piwik no script img

Ingenieurin zum Equal Pay Day"Transparenz ist das A und O"

Typische Frauenberufe müssten endlich aufgewertet werden, fordert die Ingenieurin Karin Diegelmann. Dann würden dort in Kürze viel mehr Männer arbeiten.

Aufklärung gefragt: Bauleiter ist nicht mehr nur ein reiner Männerberuf. Bild: ap
Simone Schmollack
Interview von Simone Schmollack

taz: Frau Diegelmann, in Deutschland verdienen Frauen durchschnittlich 23 Prozent weniger als Männer. Bekommen Sie auch weniger als Ihr Kollege?

Karin Diegelmann: Ja, aber das liegt nicht an der Lohnlücke, sondern daran, dass er älter ist und zwei Kinder hat. Ich arbeite in einem Bereich, der angelehnt ist an den öffentlichen Dienst, daher müssten Frauen und Männer gleich bezahlt werden. Das regelt der Tarifvertrag.

Wenn Tarifverträge offiziell nicht nach Geschlechtern unterscheiden, wie kann es dann sein, dass Frauen im öffentlichen Dienst schlechter bezahlt werden als Männer?

Bild: privat
Im Interview: KARIN DIEGELMANN

KARIN DIEGELMANN 49, ist Bauingenieurin. Außerdem leitet sie die Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt in Darmstadt und ist Mitglied im im Deutschen Ingenieurinnenverband (DIB). Der DIB hat TOP 25 gestartet: Bis 30. April werden die 25 besten Ingenieurinnen Deutschlands gesucht.

EQUAL PAY DAY

Der Tag: Zum vierten Mal findet der Equal Pay Day statt. Bundesweit starten Sozial- und Frauenverbände Aktionen gegen die Entgeltungleichheit. Der Equal Pay Day, jeweils am 25. März, findet zum vierten Mal statt.

***

Hintergrund: Frauen in Deutschland verdienen durchschnittlich 23 Prozent weniger als Männer. "Typische" Frauenberufe werden von vornherein in der Pflege und im Bildungsbereich schlechter bezahlt.

***

Die Politik: Die SPD-Bundestagsfraktion hat in dieser Woche Eckpunkte für ein Entgeltgleichheitsgesetz beschlossen. Es sieht unter anderem Transparenz und Entgeltberichte vor.

Das liegt unter anderem an den oft überholten Tätigkeitsbeschreibungen für die Eingruppierungen und an den Leistungszulagen.

Die Tätigkeitsbeschreibungen für Frauen sind so gemacht, dass sie eine geringere Bezahlung rechtfertigen?

In den Sekretariatsberufen von Unternehmen und Verwaltungen sind fast ausschließlich Frauen beschäftigt. Heute sind das aber vielfach anspruchsvolle Managementassistenztätigkeiten. Die Beschreibungen sind aber nicht angepasst worden, und die Jobs werden nach den alten Profilen schlechter bezahlt.

Sind Frauen selbst schuld, wenn sie das mitmachen?

Nein. "Typische" Frauenberufe, vor allem auch jene in der Pflege sowie im Gesundheits- und im Bildungsbereich, sind unabdingbar für unser Sozialsystem. Deshalb müssen diese Berufe dringend aufgewertet werden. Wenn die besser bezahlt würden, würden dort in Kürze viel mehr Männer arbeiten. Und zwar auf allen Ebenen und nicht nur in Leitungspositionen, wie das jetzt der Fall ist.

Berechnungen zeigen, dass eine sechsmonatige berufliche Unterbrechung, beispielsweise durch Elternzeit, eine Lohneinbuße von 9 Prozent ausmacht. Nach einem Jahr sind es schon 15 Prozent. Müssen Frauen künftig auf die Elternzeit verzichten, nur um finanziell den Anschluss zu halten?

Diese Lücke kann man leicht schließen. Indem Mütter und Väter verpflichtet werden, zu gleichen Teilen Elternzeit nehmen.

Das müssen vor allem die Unternehmen mitmachen.

Natürlich. Arbeitgeber müssten dann auch bei einem jungen Mann einberechnen, dass er wegen Elternzeit eine Weile ausfällt. Das ist ein Gewinn für alle: Mütter und Väter sind bei den Kindern, Unternehmen profitieren von den Potenzialen der Frauen und die leidige Lohnlücke entfällt.

Norwegen und Schweden veröffentlichen jährlich Gehaltslisten im Internet. Jeder kann sehen, was der Chef, der Politiker, der Kollege verdient. Ist das auch in Deutschland vorstellbar?

Transparenz ist das A und O. Wenn es die gibt, dann können Frauen auch jene Summe einfordern, die ihnen im Vergleich zu Männern verweigert wird.

Sie sind Ingenieurin geworden. Weil Sie wussten, dass es hier mehr zu holen gibt?

Meine Eltern hatten für mich einen typischen Frauenberuf vorgesehen: Lehrerin. Weil der ja schön mit der Familie vereinbar ist. Aber das machte mir keinen Spaß, ich sattelte einfach um. Zum Schrecken meiner Familie.

Nur jede zehnte Ingenieur ist eine Frau. Haben es Ingenieurinnen unter Männern schwer?

Ich habe gerade ein Haus gebaut, als Bauleiterin. Aber ich wurde ständig gefragt: Wo ist denn der Chef? Beim Titel Ingenieur wird nach wie vor ein Mann erwartet. Uns Frauen wird technisches Verständnis abgesprochen, wir müssen beweisen, wie gut wir sind. Hier muss mit den Rollenbildern aufgeräumt werden.

Viele Mädchen wollen heute lieber Friseurin werden als Mechatronikerin.

Hier ist Aufklärung gefragt, besonders in der Schule. Wenn ein Mädchen weiß, dass eine alleinerziehende Verkäuferin in Teilzeit sich und ihr Kind nicht ernähren kann, eine alleinerziehende Ingenieurin in Teilzeit aber schon, entscheidet sie sich vielleicht anders.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • H
    HomoTechnicus

    @Christina: Was für Klischees meinst Du denn? So was in der Art, dass Maschinenbauer immer mit verdrecktem Blaumann durch die Gegend rennen? Meinst Du wirklich die Abiturientinnen von heute sind zu uninformiert, um nicht zu wissen, dass dem schon lange nicht mehr so ist? Die wissen das durchaus. Die wissen, dass die Arbeit eines Ingenieurs (Architekten sind übrigens *KEINE* Ingenieure!) mittlerweile hauptsächlich am Computer abläuft, aber selbst das bereitet eben nur den wenigsten Frauen "Spaß". Das hat - wie ich schon früher schrieb - evolutionäre Gründe. Viele Frauen wollen einfach nicht am Computer arbeiten. Ich arbeite an einem Institut der angewandten Forschung im Bereich Nachrichtentechnik (erwartungsgemäß mit absolut unterirdischer Frauenquote), und meine Denkweise ist nicht zu egozentrisch, um mir nicht vorstellen zu können, dass das, was ich mache, für viele Leute - insbesondere für Frauen - uninteressant ist...

    Was meiner Meinung nach noch dazu kommt ist, dass Frauen (auch aus evolutionären Gründen heraus) etwas ängstlicher bei der Studienwahl sind (Mal sehen, wieviele Gender Mainstreamer jetzt auf mich losgehen...) und sich daher eher für ein Studium entscheiden, in dem man durch Auswendiglernen alleine sicherer ist. Wie Du wohl aus eigener Erfahrung weißt, kann bspw. eine Matheklausur beliebig schwer gemacht werden, während man in einer Geschichtsklausur bei ausreichend Vorbereitung wohl kaum Probleme bekommen kann.

  • C
    Christina

    "typische" Frauenberufe müssen aufgewertet werden und es sollte eine gesellschaftlich Aufwertung von Familienarbeit statt finden. Die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen ist eine Tatsache, die sich nicht wegdiskutieren lässt. Hat eine Erzieherin mit 25 Schützlingen etwa weniger (Personal-)Verantwortung, als ein Gruppenleiter in der Industrie? Meiner Meinung nach nicht, aber es wird monetär ganz anders bewertet!

     

    Ich bin davon überzeugt, dass der Frauenanteil bei bestimmten Ingenieurberufen deshalb so gering ist, weil viele Klischees bestehen. Bei den Architekten liegt der Frauenanteil nahe der 50% beim Maschinenbau eher bei 10%. Beides sind Ingenieure, warum der Unterschied?

    Ich bin selber Maschinenbauingenieurin und finde es sehr schade, dass sich nicht viel mehr Frauen für den technischen Bereich entscheiden, anscheinend wissen die gar nicht was ihnen für ein Spaß entgeht.

