piwik no script img

Inhaftierung von AbschiebehäftlingenFlüchtlinge unter sich

Niedersachsen trennt Abschiebehäftlinge wieder von Untersuchungs- und Strafgefangenen und erfüllt damit – widerwillig – rechtliche Vorgaben.

Seit 1. Januar wieder strafgefangenenfrei: die JVA im niedersächsischen Langenhagen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Niedersachsen wird wieder rechtstreu – was die Unterbringung von Abschiebehäftlingen angeht. Mit dem Jahreswechsel ist die Abteilung Langenhagen der Justizvollzugsanstalt Hannover wieder eine ausschließliche „Abschiebungshafteinrichtung“ geworden. Das hat das niedersächsische Innenministerium dem Celler Landgericht mitgeteilt.

Flüchtlinge und Migranten, die sich einer staatlich angeordneten Ausreise widersetzen, sind nicht als Verbrecher anzusehen: Das geht aus einer Richtlinie der Europäischen Union aus dem Jahre 2008 hervor. Diese Menschen müssen daher im Falle einer Inhaftierung zum Zweck der gewaltsamen Abschiebung separat von „normalen“ Untersuchungs- oder Strafgefangenen eingesperrt werden.

In Folge des Föderalismusprinzips unterliegt der Strafvollzug in der Bundesrepublik der Länderkompetenz. 1999 konzipierte die damalige rot-grüne niedersächsische Landesregierung die Einrichtung in Langenhagen als reine Abschiebestation. Deren Auslastung allerdings sank, so dass später das inzwischen CDU-geführte Justizministerium auf die Idee kam, verstärkt auch Strafgefangene in der Anlage unterzubringen.

Zwar waren weibliche Abschiebehäftlinge strikt getrennt untergebracht, wurden in der sogenannten Freizeit jedoch mit Strafgefangenen „umgeschlossen“, um einer „Isolation“ entgegenzuwirken. Inzwischen liegt dem Europäischen Gerichtshof ein Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vor: Es soll prüfen, ob eine derartige Mischunterbringung dem europäischen Recht entspricht.

„Nicht zuletzt zur Vermeidung von Rechtsunklarheiten“ werde Langenhagen „ab dem 1. 1. 2014 der ursprünglichen Bestimmung als reine Abschiebehafteinrichtung zurückgeführt“, teilt Wilfred Burkhardt vom niedersächsischen Innenministerium dem Celler Landgericht mit. Das geschehe in Abstimmung mit dem Justizministerium und laut dem rot-grünen Koalitionsvertrag. In Langenhagen untergebrachte Strafgefangene werden demnach in die Hauptanstalt Hannover oder in andere Einrichtungen verlegt.

Das Land reagiere „spät und widerwillig“, sagt der hannoversche Rechtsanwalt Peter Fahlbusch, der in Celle für einen Mandanten geklagt hatte. „Aber die verfassungswidrige Unterbringung hat wohl nun ein Ende.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!