Ingenieur über Staaten entlang des Nils: „Gemeinsames entwickeln“
Staudämme und Bevölkerungswachstum: Abdulkarim Seid versucht als Vizedirektor der Nile Basin Initiative bei Wasserkonflikten zu vermitteln.
taz: Herr Seid, die Nile Basin Initiative (NBI) bringt sämtliche Nil-Anrainerstaaten und die Länder im Nilbecken zusammen. Zu welchem Zweck?
Abdulkarim Seid: Um das gemeinsame Management und die Entwicklung im Nilbecken zu unterstützen, während unter den Anrainerstaaten eine Rahmenvereinbarung für die gemeinsame Nutzung des Nilwassers verhandelt wird. Die NBI hat 1999 durch ein Sekretariat die institutionellen Voraussetzungen für die Verhandlungen ermöglicht, die 1997 begannen. Sie sollte die Verhandlungen koordinieren und Dialog fördern, einen Austausch relevanter Daten ermöglichen sowie gemeinsame Investitionen entlang des Nils koordinieren. Damals war die Idee, eine Nilbeckenkommission einzurichten, sobald der Rahmenvertrag ratifiziert ist.
Zu der Ratifizierung ist es bis heute nicht gekommen. Warum?
Die Initiative erreichte erstmals, alle Nilstaaten an einen Tisch zu bekommen. Im Grunde geht es um die Koordination von Investitionen in Infrastruktur entlang des Flusses. Denn was in einem Land am Nil gebaut wird, kann Auswirkungen haben auf ein anderes Land. Doch bis heute wurde die Nilbeckenkommission nicht etabliert, weil die Verhandlungen 2009 eingestellt wurden, nachdem einige Länder wie Ägypten nicht unterzeichnen wollten.
Was sind die zentralen Herausforderungen?
Die größte Hürde ist es, die Erwartungen zu managen und gemeinsame Vorstellungen zu entwickeln. Der Vertrag, den die Staaten 2010 aufgesetzt haben, wurde von Sudan, Ägypten und der Demokratischen Republik Kongo nicht unterzeichnet. Es gibt eine zentrale Klausel in dem Vertrag, welche die Sicherheit der Verfügbarkeit von Wasser für alle regelt – auf die konnten sich die Länder nicht einigen.
Der Vertrag trat also nie in Kraft?
Der Äthiopier ist Vizedirektor der zwischenstaatlichen Nile Basin Initiative (NBI) mit Hauptsitz im ugandischen Entebbe am Victoriasee. Er ist studierter Ingenieur für Wasserwirtschaft.
Fünf Staaten haben den Vertrag 2010 unterzeichnet, das waren Ruanda, Uganda, Kenia, Tansania und Äthiopien; Burundi kam 2011 dazu. In den folgenden Jahren haben vier der Unterzeichnerstaaten den Vertrag in ihren Parlamenten ratifiziert, zwei stehen noch aus. Daher kann der Vertrag bislang nicht voll in Kraft treten und die Kommission, die die Initiative ablösen sollte, wurde nie etabliert. Sudan und Ägypten haben 2010 ihre Teilnahme an der Initiative eingefroren. 2012 kam Sudan dann zurück an den Verhandlungstisch, doch Ägypten nimmt bis heute nicht vollständig teil. Es sitzt zwar mit am Tisch, ist aber nicht an der technischen Umsetzung unserer Programme beteiligt.
Was geschieht, wenn die Nilanrainerstaaten sich nicht einigen?
Wenn wir die Probleme und Bedürfnisse der Länder nicht koordinieren, besteht das Risiko, dass zu viel Wasser verbraucht wird und die Auswirkungen auf gewisse Länder gravierend sind. Deswegen versuchen wir etwa, die Verfügbarkeit von Wasser voraus zu berechnen. Wir kalkulieren dabei mit verschiedenen Szenarien von Klimawandel, von Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum, von der Notwendigkeit der Bewässerung und vom Bau von Staudämmen bis 2050. Das größte Problem sehen wir im Bevölkerungswachstum. In den 1950er Jahren lebten rund 100 Millionen Menschen in den Ländern des Nilbeckens. Mittlerweile sind es rund 500 Millionen, also mehr als fünf Mal so viele. Aber die Wassermenge hat sich nicht vergrößert.
Welche Maßnahmen werden getroffen, damit kein Wassermangel eintritt?
Wir schaffen technologische Möglichkeiten, das Wasser für die Landwirtschaft zu optimieren, Wasser mehrfach zu verwenden, Meerwasser zu entsalzen, den Gebrauch von Wasser zu optimieren. Wir arbeiten daran, den landwirtschaftlichen Anbau zu reformieren, damit nicht so viele wasserintensive Nutzpflanzen wie Baumwolle angepflanzt werden.
Entlang des Nils sind zahlreiche Staudämme geplant. Wie hilft die NBI, diese Projekte zu koordinieren?
Der Zugang zu sauberem Wasser ist auf der Welt höchst ungleich verteilt. Ein Rechercheprojekt auf verschiedenen Kontinenten über Trinkwasser, Dürre, Überschwemmungen und Geldströme in der Entwicklungszusammenarbeit unter taz.de/wasser
Es sind insgesamt mehr als 20 große Staudammprojekte. Unser Ziel ist es, dass die Nutzung der Dämme flussaufwärts koordiniert wird mit dem Wasserbedarf flussabwärts. Wir installieren also überall Hydrometer, die den Wasserstand messen, und verstärken unsere Monitoring-Systeme, die die Menge sowie die Qualität des Wassers messen. Wir verbessern auch die Vorhersagen von Dürren und Überschwemmungen.
Momentan heizt sich der Konflikt zwischen Äthiopien und Ägypten um den Großen Renaissance-Staudamm in Äthiopien an. Hat das die Lage zusätzlich verschärft?
Ich habe Hoffnung, dass sich dafür eine Lösung finden lässt.
Die Deutschen sind die größten Geldgeber und Partner der Nilbecken-Initiative. Wie wichtig ist diese Zusammenarbeit?
Sehr wichtig, denn die Deutschen glauben an Dialog und stehen uns beratend zur Seite. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hilft uns technisch, finanziell und diplomatisch. Es ist sehr wichtig, dass die Deutschen als Partner neutral bleiben in der Nilfrage.
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