  • F
    Florentine

    Und weiter geht die Kampagne mit den 'armen' Frauen. "taz: Frau Diegelmann, in Deutschland verdienen Frauen durchschnittlich 23 Prozent weniger als Männer. Bekommen Sie auch weniger als Ihr Kollege?"

    Die taz und Frau Schmollack machen sich nicht einmal Ansatzweise die Mühe zu recherchieren. Sonst könnte 'man' wissen, dass das Statistische Bundesamt seine Zahlen im Herbst 2010 (!)weit nach unten revidiert hat. 'Man' könnte weiter wissen, wie sich der noch verbleibende Gehaltsunterschied ergibt. Da die sich dann ergebende Realität weniger geeignet ist für manipulative Zwecke, bleibt 'man' lieber bei falschen Zahlen.

  • H
    HomoTechnicus

    Dass Frauen sich häufig mehr für soziale Zusammenhänge interessieren als für technische, hat evolutionäre Gründe.

    Warum tut man sich so schwer damit, das zu akzeptieren?

  • N
    nihi.list

    BlahSülzSabbel.

     

    Sie können den Stundenlohn für Frisöre verdreifachen und es werden trotzdem fast ausschliesslich Frauen in diesem Beruf arbeiten (zumindestens, bis der Laden pleite ist, weil wegen der Preise keine Kunden mehr kommen werden).

     

    Sie können den Stundenlohn von typischen Männerberufen (Müllfahrer, Softwareentwickler,...) halbieren und es werden trotzdem nur wenige bis keine Frauen dort arbeiten.

     

    Und was soll eine Liste mit offengelegten Gehältern bringen?

    Dass ein Ingenieur mehr verdient als ein Fleurist ist bekannt.

    Dass man bei Teilzeittätigkeit logischerweise weniger erhält als mit einer Vollzeitstelle ist ja auch klar.

    Aber in der Tat könnte mit so einer Liste gezeigt werden, dass im gleichen Job auch Männer unterschiedlich viel verdienen. Und dann? Soll das Gehalt der Frauen an das höhere oder niedrigere Gehalt angeglichen werden?

     

    Aber wo sind eigentlich all die Frauen, die wirklich benachteiligt sind (die also für die gleiche Tätigkeit und die gleiche Arbeitszeit weniger bekommen)?

    Im öffentlichen Sektor nicht, bei der taz wohl auch nicht und Frau Ingenieurin gehört ebenfalls nicht dazu.

    Bleibt die freie Wirtschaft, und hier auch nur die Betriebe, deren Vergütungssystem nicht durch Tarifverträge geregelt ist.

    Für die dort beschäftigten Frauen und Männer gilt: Jeder ist seines Glückes Schmied und für eine anständige Vorbereitung auf die Gehaltsverhandlungen selber verantwortlich.

     

    Übrigens: Vor einiger Zeit gab es eine Umfrage nach der Zufriedenheit der Mitarbeiter in den einzelnen Berufsgruppen. Nun raten Sie mal, welche Berufsgruppe die zufriedensten Mitarbeiter hat.

    Geld ist eben doch nicht alles.

  • E
    enrico

    "Wenn ein Mädchen weiß, dass eine alleinerziehende Verkäuferin in Teilzeit sich und ihr Kind nicht ernähren kann, eine alleinerziehende Ingenieurin in Teilzeit aber schon, entscheidet sie sich vielleicht anders."

     

    So ein Schwachsinn. Die unterschiedliche Ausprägung von Talenten bei den Geschlechtern ist Fakt. Natürlich gibt es Ausnahmen. Die absolute Mehrheit von Frauen wird keine gescheite Ingenieurin abgeben, wenn sie sich aus rein finanziellen Gründen dafür entscheidet. Für eine Frau, der das Berufsbild einer Friseurin oder Verkäuferin von der Sache her zusagt, wäre eine solche Entscheidung der direkte Weg zu Hartz 4.

  • F
    FAXENDICKE

    Natürlich sind die Frauen selbst schuld, wenn sie nicht dafür sorgen, dass typische Frauenberufe entsprechend aufgewertet werden. Wer sonst soll das denn tun, etwa die Arbeitgeber/rinnen. Da können die Frauen aber lange warten.

    Streiken, klagen, kämpfen bis ihr Eure Bosse so klein habt wie ihr Eure Ehemänner, dank Alice, schon habt das hat doch auch geklappt.