhe lohnt. dort hat sich die lage beruhigt, ohne dass eine konkrete friedenperspektive dadurch entstanden ist. im augenblick setzt die fatah nicht auf terror. die hamas wird diesen weg nicht gehen wollen, auch wenn sich dadurch die lebensverhältnisse der bevölkerung verbessern ließen. man ist mehr an der eskalation und der durchsetzung der maximalziele interessiert.

  • G
    gelderlander

    WIE BITTE? Hatte nicht die Regierung Israels vor einigen Wochen - nach dem terroristischen Angriff auf die Hilfsflotte - behauptet, man habe keine Besatzungstruppen mehr in Gaza?

  • V
    vic

    Nichts Neues von Lieberman.

    Lieberman will den Lagerstatus Gazas zementieren und verschärfen, das ist alles.

    Das ehemalige Ost-Berlin war freier, die Bevölkerung konnte wenigstens noch in die DDR reisen und Handel betreiben.

  • K
    Kati

    Ich dachte, Israel hätte sich bereits zurück gezogen. Nun will es lediglich die Gefängnisbewachung an andere, UN oder EU, delegieren.

  • M
    mr.mammut

    Lieber Foristen, lieber Bernd,

    zunächst möchte ich ihnen nahe legen keine Vokabeln in die Finger zu nehmen, die einen Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen ziehen. Man kann der Hamas vorwerfen den Staat Israel vernichten zu wollen, antisemitisch im herkömmlichen Sinn ist sie aber gewiss nicht und erst recht nicht faschisch. Der arabische, bzw. palästinensische Antisemitismus (wobei dieser Begriff ad absurdum geführt wird, handelt es sich bei den Palästinensern doch ebenso um Semiten) hat seinen Anfang recht eigentlich erst mit der zionistischen Bewegung genommen.

     

    Was die Äußerung Liebermanns betrifft bin ich aus mehreren Gründen skeptisch:

     

    1. Man stelle sich vor, die Grenze auf dem Festland würde hermetisch abgedichtet und von der UN überwacht - würden damit die Raketenabschüsse enden? Die UN würde sich nur zum Steigbügelhalter für einen neuen Gazakrieg machen, denn auch sie könnte mit bloßer Grenzsicherung die Raketen nicht stoppen.

     

    2. Da schon vor der Lockerung der Gazablokade 90% der Güter über die Tunnel nach Ägypten nach Gaza gelangten, ist eine komplette Abriegelung von israelischer Seite einfach nur Augenwischerei.

     

    3. Die Hamas pfeift mit Sicherheit darauf, ob Liebermann ihr erlaubt in Gaza die Macht auszuüben.

     

    4. Eine hermetische Abriegelung eines so winzigen Landstrichs legt die Assoziation mit einem Gefangenenlager recht nahe und könnte der Hamas nur noch mehr Zuspruch bringen.

     

    5. Eine absolute Blokade seitens Israel, d. h. nicht nur (wie bisher) keine Wahrenausfuhr auf dem Landweg zu gestatten, sonder ebenso den Import komplett zu beenden, stellt ein nicht zu unterschätzende s logistisches Problem dar: alle Wahren müssten per Seeweg oder über Ägypten abgewickelt werden, was ohne immense finanzielle und organisatorische Mittel schwerlich ohne Sicherheitsrisiken für Israel gewährleistet werden kann.

     

    6. Mit Sicherheit würde die politische Preisgabe Gazas zu bedingungslosem Festhalten an den Siedlungen in der Westbank und ihrem Ausbau führen.

     

    Was will ein Ultrarechter wie Liebermann, der 2002 die IDF dazu aufforderte Gaza 'dem Erdboden gleich' zu machen? Welche Reaktionen will er provozieren? Der Hamas ginge ihr Feinbild damit nicht verloren, schließlich verlangt sie einen Nahen Osten ohne Israel. Ich hoffe damit falsch zu liegen, aber ich sehe darin nur ein Ziel: die Welt,bzw. die UN zu zwingen, bei der endgültigen Vertreibung der im Gazastreifen verbliebenen Palästinenser mitzuwirken, was zwangsläufig folgen würden, wenn die UN die Raketen nicht stoppt.

  • H
    Hinterlist

    Der Vorschlag ist tückisch: dann kann Israel ungestört die Kolonisierung des Westjordanlandes vorantreiben, die dortigen Palästinenser langfristig in den Gazastreifen abschieben und behaupten, dass man ja alles für den Frieden tue. Die Spaltung innerhalb der Palästinenser wäre gestärkt.

     

    Alles in allem also ein hinterlistiger und garnicht gut gemeinter Plan des Judäo-Faschisten Liebermann.

  • AN
    admiral nelson

    aha,

     

    lebt sich bestimmt noch angenehmer mit ner richtigen gefängnismauer.

    wärs nicht besser das gebiet gleich abzusprengen und im mittelmeer absaufen zu lassen?! tztz

  • E
    end.the.occupation

    Die einzige Überraschung besteht darin, dass die Nachrichtenagenturen die Forderung des aus Moldawien eingeführten Aussenministers und Bantustan-Planers Lieberman für eine 'Überraschung' halten.

     

    Genauso wenig überraschend ist die Einfältigkeit der bereits vorhandenen Kommentare.

     

    Btw. - in der aktuellen monde diplomatique gibt es einen interessanten Beitrag zu den "Rechtsvorstellungen" von Leuten wie Lieberman und Netanjahu: Den Menschenrechten wird in Israel nunmehr offiziell der Krieg erklärt - was zu einem Staat passt, der diese Rechte nicht an den Menschen - sondern dessen Glauben gekoppelt sehen will.

  • HB
    Hans Bert

    Ein mutiger, längst überfälliger Schritt! Respekt, Herr Lieberman!

  • B
    Bernd

    Die Idee finde ich nicht schlecht. Israel müsste dann nicht mehr für Gaza aufkommen und könnte sich voll und ganz der Sicherung der Grenze widmen da der Raketenbeschuss wohl nicht aufhören wird.

     

    Mal gucken wie die Hamas reagiert. Ich vermute aber das die von dem Vorschlag nichts halten wird. Da fällt ja das Feindbild Israel weg.

     

    Ich hoffe aber falls es so weit kommen wird das die EU Gaza nicht unterstützen wird, keine Gelder an die Faschisten dürfen fließen!