Initiative hilft bei Wohn- und Arbeitssuche: Rückkehr in den Osten
Viele Brandenburger zogen weg, um woanders Arbeit zu finden. Einige wollen wieder zurück. Carolin Schönwald will ihnen die Rückkehr erleichtern.
Vier Jahre lang war Carolin Schönwald weg. Weg aus Müncheberg, der Kleinstadt in Märkisch-Oderland. „Mit 18 wollten alle hier raus. Nicht nur, weil sie am Wochenende feiern oder abends was trinken gehen wollen. Sondern weil man für eine gute Ausbildung damals einfach nicht hierbleiben konnte“, sagt sie. In Berlin und Leipzig studierte sie Sozial- und Theaterpädagogik und lernte dabei auch das städtische Lebensgefühl kennen. „Das kam mir fast wie ein Auslandsaufenthalt vor“, sagt Schönwald heute.
In dieser Zeit machte sich bei ihr aber auch eine Sehnsucht, Heimweh breit. Vom familiären Umgang auf dem Land, der Natur und dem Menschenschlag der BrandenburgerInnen kann die 33-Jährige noch heute in aller Ausführlichkeit schwärmen. Den Schwerpunkt in ihrem Studium legte sie auf „Gemeinwesenarbeit in Brandenburg“, im letzten Semester pendelte sie aus Buckow nach Berlin. Nach der Studienzeit blieb sie in Buckow – die zehn Kilometer Fahrtweg zum Arbeiten in Müncheberg nimmt sie in Kauf.
Was sie in ihrer Ausbildung lernte, will Schönwald in ihrer Heimat einbringen. Noch während des Studiums trat sie dem Jugendförderverein Chance e. V. bei, dem sie mittlerweile vorsitzt. Mit dem Verein bringt die Theaterpädagogin autobiografische und dokumentarische Theaterprogramme auf die Bühne, die sich mit Geschichten und aktuellen Debatten aus der Region auseinandersetzen. „Das kam super an und hat uns viele Türen geöffnet.“
Heute trägt der Förderverein einen anderen Namen – auch wegen des demografischen Wandels, denn in Müncheberg leben doppelt so viele über 70-Jährige als Menschen unter 15. Das liegt auch an der Abwanderung, schließlich haben nach der Wende rund 800.000 Menschen Brandenburg verlassen. Schönwald findet, viele davon seien potenzielle Rückkehrer – wie sie selbst. Als der Verein von der Brandenburger Staatskanzlei ausgezeichnet wird, erfährt sie zufällig von den zahlreichen Rückkehrinitiativen im restlichen Bundesland – dabei soll rückkehrwilligen BrandenburgerInnen die Wiederkunft und -eingliederung so einfach wie möglich gemacht werden.
Sechs Wochen im Osten: Vor der Landtagswahl in Sachsen am 1. September 2019 war die taz in Dresden. Seit dem 22. Juli waren wir mit einer eigenen Redaktion vor Ort. Auch in Brandenburg und Thüringen sind bzw. waren wir vor den Landtagswahlen mit unserem #tazost-Schwerpunkt ganz nah dran – auf taz.de, bei Instagram, Facebook und Periscope. Über ihre neuesten Erlebnisse schreiben und sprechen unsere Journalist*innen im Ostblog und im Ostcast. Begleitend zur Berichterstattung gibt es taz Gespräche in Frankfurt (Oder), Dresden, Wurzen und Grimma. Alle Infos zur taz Ost finden Sie auf taz.de/ost.
Gemeinsam mit Felix Brückmann, einem „Daheimgebliebenen“, gründet sie daraufhin in einem ehemals leer stehenden Gebäudekomplex ein eigenes Projektbüro, „hierzulande(n)“. „Wir wollen den Zuzug fördern und die Komm- und Bleibestrukturen stärken“, erklärt sie. Die Initiative soll jedem offenstehen, der gerne nach Müncheberg und Umgebung ziehen würde, ganz egal, ob als Rückkehrer oder Neubürger. Schönwald und Brückmann stehen dabei für alle Fragen zum Leben im Ort offen und helfen Interessierten so gut es geht, etwa bei der Suche nach Wohnungen oder Arbeit. Schließlich sollen sie bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren