Initiative für afghanische Mu­si­ke­r: Hilfetweets aus Kabul

Die Initiative Save Kabul Musicians setzt sich für gefährdete afghanische Mu­si­ke­r*in­nen ein. In Deutschland fehle es an politischer Unterstützung.

Die 18-jährige Sahra Elham freut sich im Finale von «Afghan Star», der afghanischen Version von «American Idol», über die Siegertrophäe.

Lebt nun in Australien: die afghanische Sängerin Zahra Elham Foto: ToloTV/picture alliance

Einige wenige hatten Glück: Sie haben es außer Landes geschafft. Zum Beispiel die Musikerinnen der Gruppe Sound of Afghanistan, die in Kanada aufgenommen wurden und dort eine Refugee-Musikgruppe gründeten. Oder Sängerin Zahra Elham, die als erste Frau beim afghanischen Deutschland-sucht-den-Superstar-Pendant gewann und nun in Sicherheit in Australien ist. Oder aber die Mitglieder der Musikschule Afghanistan National Institute of Music, die kollektiv ausreisen konnten.

Doch viele tausende Mu­si­ke­r*in­nen verharren noch immer in Afghanistan, wo sie seit der neuerlichen Machtergreifung der Taliban im August 2021 in größter Gefahr sind. Die Islamofaschisten sehen Musik als „unislamisch“, sie beziehen sich im religiösen Wahn übrigens auf islamistische Vordenker aus dem Mittelalter. Instrumente werden verbrannt, Mu­si­ke­r*in­nen verfolgt, gefoltert oder getötet.

Mehrere NGOs wie die Artistic Freedom Initiative oder hierzulande die Initiative Save Kabul Musicians kritisieren die westlichen Regierungen scharf: Zu wenig hätten diese bisher unternommen, um afghanische Mu­si­ke­r:in­nen in Sicherheit zu bringen. Die Organisation Save Kabul Musicians hat daher vor wenigen Tagen eine Petition an die Bundesregierung gerichtet. Sie fordert die Aufnahme gefährdeter afghanischer Mu­si­ke­r*in­nen in Deutschland, vor allem der „Kabul Musicians“.

Die Kabul Musicians sind eine Gruppe von Musiker*innen, die – bis auf wenige Ausnahmen – in der afghanischen Hauptstadt verblieben sind und über einen Twitter-Account auf ihre aussichtslose Situation aufmerksam machen. Viele von ihnen sind jahrelang von deutschen Kulturinstituten wie dem Goethe-Institut gefördert worden und warten auf Hilfe aus dem Ausland.

Kämpfen für die Verbliebenen

Mit gegründet hat die Kabul-Musicians-Plattform der 23-jährige Pianist und Gitarrist Yama Ahadi. Er ist einer von nur drei Kabul Musicians, die bislang in Deutschland aufgenommen wurden. Seit viereinhalb Monaten lebt er in Potsdam, wo er an der Musikhochschule arbeitet.

Er sei Deutschland sehr dankbar dafür, aufgenommen worden zu sein, sagt er der taz, doch wolle er für seine zurückgebliebenen Kol­le­g*in­nen kämpfen: „Sie haben von der Musik gelebt. Musik war ihr Beruf. Jetzt können sie nicht einmal mehr Musik hören. Sie haben nicht nur große finanzielle Probleme, sondern sind in Lebensgefahr und brauchen Hilfe.“ Mit Unterstützung von Axel Steier, Gründer und Sprecher von Mission Lifeline, und weiteren habe er deshalb die Petition gestartet.

Der Berliner Rechtsanwalt Michael Mai setzt sich schon lange für die Aufnahme afghanischer Künst­le­r*in­nen in Deutschland ein. Es gebe eine Evakuierungsliste der Kabul Musicians, erzählt er, eine weitere Auflistung habe die Musikhochschule Franz Liszt in Weimar erstellt, die jahrelang eine Kooperation mit afghanischen Mu­si­ke­r*in­nen hatte. Allein auf diesen beiden Listen stünden bisher etwa 110 Fälle, sagt Mai („Fälle“ meint meist ganze Familien).

„Diese Zahlen beziehen sich aber nur auf einen kleinen Kreis von Mu­si­ke­r*in­nen in Kabul. Auf dem Land und in anderen Städten wird es noch sehr viele weitere bedrohte Mu­si­ke­r*in­nen geben, das geht sicher in die Tausende.“

Seit Oktober 2022 gibt es das neue Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan, über das bis Ende 2025 monatlich etwa 1.000 besonders gefährdete Personen aufgenommen werden sollen. Über ein Punktesystem soll festgestellt werden, als wie „individuell gefährdet“ jemand gelten kann. Auch Mu­si­ke­r:in­nen können das Programm nutzen, darauf verweist das Auswärtige Amt in einer Mail an die taz.

Doch der Start des Programms sei holprig verlaufen, kritisiert Mai, die Verfahren zögen sich zu lange hin. „Für die Aufnahme von Künst­le­r*in­nen fehlt derzeit faktisch die politische Unterstützung“, sagt er. Auch die Initiative Save Kabul Musicians zeigt sich enttäuscht von dem Programm: Kei­n*e ein­zi­ge*r Kabul Musician sei seither zusätzlich in Deutschland aufgenommen worden. „Die deutsche Regierung sollte denen helfen, die gerade dringend Schutz brauchen“, sagt Yama Ahadi. „Dazu zählen auch Kunst- und Kulturschaffende.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.