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Initiative hilft bei Wohn- und ArbeitssucheRückkehr in den Osten

Viele Brandenburger zogen weg, um woanders Arbeit zu finden. Einige wollen wieder zurück. Carolin Schönwald will ihnen die Rückkehr erleichtern.

Bei vielen Weggezogenen macht sich irgendwann Sehnsucht, Heimweh breit Foto: imago images/Westend61

Vier Jahre lang war Carolin Schönwald weg. Weg aus Müncheberg, der Kleinstadt in Märkisch-Oderland. „Mit 18 wollten alle hier raus. Nicht nur, weil sie am Wochenende feiern oder abends was trinken gehen wollen. Sondern weil man für eine gute Ausbildung damals einfach nicht hierbleiben konnte“, sagt sie. In Berlin und Leipzig studierte sie Sozial- und Theaterpädagogik und lernte dabei auch das städtische Lebensgefühl kennen. „Das kam mir fast wie ein Auslandsaufenthalt vor“, sagt Schönwald heute.

In dieser Zeit machte sich bei ihr aber auch eine Sehnsucht, Heimweh breit. Vom familiären Umgang auf dem Land, der Natur und dem Menschenschlag der BrandenburgerInnen kann die 33-Jährige noch heute in aller Ausführlichkeit schwärmen. Den Schwerpunkt in ihrem Studium legte sie auf „Gemeinwesenarbeit in Brandenburg“, im letzten Semester pendelte sie aus Buckow nach Berlin. Nach der Studienzeit blieb sie in Buckow – die zehn Kilometer Fahrtweg zum Arbeiten in Müncheberg nimmt sie in Kauf.

Was sie in ihrer Ausbildung lernte, will Schönwald in ihrer Heimat einbringen. Noch während des Studiums trat sie dem Jugendförderverein Chance e. V. bei, dem sie mittlerweile vorsitzt. Mit dem Verein bringt die Theaterpädagogin autobiografische und dokumentarische Theaterprogramme auf die Bühne, die sich mit Geschichten und aktuellen Debatten aus der Region auseinandersetzen. „Das kam super an und hat uns viele Türen geöffnet.“

Heute trägt der Förderverein einen anderen Namen – auch wegen des demografischen Wandels, denn in Müncheberg leben doppelt so viele über 70-Jährige als Menschen unter 15. Das liegt auch an der Abwanderung, schließlich haben nach der Wende rund 800.000 Menschen Brandenburg verlassen. Schönwald findet, viele davon seien potenzielle Rückkehrer – wie sie selbst. Als der Verein von der Brandenburger Staatskanzlei ausgezeichnet wird, erfährt sie zufällig von den zahlreichen Rückkehrinitiativen im restlichen Bundesland – dabei soll rückkehrwilligen BrandenburgerInnen die Wiederkunft und -eingliederung so einfach wie möglich gemacht werden.

taz ost

Sechs Wochen im Osten: Vor der Landtagswahl in Sachsen am 1. September 2019 war die taz in Dresden. Seit dem 22. Juli waren wir mit einer eigenen Redaktion vor Ort. Auch in Brandenburg und Thüringen sind bzw. waren wir vor den Landtagswahlen mit unserem #tazost-Schwerpunkt ganz nah dran – auf taz.de, bei Instagram, Facebook und Periscope. Über ihre neuesten Erlebnisse schreiben und sprechen unsere Journalist*innen im Ostblog und im Ostcast. Begleitend zur Berichterstattung gibt es taz Gespräche in Frankfurt (Oder), Dresden, Wurzen und Grimma. Alle Infos zur taz Ost finden Sie auf taz.de/ost.

Gemeinsam mit Felix Brückmann, einem „Daheimgebliebenen“, gründet sie daraufhin in einem ehemals leer stehenden Gebäudekomplex ein eigenes Projektbüro, „hierzulande(n)“. „Wir wollen den Zuzug fördern und die Komm- und Bleibestrukturen stärken“, erklärt sie. Die Initiative soll jedem offenstehen, der gerne nach Müncheberg und Umgebung ziehen würde, ganz egal, ob als Rückkehrer oder Neubürger. Schönwald und Brückmann stehen dabei für alle Fragen zum Leben im Ort offen und helfen Interessierten so gut es geht, etwa bei der Suche nach Wohnungen oder Arbeit. Schließlich sollen sie bleiben.

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1 Kommentar

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  • Na ja, also Müncheberg liegt ja noch im direkten Einzugsgebiet von Berlin. Das war ja auch zu DDR-Zeiten kein besonderes Unterfangen selbst um von Buckow mit der Kleinbahn über Müncheberg zum S-Bahnhof Strausberg zu gelangen.

    Die neue "Stadtflucht" lässt grüßen, wenn die übersättigten Luxusspießer nun wieder ihre unstillbare Sehnsucht zur heimatlichen Scholle entdecken. Historisch gesehen übrigens eine Entwicklung, die Berlin groß gemacht hat. Der Hang der "Bessergestellten" nach "jwd" (janz weit draußen) war schon im 19. Jahrhundert ungebrochen. Für einen Teil meiner Familie war die Kate meiner Großmutter bei Belzig eine Lebensversicherung. Nur zwei Familienangehörige kamen bei einem Großangriff ums Leben, als die städtische Wohnung ausgebombt wurde, wie auch die Wohnung meiner Mutter in Friedenau.

    Aber auch damals war es absolut üblich täglich nach Berlin zu pendeln um der Arbeit nachzugehen. Sogar erschwert durch abendliche Alarme, die den Pendler dann weitab der Bahnlinie Schutz vor den Bombenangriffen suchen ließen.

    Nischt neues also - aber eine gute Richtlinie fernab der großstädtischen Kleinkariertheit und dem "unter der Käseglockeleben" lautet noch stets: "Go West!"