Ingenieur über World Overshoot Day: „Die Deutschen sind viel zu langsam“

Vom 1. Januar bis zum 8. August hat die Menschheit so viele Ressourcen verbraucht, wie die Erde in einem Jahr regenerieren kann, sagt Mathis Wackernagel.

Frauen wandern im Nationalpark Kellerwald-Edersee in Nordhessen.

Es reicht. Die Erde hat nix mehr Foto: dpa

taz: Herr Wackernagel, ab dem heutigen Montag lebt die Menschheit auf Pump. Was bedeutet das?

Mathis Wackernagel: Heute hat die Menschheit das Budget der Natur für dieses Jahr aufgebraucht. Die Menschheit hat also vom 1. Januar bis zum 8. August so viel von der Natur verbraucht, wie die Erde im ganzen Jahr regenerieren kann. Der Mehrverbrauch ist möglich, weil wir mehr CO2 in die Atmosphäre ausstoßen können, als unsere Ozeane und Wälder absorbieren, weil wir schneller fischen können, als sich die Fischbestände erholen, und wir Bäume schneller fällen können, als sie nachwachsen.

Welche Ressourcen sind besonders übernutzt?

Die Erde! Nein, im Ernst, am drängendsten ist das Problem der Aufnahmefähigkeit der Erde für CO2-Emissionen. Das Problem an Öl und Gas ist nicht, dass es zu wenig davon gibt, sondern dass die Erde die Verbrennungsrückstände daraus nicht mehr aufnehmen kann, ohne sich zu erwärmen. Die Welt ist wie ein Bauernhof, der uns alles gibt. Vor 150 Jahren war der CO2-Footprint praktisch null. Wenn wir die 2-Grad-Grenze von Paris einhalten wollen, müssten wir weltweit vor 2050 wieder auf diese Null zurück. Leider sind wir aber auf einem ganz anderen Weg. In Ländern mit hohem Einkommen können Wohlstand und Ressourcenverbrauch teilweise entkoppelt werden. Bei Ländern mit kleinem Fußabdruck wird es schwierig. Die wollen verständlicherweise mehr Reis, mehr Transport, mehr Licht. In China etwa hat sich der ökologische Fußabdruck in den letzten 15 Jahren pro Kopf verdoppelt.

Als Positivbeispiel nennen Sie die Energiewende in Deutschland. Doch die wird doch gerade ausgebremst, es werden weniger Solaranlagen installiert.

Das ist ja die Tragik, dass sogar schwache Beispiele noch die besten Beispiele sind. Die Deutschen sind viel zu langsam, aber viele andere machen gar nichts. Wenn wir messen, welche Länder ihre Politik am engsten an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen ausrichten, sind das Länder mit einem riesigen ökologischen Fußabdruck. Pro Kopf brauchen die dreimal mehr, als es pro Kopf auf der Erde gibt.

53, ist Gründer und Präsident des Global Footprint Network, das jährlich errechnet, ab wann wir von der Substanz der Natur leben.

Ist die „grüne Wirtschaft“ eine Antwort auf die Ressourcenfrage?

In der Theorie schon – wenn das bedeutet, innerhalb des Budgets der Natur statt gegen sie zu arbeiten. Nachhaltigere Praktiken sind nötig, aber nicht hinreichend. Nehmen sie die Ökolandwirtschaft. Die ist ressourcenschonender als die konventionelle. Aber wenn die Menschen mehr wollen, als die Erde regenerieren kann, dann geht das auch mit Biolandwirtschaft nicht. Wir brauchen Qualität, aber Quantität sticht Qualität.

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