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Industrie soll länger Verbrenner bauenBundesregierung wirbt für Aus vom Verbrenner-Aus

Die Bundesregierung will, dass auch nach 2025 Hybrid-Autos verkauft werden dürfen. Zudem will sie den Kauf von E-Autos finanziell fördern.

Alles soll bleiben: Verbrenner, Hybrid-Autos und E-Autos. Hier die Produktion des E-Autos ID.3 von Volkswagen in Zwickau Foto: Hendrik Schmidt/dpa

rtr/taz | Hybridautos auch nach 2035, zugleich ein neuer Fördertopf für Elektroautos: Die Bundesregierung will der Autobranche angesichts der schleppenden Nachfrage unter die Arme greifen. Bundeskanzler Friedrich Merz kündigte an, er werde noch am Freitag einen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schicken und darin um eine Abkehr vom Verbrenner-Aus 2035 werben.

Nach dem Willen der Bundesregierung sollen auch in Zukunft Plug-In-Hybridautos und E-Fahrzeuge mit einem Benzingenerator erlaubt bleiben. „Unser gemeinsames Ziel sollte eine innovationsfreundliche und technologieoffene Regulierung sein, die Klimaschutz und industrielle Wettbewerbsfähigkeit in Einklang bringt“, sagte Merz.

Umweltminister Carsten Schneider sprach von einer pragmatischen Position. Die Klimawirkung bleibe, zugleich erhalte die Industrie mehr Flexibilität auf dem Weg zum Ziel Nullemissionen für Neuwagen 2035. Im Gegenzug sollten allerdings die Mehremissionen ausgeglichen werden, die beim Betrieb von Verbrennungsmotoren entstehen, etwa durch den Einsatz von grünem Stahl oder durch erneuerbare Kraftstoffe. „In der Summe bleibt die Klimawirkung der geltenden Regelung so erhalten.“

Kritik von Umweltverbänden WWF und DUH

Das sieht der WWF Deutschland anders: „Fossile Energien im Tank heizen die Klimakrise an und machen die Menschen abhängig von Ressourcen, die mit erheblichen geopolitischen Risiken verbunden sind“, sagt Viviane Raddatz, Klimachefin der Umweltorganisation, „Diesel und Benzin tragen auch zu einem höheren CO2-Preis für Haushalte bei.“

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nennt die Abkehr vom Verbrenner-Aus einen Skandal: „Selbst mit der derzeitigen Regelung zum Verbrenner-Ausstieg werden im Verkehrsbereich hunderte Millionen Tonnen CO2 zu viel ausgestoßen“, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Die „schwarz-rote Rückwärts-Koalition“ belohne das Schaufahren gegen den Klimaschutz von BMW, Mercedes-Benz und Co. „Umso dringlicher wird jetzt die Frage zur zivilrechtlichen Verantwortung der Autokonzerne“, so Resch, „wir werden das schmutzige Verbrenner-Geschäftsmodell der Autokonzerne mit unserer Klimaklage stoppen, die im März 2026 vorm Bundesgerichtshof verhandelt werden soll.“

Vor allem die Ministerpräsidenten der Autoländer hatten eine faktische Abkehr von dem EU-Regelwerk gefordert, demzufolge nach 2035 keine Autos mit direkten CO2-Emissionen mehr zugelassen werden dürfen. Entsprechend lobte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nun den Beschluss der Koalition und sprach von einem wichtigen Signal. „Das Auto ist und bleibt die zentrale Wertschöpfung in unserem Land“, sagte der CSU-Chef. Die Branche steckt derzeit in massiven Schwierigkeiten, allein in den vergangenen zwölf Monaten wurden fast 50.000 Arbeitsplätze vor allem bei Zulieferern gestrichen.

Der Branchenverband VDA sprach von einer guten Nachricht für die Autoindustrie. „Jetzt muss Deutschland umgehend mit starker und geeinter Stimme sowie entsprechendem Nachdruck auf europäischer Ebene und bei weiteren Mitgliedern der EU für die notwendigen Flexibilisierungen werben“, sagte VDA-Chefin Hildegard Müller.

Milliarden für eine überkommene Technologie

Die Organisation Transport & Environment widerspricht: „Mit Schlupflöchern für die Verbrennungstechnologie lässt sich die deutsche Automobilindustrie nicht retten“, sagt Sebastian Bock, Geschäftsführer von T&E Deutschland. „Sie verschleppen nur den Markthochlauf von E-Autos und verschwenden unter dem Vorwand der Technologieoffenheit Milliardeninvestitionen für eine Technologie, die längst ihren Zenit überschritten hat.“ Greenpeace warnte die EU-Kommission, mit dem Aufweichen der CO2-Vorgaben der Konkurrenz aus China Vorschub zu leisten. Die Anreize im Rennen um den Zukunftsmarkt Elektromobilität würden abgeschwächt.

Die EU-Kommission legt am 10. Dezember einen Änderungsvorschlag zu den CO2-Grenzwerten für Neuwagenflotten vor. Derzeit gelten die 2023 verabschiedeten Emissionsvorschriften. Demnach muss der CO₂-Ausstoß europaweiten Flottendurchschnitt ab 2030 um 55 Prozent verglichen mit dem Jahr 2021 gesenkt werden, ab 2035 dürfen Autos gar kein CO2 mehr ausstoßen. Die Ampel-Regierung hatte 2023 einen Passus durchgesetzt, dass auch nach 2035 Verbrenner-Fahrzeuge erlaubt bleiben, die mit CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben werden können. Allerdings wurde dieser Passus bislang von der EU-Kommission nicht umgesetzt.

Zugleich betonte Merz, dass die Zukunft der Automobilindustrie elektrisch sei. Um den derzeit schleppenden Absatz von Elektroautos anzukurbeln, verständigten sich die Koalitionsspitzen auf ein neues Förderprogramm mit einem Volumen von drei Milliarden Euro, das sich an Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen richtet.

Insgesamt soll es bis zu 5000 Euro für den Kauf oder das Leasing eines neuen Elektroautos oder Plug-In-Hybriden geben. Anders als bei der Umweltprämie, die bis Dezember 2023 gezahlt wurde, sollen dabei Obergrenzen für das Haushaltseinkommen gelten. Esra Limbacher, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, sprach von einem Impuls für Innovation, Industrie und soziale Fairness.

Bei der Opposition und Wirtschaftsexperten stieß das Vorhaben dagegen auf Kritik. Zu oft hätten Kaufprämien vor allem Mitnahmeeffekte erzeugt, während die Händler ihre Preise entsprechend angehoben hätten, sagte Paula Piechotta, für die Grünen Mitglied im Haushaltsausschuss. Die Chefin der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer sagte, es sei an sich eine gute Idee, Elektromobilität zu fördern. „Aber dafür gibt es andere Stellschrauben.“ So wäre das Geld besser in den Ausbau der Ladeinfrastruktur investiert.

Skepsis bei der Autobranche

Auch in der Autobranche selbst wird Skepsis zu dem Programm deutlich. Die geplante Förderung setze zwar einen finanziellen Impuls, löse aber zentrale Probleme der Käuferinnen und Käufer nicht, erklärte der Verband der Fahrzeugimporteure (VDIK). „Kundenbefragungen zeigen, dass hohe und intransparente Stromkosten der wichtigste Grund für Kaufzurückhaltung sind“, sagte VDIK-Chefin Imelda Labbe.

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